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1924 – Der große Flugsonntag in Chemnitz

    Annonce Flugwerbetag 1924

    Bereits seit den Tagen der ersten Zeppelinflüge und den Landungen in Chemnitz herrschte eine weitverbreitete Luftfahrtbegeisterung, die während des 1. Weltkrieges weiter angeheizt und nach Kriegsende auf den Luftverkehr übertragen wurde.

    Der vom Chemnitzer Verein für Luftfahrt initiierte Werbetag sollte nach längere Pause dem Publikum zeigen, das sich der Flugsport trotz aller Hemmnisse von außen kräftig entwickelte, sollte aber auch der Grundstock zu einem für Chemnitz dringend benötigten Flugplatz sein.

    Ab dem Falkeplatz wurde ein Omnibus-Sonderverkehr bis zum Gelände an der Stollberger Straße unterhalb der Obstweinschänke eingerichtet. Dieses war noch nicht abgeerntet, im Interesse der Volksernährung durfte die Frucht nicht zerstört werden. Deshalb wurde nur ein kleiner Teil des geplanten Flugplatzareals für die Veranstaltung genutzt. Vorab konnte man im Lloyd-Reisebüro Hauptmann, Königstraße 8, und im Zigarrengeschäft von Carl Paul Vieweg, Poststraße 23, Eintrittskarten erwerben.  Mit dem Kauf eines Programmheftes für 50 Pfennig bestand die Möglichkeit, einen Freiflug zu gewinnen.

    Lesen wir, wie die Presse diesen Nachmittag beschrieb: „Die ganze Veranstaltung des Chemnitzer Vereins für Luftfahrt war vom herrlichsten Wetter begünstigt und nahm schon darum einen großartigen Verlauf. Schon am Sonntag vormittag erfolgten Passagierflüge, Rundflüge um Chemnitz sowie Überlandflüge ins Erzgebirge, wobei auch zahlreiche Lichtbildaufnahmen von den Flugzeugen aus gemacht wurden.

    Bildquelle Sammlung J. Eichhorn – veröffentlicht in VS-aktuell

    In Gegenwart einer unübersehbaren Menschenmenge begann die eigentliche Werbeveranstaltung am Sonntag nachmittag 2 Uhr, die mit einem Platzkonzert der ehemaligen Ulanenkapelle eingeleitet wurde. Inzwischen waren fleißige Hände tätig gewesen, die den großen Freiballon „Schwarzenberg II“, der 750 Kubikmeter faßt, und den Ballon „Chemnitz“ des Chemnitzer Vereins für Luftfahrt füllten. Mit einem „Glückab!“ startete gegen ¾ 3 Uhr der Ballon „Schwarzenberg II“, der steil in die Höhe ging und eine nordöstliche Richtung einschlug. Vier Flugzeuge umkreisten den Ballon in beträchtlicher Höhe, und der azurblaue, fast wolkenlose Himmel bildete einen glänzenden Hintergrund zu dem überwältigend schönen Luftschauspiel. Inzwischen war auch Major a. D. Carganico auf seinem Dietrich-Gobiet aufgestiegen und führte unter dem brausenden Beifall des Publikums eine größere Anzahl Kunst- und Schauflüge aus, fabelhafte Kurven wechselten mit steilen Gleit-, Sturz- und Kopfflügen in bunter Folge ab.

    Bald darauf startete unter Führung von Fritz Bertram der große Ballon „Chemnitz“. Als er vom Boden abgekommen war, nahmen Automobil- und Motorradfahrer seine Verfolgung auf, wobei es in einem sehr scharfen Tempo auch über Sturzäcker ging. Auch Flieger stiegen auf und flogen in großer Höhe über den Ballon hinweg, der in strahlender Herbstsonne über der Stadt ein prächtiges Bild darbot.

    Die Sensation des Tages gab es gegen ¼ 5 Uhr, als Herr Hinderlich aus Berlin in einem Flugzeug der Firma Aero-Express startete, um einen Fallschirmabsprung aus dem Flugzeuge auszuführen. Nachdem sich der Apparat auf etwa 1000m emporgeschraubt hatte, führte Herr Hinderlich seine kühne Tat aus. Der Fallschirm entfaltete sich in tadelloser Weise, und der wagemutige Springer sank langsam in nordöstlicher Richtung zu Boden. Während er sank, umkreisten ihn in ganz famoser Weise mehrere Flugzeuge. Hinderlich erreichte dicht an der Flugplatzgrenze den Boden, ohne irgendwelchen Schaden zu nehmen.

    Im Laufe des Tages sind insgesamt 66 Passagierflüge ausgeführt worden, bei denen ein Flugzeug oft fünf Passagiere mit sich führte. Die Teilnehmer sprachen sich sämtlich über die Fahrt in die Lüfte hochbefriedigt aus. Als im weiteren Verlauf noch eine größere Anzahl Flüge ausgeführt worden waren, startete gegen 5:30 Uhr das aus sieben Flugzeugen bestehende Geschwader gemeinsam zu Schau- und Kunstflügen, wobei die Beteiligten ihr Können in das hellste Licht setzten. Man fuhr u.a. mit großem Schneid in einer Höhe von 4-5 Meter über die Köpfe der Zuschauer hinweg, und man vollführte weiter tolle Kapriolen in der Luft, bei denen der Zuschauer manchmal glaubt, daß ihm das Herz stillstehen müsse.

    Alles in allem: Die Bevölkerung der Stadt Chemnitz war Zeuge und Schauplatz einer Veranstaltung, die einen Markstein in unserer Ortsgeschichte bedeutet, die aber auch den Einzelnen unendlich viel des Neuen und Fesselnden bot.“

    Der Ballon Chemnitz landete schließlich 5:12 Uhr in der Nähe des Rittergutes Helfenberg, die ersten Verfolger, 2 Motorradfahrer, kamen ca. 20 min später zum Landeplatz. „Ballon Schwarzenberg II“, geführt von Otto Bertram, wurde 23 Minuten nach der Landung in Deutschenbora von den Verfolgern erreicht.

    (Quelle: Chemnitzer Tageblatt, 15.September 1924)

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