Der Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Sachsen mit Sitz in Chemnitz hatte im Jahr 1897 seine Tätigkeit strukturiert und mit einen gewählten Vorstand aufgenommen, die Mitgliederzahl war auf 65 angewachsen. Darauf aufbauend verfolgte der Verein 1898 seine Ziele zu ändern. War die Ballonfahrt bisher meist Selbstzweck, sollte jetzt die Hauptaufgaben in der wissenschaftlichen Beobachtung der Atmosphäre, verbunden mit der Förderung der Flugtechnik und der Ausbildung von neuen Ballonführern liegen. Auch versuchte man durch Herabsetzen der Jahressteuer von 20 auf 10 Mark neue Vereinsmitglieder zu gewinnen.
Vortragsabende wurden zu Fundamentierung der Ziele veranstaltet, auch erhoffte sich der Verein durch die wachsende Bedeutung, die die Luftschiffahrt für das Deutsche Heer erhalten hat, auch von dieser Seite Unterstützung.
Doch im Frühjahr kam es zu Spannungen im Verein.
Feller und Spiegel stiegen Anfang Mai getrennt in Chemnitz auf, am 1. Mai Feller im Tiergarten Scheibe, Spiegel am 2. Mai vom Schützenhaus in Altendorf.
Paul Spiegel als Vorsitzender des Vereins hatte die Entscheidung getroffen, sich nunmehr vollständig der Ballonfahrt zu widmen. Fast jedes Wochenende ab Anfang Mai war er mit seinem Ballon „Chemnitz“ unterwegs, um mit Aufstiegen und Vorträgen über die Entwicklung der Luftschifffahrt sowie die Erlebnisse als Luftschiffer seine Leidenschaft beruflich umzusetzen.
Seine Reisen führten ihn u.a. nach Freiberg, Greiz, Hof, Crossen, Gera, Bamberg und Apolda. Insgesamt sind 16 durchgeführte Fahrten bis Ende September verzeichnet, einige Geplante mussten wegen Wetterunbilden unterbleiben.
In dieser Zeit muss es wohl Zwistigkeiten zwischen Spiegel, dem Verein und Richard Feller, dem 2.Ballonführer gegeben haben, die zur Trennung führten. Und diese müssen heftig gewesen sein, selbst Spiegel schreibt in seinem 1905 erschienenen Buch „Zwischen Himmel und Erde“ nur noch abfällig von einem „Leipziger Luftschiffer“… obwohl sie mindestens 8 Jahre fast alles gemeinsam gemacht haben…und Feller der Lehrmeister Spiegels war.
Feller gründet im April 1898 insgeheim einen 2. Verein für Luftschiffahrt, den Club „Aeronautis“ und schied aus dem Verein zur Förderung der Luftschiffahrt aus. Mit geringen Mitgliedsbeiträgen in Höhe von 30 Pf. wollte er seinen Mitgliedern einen Ballonfahrt ermöglichen, bezweckte aber Sportauffahrten mit seinem Ballon unter dem Deckmantel eines Vereins durchzuführen.
Dies wird in Kreisen des Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt mit Skepsis gesehen. Zur Vereinsversammlung am 25. August 1898 wird höflicherseits noch das Bedauern zur Gründung dieses Vereins „Aeronautis“ zum Ausdruck gebracht. Aber zwischen den Zeilen liest man die Mißstimmung über diese Konkurrenz.
Ab 28.August 1898 wurden die ersten offiziellen Auffahrten Fellers (alias „Aeronautis“) von Colosseum aus angezeigt.
Zum gleichen Termin sollte auch eine Auffahrt Spiegels vom Gasthaus „Zur Linde“ stattfinden. Nur Spiegel stieg trotz ungünstiger Witterung auf. Auch am nächsten Wochenende verhinderte das schlechte Wetter den Aufstieg. Erst am 11.September war es zum anberaumten Volksfest in der „Scheibe“ möglich, das Feller mit seinem Ballon Pfeil die Fahrt ausführen konnte, zeitgleich stieg Spiegel mit dem Ballon „Wettin“ im zoologischen Garten in Dresden auf.
Zeitgleich hatte er seinen Assistenten Oswald Lische in Chemnitz vom Garten der „Linde“ aufsteigen lassen, verbunden mit einer Ballonverfolgung für Radfahrer. Dies geschah wohl aber nur zur Schädigung Fellers…das aber misslang, wie der Generalanzeiger für Chemnitz am 13. September schreibt: „Man darf wohl ohne Übertreibung behaupten, daß der „Thiergarten Scheibe“ noch nie eine so zahlreiche Zuschauerschaft auf einmal vereint gesehen hat, denn es waren annähernd 6.000 Eintrittskarten gelöst worden, so daß eine dicht gedrängte Menschenmenge den weiten, für die Auffahrt bestimmten Platz umsäumte.“ Fellers Fahrt wurde ein voller Erfolg, mit einem bitteren Beigeschmack,…der der Nachwelt verborgen bleibt.
Feller meldete sich zur am nächsten Wochenende geplanten Auffahrt telegraphisch krank, Spiegel stieg am 18. und 25. September jeweils noch einmal vom Gasthaus „Zur Linde“ auf.
Nebenbei wurden im Verein zur Förderung der Luftschiffahrt beschlossen, „Versuche auf dem Gebiet der Physik der Atmosphäre mit eigens dazu konstruierten großen Drachen, welche bis zu einer Höhe von 3000 m aufzusteigen vermögen, zu beginnen. Die jetzt zum Entwurfe gelangten Drachen, aus Rohr und Shirting erbaut, sind vermöge ihres Umfanges imstande, 20-25kg mit in die Luft zu nehmen, bei erweitertem Flächenraume auch ein verhältnismäßig größeres Gewicht. Um durch diesen Drachenaufstieg die wissenschaftlichen Beobachtungen zu erzielen, trägt das Luft-Vehikel in einem Korb einen ca. 10kg schweren Selbstregistrierapparat, einem nach den Angaben der Mitglieder Herr Dr. Hoppe und Müller von dem hiesigen Optiker Paul Kühne verfertigten sogen. „Baro-Thermo-Graphic“, welcher während seines Verweilens in den oberen Regionen die Temperatur, den Luftdruck und die Feuchtigkeitsverhältnisse der verschiedenen Höhen und Luftschichten bemißt und durch zuverlässige Selbstnotizen auf einem Papierstreifen festhält. Diesen Drachenversuchen sollen voraussichtlich noch während des diesjährigen Herbstes erweiterte Beobachtungen und Forschungen durch Ballonauffahrten folgen und der Verein hofft, daß seinen rein wissenschaftlichen Bestrebungen das Interesse der Allgemeinheit entgegen gebracht werde.“ so das Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger in ihrer Ausgabe vom 27.08.1898.
Der wissenschaftliche Gedanke zur Nutzung der Ballonauffahrten wurde weiter verfolgt, doch die zahlreichen publikumswirksamen Auffahrten zur Kostendeckung und Beschaffung von finanziellen Mitteln, auch für die meteorologischen Instrumente, standen weiterhin im Mittelpunkt.
(Quellen: Div. Ausgaben des Chemnitzer Generalanzeigers März-Okt 1898 – zu finden unter SLUB-Dresden.de; Deutsche Luftfahrt, Ausgabe 1898)