Heute vor 60 Jahren, am 31. Oktober 1962, erfolgte mit der Flugnummer DH 209 um 15:35 Uhr der letzte Linienflug der Deutschen Lufthansa vom Karl-Marx-Städter Flughafen an der Stollberger Straße nach Berlin. Nach nur viereinhalbjähriger hoffnungsfroher Nutzung das Aus des Flughafens für den zivilen Flugverkehr in der damaligen DDR. Ein Rückblick zum Jahrestag.
Mitte der 50 Jahre wurde mit allem Nachdruck von der ortsansässigen Industrie, deren hohes Exportaufkommen einer der Gründe war, die Wiederaufnahme des bereits vor dem 2. Weltkrieg bestehenden Luftfrachtverkehrs gefordert. Doch die technischen Voraussetzungen waren nicht gegeben. Erst nach grundlegenden Modernisierungsmaßnahmen am lange Zeit stillgelegten Chemnitzer Flugplatz, begannen im Frühjahr 1958 die letzte Vorbereitungen der Deutsche Lufthansa, um Karl-Marx- Stadt an das Inlandflugnetz der DDR anzuschließen. Aber es war vorerst nur Passagierverkehr geplant. Der neue Flughafen Berlin sollte täglich im Direktflug mit Maschinen vom Typ Antonow AN 2 werktags (Mo. bis Sa.) mit einer Früh- und Abendverbindung erreichbar werden. Im Sommerflugplan waren zudem weitere Verbindungen dreimal wöchentlich von Leipzig bzw. Dresden nach Karl-Marx- Stadt vorgesehen.
Am 1.Mai 1958 wurde der Flughafen Karl-Marx-Stadt offiziell eröffnet und am nächsten Tag, dem 2. Mai 1958, erhob sich mit Flug DH 54 die erste Maschine Richtung Leipzig. An Bord auch ein Postsack, der hunderte der bei Philatelisten beliebten Erstflugbriefe mit Sonderstempeln enthielt. Erwartungsvoll natürlich die 9 Passagiere, die Platz in der AN2 fanden. Am selben Tag wurde auch der Flugbetrieb mit dem gleichen Flugzeugtyp auf der Strecke Berlin – Karl-Marx-Stadt – Berlin aufgenommen. Am 3. Mai folgte dann der Erstflug auf der Strecke nach Dresden und zurück.
Umstritten blieb von Anfang an die Lage des Karl-Marx-Städter Flughafens. Ganze 900 Meter Grasbahn auf Lehmboden standen als Landemöglichkeit zur Verfügung, zu wenig für die von der Deutsche Lufthansa modifizierten Maschinen vom Typ IL 14, die auf dem Großteil des Inlandflugnetzes eingesetzt wurden. Also konnten nur die obengenannten AN-2 Doppeldecker für die Kurzstrecken ab Karl-Marx-Stadt eingesetzt werden. Bei bestimmten Windrichtungen erfolgten An- und Abflug oftmals über die Innenstadt, natürlich mit dem verbundenen Fluglärm eine Zumutung für die Bevölkerung. Auch waren Starts und Landungen durch die Nichtbefestigung der Landebahn und ein damit verbundener Winterbetrieb nicht möglich.
Schon im Sommerflugplan, der ab dem 22. Juli bis zum 30. September 1958 galt, wurden auf Grund der starken Nachfrage morgens und abends zusätzliche Maschinen auf der Strecke-Karl-Marx-Stadt-Berlin eingesetzt. Diese Maschinen verkehrten ab 6:50 Uhr von Karl-Marx-Stadt (an Berlin 8:20 Uhr) und 14:30 Uhr (an Berlin 16:00 Uhr), die Rückflüge waren ab Berlin 8:55 Uhr (an K-M-St 10:25 Uhr) und 16:30 Uhr (an K-M-St 18.00 Uhr) vorgesehen. Ebenfalls wurde ab diesem Datum der tägliche Verkehr nach Dresden und Leipzig eingerichtet. Im ersten Teil des sogenannten Winterflugplanes bis zum 1. November verkehrten wieder nur 2 Maschinen (Mo. bis Sa.) nach Berlin und zurück. Dann endete der Flugbetrieb in Karl-Marx-Stadt. Nur ein Bedarfsluftverkehr bei entsprechendem Wetter war in den nächsten Monaten vorgesehen.
Am 15. April 1959 wurde der Flugverkehr nach Berlin wieder aufgenommen. Tägliche Starts nach Dresden und Leipzig folgten mit dem Beginn des Sommerflugplanes ab dem 2. Mai des Jahres. Neu hinzu kam in diesem Jahr die Verbindung nach Erfurt, eine Zwischenlandung auf der Strecke Dresden – Erfurt ermöglichte den Zustieg in unserer Stadt. Witterungsbedingt wurde Ende Oktober 1959 der Flugverkehr in Karl-Marx-Stadt eingestellt. Das Jahr 1959 wurde mit fast 18.500 Fluggästen und der ähnlichen Anzahl von Starts und Landungen zum Erfolgreichsten in der kurzen Zeit der Flugverbindungen. Möglich aber nur durch subventionierte Flugpreise, ein Flug nach Dresden und Leipzig kostete 12 Mark, nach Erfurt 29 Mark, nach Berlin 40 Mark.
Doch die Verkehrsverhältnisse wurden immer noch als unzureichend für diesen Industrieschwerpunkt bezeichnet, die Landemöglichkeit nur für Kleinflugzeuge verhinderte eine weitere Entwicklung. Fehlende Flugsicherungseinrichtungen für Schlechtwetterlandungen, wie Start- und Landebahnbefeuerung, konnten auf Grund fehlender finanzieller Mittel und Materialengpässen nie ausgeführt werden. Lediglich ein kleiner Teil des Flugvorfeldes, auf dem die Flugzeuge zum Einsteigen bereitstanden, wurde betoniert.
Ab 1.April 1960 bestanden wieder nach Berlin werktags sechs Verbindungen in beide Richtungen, alle 3 Stunden konnte man den Flug für 72 Mark (Preis für Hin und Rückflug) antreten. Anfang Mai folgten die Verbindungen nach Dresden und Leipzig. Im Sommer konnte man auch in der Flugscheinverkaufsstelle des Deutschen Reisebüros im Chemnitzer Hof unter dem Motto „Spare Zeit – reise zeitgemäß“ eine Flugreise nach Barth für 89 Mark buchen, jedoch mußte man in Leipzig umsteigen. Zubringerbusse brachten dann die Urlauber zu den beliebten Badeorten nach Prerow, Zingst, nach Rostock-Warnemünde, Stralsund und nach Bergen bis Göhren.
Auch wurde in diesem Jahr der Anteil der Dienstreisenden größer. Die Dienstreisebestimmungen gaben ihnen die Möglichkeit bei nachzuweisenden Einsparungen das Flugzeug zu benutzen. Viele Urlauber hatten sich Plätze im preisreduzierten „Flei-Verkehr“ (Flugzeug-Eisenbahnreise) an die Ostseeküste gesichert. Zusätzliche Verbindungen gab es auch zur Rad-Weltmeisterschaft im August 1960 am Sachsenring in Hohenstein-Ernstthal und auf der Karl-Marx-Städter Radrennbahn. An den Flughäfen in Leipzig und Karl-Marx-Stadt standen für die ausländischen Besucher Sonderbusse bereit, um die Gäste von und zu den Orten zu befördern.
1961 und 1962 gab es keine spürbaren Veränderungen im Inlandsflugverkehr von Karl-Marx-Stadt aus. Doch war dieser finanziell nicht mehr vertretbar, deshalb erfolgte am 31.10.1962 die Einstellung des Flugbetriebes für den Flughafen Karl-Marx-Stadt. Man hatte in Leipzig und Dresden einfach mehr Möglichkeiten zum Ausbau der Flughafenareale.
Am 10. März 1963 übergab der damalige Verkehrsleiter Kurt Schindler das gesamte Anwesen an den neuen Rechtsträger, die GST. Zwar wurde später, lt. einer Studie der Interflug, ein anderes Flughafengelände zwischen den Orten Garnsdorf und Auerswalde in Erwägung gezogen, aber auf Grund des hohen Bauaufwandes und der Wetterstaulage des Erzgebirges wieder verworfen.
15 Jahre später wurde das Gelände an der Stollberger Straße für den Wohnungsbau freigegeben. Doch zwischenzeitlich wurde es von der GST zur vormilitärischen Ausbildung, dem Fallschirmspringen, dem Segelflug- und Kunstflug genutzt. Zu diesem Zeitraum und den Rundflügen ab dem Flughafen Karl-Marx-Stadt berichte in weiteren Artikel.
(Quellen: diverse Zeitungsartikel aus ostdeutscher Zeitungen, zu finden unter Zefys.de; Artikel zum 30jährigem Jahrestag der Stilllegung, Blick 1992; verschiedene Beiträge aus der Sammlung von W. Bausch; Artikel im „Adelsberger“ die Lufthansa über Karl-Marx-Stadt. Ausgabe Sept/Okt 2020; Sonderveröffentlichung „Der Flughafen Chemnitz und Karl-Marx-Stadt“ von N. Engst; u.a.)