Wie ich herausfinden konnte, gibt es Ereignisse, die bisher in der Luftfahrtgeschichte der Stadt Chemnitz unbeachtet blieben. Die 2.Auffahrt eines Ballonfahrers überhaupt, früher noch als Aeronauten bezeichnet, in Chemnitz fand bereits am 5.Oktober 1873 statt. Davon möchte ich in diesem Beitrag berichten. In dieser Zeit weilte der Franzose Theodor Sivel in verschiedenen deutschen Städten und führte seine Ballonfahrten vor zahlreichen neugierigen Besuchern durch. Der beschriebene Aufstiegsort an der Beckerstraße war damals bereits einseitig mit einigen Fabrikanlagen bebaut, von denen er auch das benötigte Gas zur Füllung des Ballons beziehen konnte.
Davon auch dieser erste Bericht in der Presse:
„Die Luftballonfahrt des Herrn Sivel aus Paris hatte am gestrigen Nachmittag eine ganz bedeutende Menschenmenge in die Nähe des Platzes an der Beckerstraße geführt, woselbst die Füllung des Ballons vermittelst Leuchtgases von 2 Uhr Nachmittags an vor sich ging. Durch sehr windstilles Wetter begünstigt, verlief dieselbe ohne jegliche Störung, so daß 4 Uhr 20 Minuten der Ballon losgelassen ward und unter den begeisterten Zurufen der zahlreichen Zuschauer in ruhigem steten Gange den Wolken zustrebte. In der Gondel befand sich außer Herrn Sivel noch ein Passagier. Derselbe, ein Herr Pange von hier, hatte sich noch im letzten Augenblick zur Fahrt entschlossen, die, wie wir heute hören, in der günstigsten Weise verlaufen ist. Da der Himmel am gestrigen Nachmittage stark von Wolken bedeckt war, so entzog sich der Ballon natürlicherweise den ihn verfolgenden Blicken als er in die Wolkenschicht eintrat, was in einer Höhe von ca. 3000 Fuß geschah. Nachdem der Ballon die Wolken, die sich den Luftschiffern als starker Nebel bemerkbar machten, durcheilt hatte, befanden sich die Reisenden in prächtigen Sonnenschein bei ungemein milder, fast ganz windstiller Luft und sahen unter sich einen dichten Wolkenschleier, der die Aussicht auf die Erde verhinderte. Der Ballon soll die Höhe von 9000 Fuß erreicht haben. Gegen 6 Uhr ging derselbe in der Nähe von Eppendorf bei Großhartmannsdorf auf einer Wiese nieder, woselbst von den dortigen Bewohnern alle nötige Hilfe zum sanften Anlanden geleistet ward. Ein Wagen führte die Luftschiffer noch am selben Abende nach Oederan und von dort nach Chemnitz zurück.“
Sivel unternahm teils spektakuläre Auffahrten, so 1874 mit 5 zusammengebundenen Ballons in Leipzig, und 1875 einen Versuch, in bisher ungeahnte Höhen vorzudringen. Bis in über 8.000m war er gemeinsam mit 2 anderen Wagemutigen aufgestiegen. Dieser Aufstieg am 16.April 1875 kostete ihm im Ballon Zenith trotz Mitnahme von Sauerstoff das Leben.
Quellen: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger, 241, 07.10.1873 – Bildquelle Theodor Sivel: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b530658984