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Paul Spiegel – Pionier und Initiator der Luftfahrt in Chemnitz

    Portrait Paul Spiegel

    Geboren am 14.12.1851 in Breslau, war er schon zu Kinder-und Jugendzeiten fasziniert von den Luftschiffern, die seine Heimatstadt besuchten. Sein Ziel war schon früh gesteckt: Ein Luftschiffer werden! Bedingt durch den frühen Tod seines Vaters, musste er frühzeitig die Schule verlassen und eine 3jährige Lehre in einem Manufakturwarenhaus in seiner Heimatstadt antreten. Bereits mit 16 Jahren konnte er diese vorzeitig beenden. Seine Berufsbezeichnung lautete fortan „Commis“ – Kaufmännischer Angestellter. Seinem Ideal, dem Traum vom Ballonfahren , widmete er weiter jede freie Stunde.

    Über Wien und Ungarn kam er 1873 nach Chemnitz, wo er seine kaufmännische Laufbahn fortsetzte. 1875 gründete er mit einem Kompagnion die Firma „Spiegel und Berkovitz“ Strumpf- und Wollwarengeschäft mit Sitz in der großen Brüdergasse 16 (war eine Parallelstrasse der Theaterstraße, heute etwa Bereich Getreidemarkt), Kontor in der Annaberger Straße 48. 1876 verlegte er sein Ladengeschäft in die Langestraße 5, 1880 finden wir es dann im Adressbuch in der Kronenstraße 4, Firmensitz in der Poststraße 29.

    P.Spiegel war ein sehr sportlicher Mensch, er turnte, schwamm, fuhr Rollschuhe und Fahrrad. Im Winter war auf dem Chemnitzer Eis zu finden, fuhr Schlitten und Ski im Erzgebirge. Als Athlet und Ringkämpfer gründete er den Chemnitzer Athletenklub und arrangierte Wohltätigkeitsveranstaltungen.

    Werbung von 1888 aus den „Fliegenden Blättern“

    Seine Beziehungen zu Theater, Zirkus und Varieté führten in dazu, ein Künstler-Trikotfabrikgeschäft ins Leben zu rufen. Heute würde man Theaterausstatter dazu sagen. 1885 finden wir den Firmeneintrag in der Logenstraße 28. Er selbst inszenierte mit zahlreichen Komparsen mehrere hundert Kunstaufführungen zu wohltätigen Zwecken, so im „Thalia-Theater“ und im „Linden-Etablissement“.

    Annonce aus dem Jahre 1897 zu einer Veranstaltung in Dresden

    Bereits 1880 lernte er den Berliner Luftschiffer Richard Opitz kennen, der ihn in seinem weiteren Bemühen in die Luft zu steigen, unterstützte und den er als seinen Lehrmeister bezeichnete.

    Im weiteren Bestreben, dem Himmel ein Stück näher zu kommen, war ihm dann Ingenieur Rodeck, ein Mitstreiter G. Baumgartens bei der Entwicklung des lenkbaren Luftschiffes, behilflich. Mit ihm war er häufig unterwegs, um sich das Rüstzeug anzueignen und dann mit selbstgebauten Ballons aufzusteigen. Diese fertigte er aus gefirnißten Baumwollstoff in seiner eigenen Firma. 1890 wird der Firmensitz in der Poststraße 49, dann in der Theaterstraße 82, ab 1897 in der Poststraße 61, bezeichnet als „Fabrikation von Luftschiffen, Freiballons und Fesselballons“, genannt.

    Zur Finanzierung seiner ganzen Unternehmungen lies er sich zu Schauvorführungen einladen und unternahm verschiedene Auffahrten mit Passagieren in Deutschland und den angrenzenden Ländern. Das zahlende Publikum wollte jedoch nicht nur den Aufstieg eines Ballons erleben, es wollte ein „halsbrecherisches teilweise gefährliches Schauspiel des Luftschiffers“ erleben, wie er in seinem Buch schreibt.

    1895 – Start zweier Ballone im Gasthaus zur Linde

    Startplätze in Chemnitz fand er u.a im „Gasthaus zur Linde“, vor dem „Gasthof Hirsch“ in Gablenz und im „Waldschlößchen“ in Hilbersdorf.

    Auch hielt er Vorträge über das Wesen der Aeronautik, in unterschiedlichsten Personenkreisen und Vereinen, um das Interesse an der Luftschifffahrt zu wecken.

    Am 3.März 1895 gründete er den „Verein zur Förderung der Luftschiffahrt für Sachsen“ mit Sitz in Chemnitz, aus dem der „Chemnitzer Verein für Luftfahrt e.V.“ hervorging. Über lange Zeit war er gemeinsam mit Josef Feller enthusiastischer Hauptakteur des Vereins. Um 1908 legte er den Vorsitz aus beruflichen Gründen nieder, blieb aber Mitglied des Fahrten- und des Technischen Ausschusses des Vereins.

    1907 errichtete er in Chemnitz eine Luftschifferschule unter dem Namen „Erste Stätte Deutschlands zur Erlernung der Luftschiffahrt“, die jedoch mangels Zuspruches und finanzieller Mittel nicht lange Bestand hatte. Bis 1912 unternahm er 392 Ballonfahrten.

    Bilder von Ballonaufstiegen Spiegels sind rar gesät, hier sehen wir den Start am 9.Juli 1905 in Zschopau. Der Aufruf zur Unterstützung des Projektes hat mir das tolle Bild aus der Sammlung von Carsten Beier (Zschopau) beschert. Danke!

    Horst Teichmann schreibt in seinem Buch „Die Sehnsucht zu fliegen“ zu Spiegel: „Bis zu Beginn des ersten Weltkrieges hat er ca. 500 Fahrten unternommen. Seine persönlichen Rekorde waren dabei 5420m Höhe, max.Geschwindigkeit 200km/h, Dauerfahrt 8 Stunden. Er unternahm Nachtfahrten, war im 1.Weltkrieg Fesselballonflieger und wurde international bekannt durch eine Fahrt über dem Mittelmeer, wo er am 14.Juli 1912 startete. 1919 ist er in Chemnitz verstorben und wurde mit militärischen Ehren beigesetzt.“

    Quellen:

    Braunbecks Sportlexikon Ausgabe 1912

    • Buch: Paul Spiegel – Zwischen Himmel und Erde – eine Auslese der interessantesten und gefahrvollsten Luftschiffahrten des Aeronauten Paul Spiegel Chemnitz (Leipzig 1905) – unter  http://digital.slub-dresden.de
    • Buch „Die Sehnsucht zu fliegen“ H.Teichmann
    • Festschrift zum 100.Geburtstag des Chemnitzer Vereins für Luftfahrt e.V. 1995
    • Diverse Adressbücher der Stadt Chemnitz – unter  http://digital.slub-dresden.de