Man will es sicher kaum glauben, doch es ist eine unwiderlegbare Tatsache, dass auch der Sonnenberg einen ganz kleinen Anteil an der Entwicklung der deutschen Luftfahrt in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hatte.
Einige Firmen liesen sich hier nieder und fertigten wegweisende Produkte auf dem Weg zur technischen Entwicklung im Flugwesen. Einer davon war, neben den Firmen „Bernhard Escher A.G.“ und der „Werkzeugmaschinenfabrik G.A. Bräuer u. Co.“,
Johann Schneeweis
dessen Entwicklung und Werdegang ich hier vorstellen möchte.
Johann Emil Friedrich – auch Jean – Schneeweis, wurde am 13. April 1866 als Sohn eines Lokomotivführers in Hanau bei Frankfurt geboren. Er übte den Radsport aus und errang bei Straßenrennen und im Kunstfahren verschiedene Preise. Von April 1880 bis Oktober 1885 lernte er – wohl vom Vater inspiriert – im Lokomotivbau, war dann 10 Jahre in der Elektrotechnik beschäftigt. Er baute u. a. die städtischen Zentralen Traben-Trarbach, Hornberg, Nieder-Wöllstadt, Olbernhau und Athen. 1895 wurde er Spezialist im Motorenbau und konstruierte einen außerordentlich einfachen, ventillosen Motor, der für Wasser-, Luft- und Landfahrzeuge eingesetzt werden konnte.
Noch in Frankfurt am Main lebend, ließ er die von ihm konstruierten Motoren (Hummel- und Maier-Remshardt-Triumph) und Erfindungen patentieren.
1896 heiratete Schneeweis in Frankfurt am Main die 4 Jahre jüngere Tochter eines ortsansässigen Kaufmanns – Clara Jourdan, mit der er 4 Kinder hatte.
Anfang 1909 kam es zur Zusammenarbeit mit der „Bernhard Escher A.G.“ Wettiner Straße 7-9 (heutige August-Bebel-Straße) in Chemnitz. In der neu gegründeten Abteilung Motorenbau der „Bernhard Escher A.G.“, wo er insgesamt 1 ½ Jahre als Oberingenieur tätig war, wollte er seine Patente über Flug- und Luftschiffmotoren verwerten.
1910 erregten die sogenannten „Eschermotoren nach dem System Schneeweis“ Aufmerksamkeit und Beachtung in der Fachliteratur und bei der Ausstattung erster Fluggeräte.
Ebenfalls 1909/10 wurde er Mitglied des neu benannten „Chemnitzer Vereins für Luftschiffahrt“. Darüber hinaus war er Mitglied in zahlreichen flug- und kraftfahrzeugtechnischen Vereinen im In- und Ausland.
Im November 1910 machte sich der Bauingenieur schließlich selbstständig und gründete in seinem Wohnhaus in der Chemnitzer Forststraße 8 seine erste Firma „Spezialfabrik für moderne Luftfahrzeugmotoren“, die ihre Motoren fortan unter dem Markennamen „WODAN“ vertrieb. Im April 1911 wurde in der „Deutschen Zeitschrift für Luftfahrt“ eine ganz bedeutende Betriebserweiterung bekannt gegeben. Schneeweis hatte auf dem bekannten großen Brauer’schen Grundstück in der Hainstraße 109 eine völlig neue Fabrik errichtet und mit den neuesten Spezialmaschinen ausgestattet, um seine Leistungsfähigkeit erheblich zu steigern. In diese Zeit fällt auch der Beginn der Zusammenarbeit mit der am 31. Oktober 1910 in München gegründeten Luftschiffbaugesellschaft Veeh m.b.H., für die er die Antriebsmotoren liefern sollte.
Hauptgeschäft blieb die Herstellung von Flieger- und Luftschiffmotoren von 15-200 PS als 4, 6 und 8-Zylinder-Motor. Die Motoren zeichneten sich sich durch bestes Material und Präzisionsarbeit aus und man versprach „eine schnelle Lieferung, bei zuverlässiger Konstruktion, größter Einfachheit und Betriebssicherheit.“
Im Juni 1911 besuchten Mitglieder des flugtechnischen Vereins „Aviata“ Leipzig mit einigen weiteren Herren aus Chemnitz die Fabrik und überzeugten sich von der Motorentechnik und der Ausstattung. „Ein fertiger 60 PS-Vierzylinder wurde vorgeführt, dieser wurde am nächsten Tag in den neuen Farman-Doppeldecker des Chemnitzer Ingenieurs Adelmann eingebaut. Des Weiteren wurden mehrere Motoren, die sich kurz vor ihrer Vollendung für die „Luftschiffbau Veeh GmbH“ befanden, gezeigt. Es waren in Arbeit: 3 Motoren a 150 PS mit je sechs Zylindern, 3 Motoren a 200 PS mit je acht Zylindern, 2 Motoren mit je ca. 100 PS mit je sechs Zylindern und 6 Fliegermotoren a 50-60 PS mit je vier Zylindern. Herr Schneeweis erklärte sämtliche Details seiner Motoren und es war viel Interessantes und Bemerkenswertes zu sehen.“
Bald jedoch brach er seine Zelte in Chemnitz ab und siedelte nach München. Ein Grund könnte die angestrebte Zusammenarbeit mit der ortsansässigen „Luftschiffbaugesellschaft Veeh“ sein, die er vertiefen wollte.
Schon am 4. Oktober 1911 lesen wir in „Deutschen Zeitschrift für Luftfahrt“ eine Annonce zur neuen „Luftfahrzeugmotorenfabrik“. Auch in der großen Enzyklopädie „Braunbecks Sportlexikon“ von 1912 wirbt er für die Fabrik in Milbertshofen, Schopenhauerstraße 6.
Am 24. Januar 1912 wurde die Firma J. Schneeweis & Cie Fahrzeugmotorenfabrik Kommanditgesellschaft in das Handelsregister der Stadt München eingetragen. Als Kommanditist wurde Kommerzienrat Dr. Rich. Michel benannt.
Er hatte Chemnitz endgültig den Rücken gekehrt und neue Fabrikräume in der Äußeren Schleißheimer Straße 8 in Milbertshofen bezogen.
Einschneidend für Schneeweis war wohl der Konkurs der „Luftschiffbau Veeh GmbH“ und die Auflösung der Gesellschaft am 2. Mai 1912. Der wichtigste Abnehmer war auf Grund von Liquiditätsproblemen weggefallen, das ihn monetär auch hart traf.
In München erfolgten wohl auch die Kontakte und die daraus resultierende Zusammenarbeit mit weiteren Firmen, die sich für seine kompakten ventillosen Fahrzeugmotoren interessierten. Wie die Kooperation aussah, können wir heute nicht nachvollziehen, vielleicht verkaufte er einen Teil seiner Patente zur Abdeckung seiner Lebensverhältnisse.
Zu nennen wäre da zuerst die am 20. Mai 1912 gegründete „Flugwerk Deutschland GmbH“ in Brand bei Aachen, die unter den Prokuristen Karl Rapp und Joseph Wirth in München-Milbertshofen ein Büro und ab 1913 auch eine Fabrikation in der Schleißheimerstr. 288 unterhielt.
Nach der Auflösung auch dieser Gesellschaft im Juni 1913 übernahm Karl Rapp die Produktionsstätte und führte sie als „Rapp-Motorenwerke-München GmbH“ fort.
Aus dieser soll später (April 1917) die BMW GmbH und 1918 die A.G. entstanden sein.
Die auf Wikipedia dargelegte Gründung der BMW AG mit dem Bezug zu Johann Schneeweis möchte ich widerlegen. Die Firma wurde nicht aufgekauft.
Noch 1912 siedelte Schneeweis nach Berlin-Wilmersdorf, Brandenburgische Straße 74 über, in das Gebäude des neuen Gesellschafters Herrn Schenk. Hinweis dazu in „Der Motorwagen“ 1912 Seite 916.
Dort baute er weiter Flugzeugmotoren mit Luft- und Wasserkühlung und auch einige Typen ventilloser Automotoren. 1914 finden wir durch Annoncen u.a. in der Publikation „Motoren für Flugzeuge und Luftschiffe“ noch einmal einen Firmenwechsel nach Berlin-Halensee, Karlsruher Str. 8. Neben seinen Motoren waren mehrspindelige Zylinderbohrwerke und automatische Ölverteiler zum Produktionsspektrum hinzugekommen. 1914 und 1917 lies er sich 2 weitere Produkte markenrechtlich schützen.
1918 endet die Ära Schneeweis in Berlin. Die Firma wurde am 22. Mai des Jahres an den neuen Besitzer Rudolf Hartwig verkauft. Neuer Standort der Firma war in Berlin-Charlottenburg, Kaiserdamm 89, Schneeweis blieb als Angestellter der Firma erhalten, wohnhaft jetzt Dernburgplatz 2.
Er zog sich jedoch noch nicht ganz in das Privatleben zurück, sondern widmete sich als Technischer Berater weiteren Motor-Konstruktionen und half der Motoren-Handelsgesellschaft von Fehling & Stumpf, Berlin W15, Kurfürstendamm 220, das außergewöhnliche „Einguß-Zweirad-Auto“ zu konstruieren. Dazu entwickelte er ein Fahrgestell aus Elektron-Leichtmetall und die eingesetzten Parallel- Zweizylinder-ohv-Motoren, die in 3 Varianten angeboten wurden.
Dieses ungewöhnliche Motorrad wurde auf der Auto- und Motorradausstellung in Berlin 1923 gezeigt, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Weitere Infos dazu unter www.motorräder-aus-leipzig.de
Seinen letzten Wohnsitz finden wir in Berlin-Wilmersdorf in der Sächsischen Straße 74, wo er auch am 24. Februar 1925 verstarb.
(Quellen: Adressbücher von Chemnitz, München, Berlin, Frankfurt; Zeitschriften: Die Deutsche Luftfahrt 1909-1912, Reichsanzeiger, Bücher: Ballon-und Flugmotoren 1910, Motoren für Flugzeuge und Luftschiffe 1914, Braunbecks Sportlexikon 1911-12; Zeitdokumente seines Enkels; u.a.)