Immer noch hatte Deutschland im Flugzeugwesen Nachteile gegenüber der europäischen Konkurrrenz, vor allem in Frankreich erkannte man den Einsatz der Flugzeuge zur militärischen Nutzung. Beunruhigt davon riefen Nationalistische Kräfte 1912 zur National-Flugspende auf, über 7 Millionen Mark kamen zusammen. Von einem Nationalkomitee nach außen hin demokratisch und unabhängig geleitet, wurden die Spendengelder zielstrebig zur Aufrüstung eingesetzt.
Das Sächsische Kriegsministerium empfahl u.a. die Anlage von Flugstützpunkten in Sachsen, um die deutschen Bemühungen zu unterstützen, diesen anfangs beschriebenen Nachteil aufzuholen. Neben Chemnitz waren Dresden, Leipzig, Löbau, Plauen, Bautzen, Glauchau, Schwarzenberg und Zwickau in Aussicht genommen worden, Voraussetzung dazu war aber ein Flugplatz. Man bediente sich der Hilfe des Königlich Sächsischen Vereins für Luftschiffahrt und deren angeschlossenen Vereine, das Anliegen in die Stadtkollegien zu tragen. Gestützt auf einer Leseridee vom Juli 1912 des Chemnitzer Tageblattes, kam es zwischen dem Chemnitzer Verein für Luftfahrt (CVfL) und der Stadt zu langen Verhandlungen zum avisierten, leicht abfallenden Gelände in der Nähe der städtischen Gasanstalt III in Altchemnitz.
Am 21. November 1912 stand erstmals die Ratsvorlage auf der Tagesordnung der Stadtverordnetensitzung. Der zu schließende Vertrag sollte laut Hauptversammlung des CVfL vom 20. Januar 1913 in Hinblick auf die zu tätigenden Investitionen eine Gültigkeit von mindestens 30 Jahre haben. Mehrmonatige Verhandlungen und Vorschläge beider Seiten folgten.
Herr Dr. Rostovsky hielt am 16. Mai 1913 in der Mitgliederversammlung des CVfL einen Vortrag zur Anlage von Flugstützpunkten und unterstrich auch die wirtschaftliche Notwendigkeit des neuen Flugplatzes. In den Ratssitzung vom 1. Juni und 11. Juli 1913 beschäftigte sich das Stadtverordnetenkollegium nochmals mit der Überlassung des Geländes an den CVfL. Am 9. Juli 1913 war der Bebauungsplan für das Areal vom Baupolizeiamt veröffentlicht worden und den Stadtverordneten vorgelegt worden. Bis auf Widerruf wurde der für die nächsten 10 bis 15 Jahre voraussichtlich nicht mehr gebrauchte Teil des Geländes der neuen Gasanstalt in der Vorstadt Altchemnitz als Ballonfüllplatz zur Verfügung gestellt. „Das Kollegium beschloß gegen 8 Stimmen, daß dem Chemnitzer Verein für Luftfahrt zur Erweiterung des ihm von den städtischen Kollegien überwiesenen Flugplatzes etwa 126.000 Geviertmeter auf jederzeitigen Widerruf gegen einen jährlichen Pachtzins von 910 Mark überwiesen wird. Dieser Pachtzins soll dem Verein auf die Dauer seiner Fälligkeit als städtischer Beitrag gewährt werden.“ Hieß es dazu in einer Pressemitteilung.
Mit großem Eifer ging man an die Realisierung und konnte bereits am 5. Oktober den Platz in Altchemnitz einweihen. Mit einem Festakt wurde die neu errichtete, 25 x 12 m große Freiballonhalle, verbunden mit einer Ballonwettfahrt eingeweiht. Man hatte das Gelände sorgfältig ausgewählt, benötigte man zur Befüllung der Ballone doch Stadtgas, das nun in unmittelbarer Nähe zur Verfügung stand. Mittels Kompressoren wurde das direkt bis zur Befüllstation gepumpt. So konnten nun 7 Ballone in einer Stunde befüllt werden, gegenüber 24 Stunden vordem.
„An der Einweihungsfeier nahmen die Spitzen der Militär- und Zivilbehörden sowie ein nach Tausenden zählendes Publikum teil. Kurz nach 2 Uhr stieg als Erster der Ballon „Altenburg“ in die Lüfte, ihm folgten in kurzen Zwischenräumen die anderen 14 Luftsegler. Während die Einweihungsfeier selbst bei schönen Wetter vor sich ging, setzte bald nach dem Ballonaufstieg ein Gewitterregen ein. Bis 8 Uhr abends waren keine Landungen eingegangen.“ schreibt die Sächsische Volkszeitung.
Die Wettfahrt war eine Zielfahrt mit einer Mindestentfernung von 40 km vom Startort. Die Ballonfahrer mussten ihr selbstausgewähltes Ziel so nah wie möglich erreichen. Sieger wurde der Ballon „Plauen“ unter Führung von Herrn Wolf, der nur 320m vom angegebenen Ziel landete.
Kurz nach dem Ballon-Wettkampf landete bereits der erste Flieger auf dem Altchemnitzer Platz. „Am 13. Oktober war es Gotthard Gruner, ein geborener Chemnitzer, der von Weimar um 2 Uhr 30 Minuten zu einem Fernflug nach Chemnitz mit einem Passagier aufbrach. Der Flieger benutzte einen Harlan-Renn-Eindecker mit einem hundertpferdigen Argus-Motor. 4 Uhr 10 Min. erreichte der Flieger Chemnitz, umkreiste mehrmals die Stadt und landete 4 Uhr 35 Min. glatt auf dem Flugplatze des Chemnitzer Vereins für Luftfahrt.“
Gruner flog am nächsten Tag 11.30 Uhr weiter nach Dresden, wo er 1 Stunde später landete. Als Fluggast begleitete ihn ein Herr Schnell. In Dresden wollte er nur für 4 Stunden Benzin aufnehmen und dann nach Berlin-Johannisthal fliegen. Mit einem Dauerflug von 4 Stunden war die ausgeschriebene Stundenprämie der National-Flugspende sein Ziel. Der Start in Dresden zum Weiterflug misslang, da der Motor nicht auf Touren kam. Der Propeller zerbrach, ein Rad wurde beschädigt und die Kufe des Fahrgestells angeknickt. (Dresdener Neueste Nachrichten).
Die zunehmenden militärischen Interessen beim weiteren Ausbau wahrzunehmen, erkennen wir schließlich aus der Meldung vom 1. Dezember 1913 der Sächsischen Zeitung: „Chemnitz, 29.11. 1913 – Wie die „Allg. Ztg.“ erfährt, ist vom Vorstande des Vereins für Luftschiffahrt beschlossen worden, auf dem Flugplatze neben der Gasanstalt in Altchemnitz einen dritten Flugzeugschuppen zu errichten und den Flugplatz selbst sobald wie möglich herrichten zu lassen, so daß Chemnitz in nächster Zeit in die Reihe deutscher Flugstützpunkte aufgenommen werden kann.“
Noch waren die Bodenverhältnisse auf dem Flugfeld nicht ausreichend für die Flieger bei der Landung Ihrer Maschinen. Oft waren Schäden am Fahrwerk hinzunehmen. Auch erfahren wir nichts über die notwendige technische Ausstattung der Anlage, die zum Betrieb notwendig war.
Am 18. März 1914 lesen wir von einer weiteren verbürgten Landung in Altchemnitz. 2 Offiziere unternahmen einen Flug von Döberitz nach Chemnitz, einer von vielen Übungsflügen mit militärischem Charakter.
Der Beginn des 1. Weltkrieges setzte vorerst dem Flugsport ein Ende. Der Flugplatz wurde der Heeresverwaltung unterstellt. Auf dem Areal wurde durch das in Chemnitz ansässige 104. Infanterie-Regiment eine komplette Ausbildungs- und Lehranlage für den Landkrieg aufgebaut, die man zwischen 1915 und 1917 in den Sommermonaten an Wochenenden und Feiertagen mit einer Führung besichtigen konnte.
Nach dem 1. Weltkrieg gab es vom CVfL Bestrebungen den Flugstützpunkt wieder aufleben zu lassen. Am 14. November 1919 landete in Altchemnitz das erste Postflugzeug. Es brachte einen Briefbeutel für Chemnitz und nahm je einen für Leipzig und Dresden mit. Zu Beginn der 1920er Jahre stand das Gelände zur Bebauung frei, die Auflösung erfolgte nach nur 10jähriger Existenz Ende 1923.
( Quellen: Div. Ausgaben der Sächsischen Volkszeitung und Dresdner Neuesten Nachrichten 1913, abgerufen unter SLUB-Sachsen.de; Artikel im Chemnitzer Roland – Heft 1+2/2012 – v. W. Bausch u. K.-D. Seifert)