Das Starrluftschiff LZ 127 Graf Zeppelin gilt als das erfolgreichste Verkehrsluftschiff seiner Zeit.
Nach einer Bauzeit von 21 Monaten, wurde das Luftschiff am 8. Juli 1928, dem Geburtstag des Grafen, von seiner Tochter Gräfin Hella von Brandstein-Zeppelin auf den Namen „Graf Zeppelin“ getauft und am 18.September 1928 in Dienst gestellt.
Zur ersten großen Fahrt brach das Luftschiff am 2.Oktober 1928 auf, einer triumphalen Fahrt über Deutschland, der Nordsee bis nach England und zurück. Mehr als 34 Stunden war der 236 Meter lange Zeppelin insgesamt unterwegs. Auch Sachsen berührte die Route. Über Berlin, Leipzig, Dresden kam der „Graf Zeppelin“ am 3.Oktober kurz nach Chemnitz, ehe er über das Vogtland Richtung Süddeutschland weiterfuhr.
Von 12.10 bis 12.25 Uhr etwa überflog das Luftschiff, von Freiberg kommend, die Stadt, und zwar in einer S-förmigen Kurve und in einer Höhe von ungefähr 200 m. Das Casper Flugzeug C24 „Chemnitz“ des CVfL war dem Luftschiff zur Begrüßung entgegengeflogen und begleitete es auf seiner Fahrt über Chemnitz.
Durch Funkspruch entsandte der Rat von Chemnitz folgenden Gruß der Stadt an Dr.Eckener: „Unsere Industrie- und Handelsstadt Chemnitz, die den Grafen Zeppelin schon durch Benennung einer schönen Straße nach ihm geehrt hat, bewillkommnet freudig das stolze Luftschiff, seinen Führer und Erbauer in ihrem Weichbild und faßt ihre herzlichsten Wünsche in dem alte erzgebirgischen Bergmannsgruß „GLÜCKAUF!“ zusammen. Der Rat der Stadt Chemnitz. Dr. Hübschmann, Oberbürgermeister“
Was sich indes in den Straßen abspielte, zeichnet dieser Zeitungsbericht vom 04.10.1928 treffend:
„Kurz nach 11 Uhr begannen sich die Straßen sichtlich zu bevölkern. Betrieb am Vormittag ist zwar immer in Chemnitz, aber solcher Betrieb denn doch nicht. „Wann kommt er?“ „Aus welcher Richtung kommt er?“ Das waren die beiden Fragen, um die jede Unterhaltung kreiste. „Graf Zeppelin über Wurzen gesichtet!“ hieß es dann. „Über Dresden!“ „Über Freiberg!“ Und dann war es noch eine Frage von Minuten, wann er über Chemnitz erscheinen würde. Von wieviel Minuten – das vermochte freilich niemand genau zu sagen. Wer versteht sich schließlich auf die Geschwindigkeit eines Luftkreuzers von 1928? Der letzte kam 1924 über Chemnitz, und seitdem hat sich wieder allerlei geändert.
Überall aus den Fenstern lugen die Leute aus nach dem großen Wunder. Wo es angeht, sind sie aufs Dach geklettert und haben dort auf enger Plattform Posto gefaßt. Auf manchen Dächern ist geradezu eine beängstigte Fülle. Bis hart an den Rand stehen sie. Man hätte nicht geglaubt, daß es soviel schwindelfreie Menschen in Chemnitz gibt.
Die Unruhe in den Straßen steigert sich. Zum Flugplatz fährt Auto um Auto. Die ganz engen Straßen sind fast leer. Aber die Plätze, die ein wenig Perspektive nach oben bieten, werden zum Sammelpunkt der Erwartungsvollen. Am dichtesten ist der Markt bevölkert. Das Rathaus, sagt sich jeder, wird er bestimmt überfliegen! Die Schutzleute haben Mühe, dem Verkehr Bahn zu schaffen. Am Rathaus hat man die Stadtflagge gehißt. Also doch? Erst, so hieß es, sollte nicht geflaggt werden. Des schlechten Wetters wegen. Man wollte wohl nicht die schöne Stadtflagge einregnen lassen. Aber dann, angesichts der begeisterten Menge auf den Straßen, riskierte man es doch. Man entschloß sich großzügig zu sein. Man steckte die Fahne heraus, Chemnitz hatte geflaggt…
Die auf den Dächern sichteten das Luftschiff schon 12 Uhr 10 Minuten fern am Horizont. Auf dem Markt ist um diese Zeit noch nichts zu bemerken. Aber man fühlt: jetzt muß es kommen. Es braucht nur einer etwas zurufen, es braucht nur einer von einem Bürgersteig auf den anderen zu laufen: sofort ist ein Knäuel Menschen hinter ihm her, in dem Glauben, dort auf der anderen Seite, müßte man das Luftschiff besser sehen.
12 Uhr 20 Minuten: „ Da ist er!“ Und über den Dächern des Bahnhofsviertels wird mit einem Male das schwebende Schiff sichtbar. Neben ihm ein Flieger, zum Gruß entsandt. „L.Z. 127.“ Eine Riesenmaschine, die wie auf unsichtbaren Schienen durch den Äther fährt. Ein silbernes Wunder in den Wolken. Ein Märchen ist hier Wirklichkeit geworden. Ein Traum hat Gestalt angenommen…
Und die Menschen jubeln. Und schwenken die Hüte. Auf den Dächern schwenken Sie mit Fahnen, aus den Fenstern mit Taschentüchern. Vom Petri-Kirchturm läuten die Glocken. Die Straßenbahnwagen müssen einen Augenblick halten, die Autos bleiben stehen. Der Sipo hört auf, den Verkehr zu regeln. „Graf Zeppelin“ über der Stadt!
Schon aber entschwebt das Riesenschiff wieder. Hinter den Dächern verschwindet sein silberner Leib. Wer zur Südfront des Rathauses eilt, sieht ihn noch eine Weile. Aber 12 Uhr 23 Minuten ist auch hier nichts mehr zusehen. „Er ist beim Finanzamt abgebogen.“ Höre ich einen Mann neben mir sagen. Beim Finanzamt? Welche merkwürdige Assoziation hat der Mann! Also beim Finanzamt…
Der Traum ist entschwunden. Die gewohnte Wirklichkeit ringsum wacht wieder auf. Der Verkehr setzt wieder ein: Die Schutzleute sorgen dafür, das der Fahrdamm frei wird. Auf den Dächern stehen die Leute noch und sehen dem schon fernen Luftschiff nach. Die unten in den Straßen bleiben noch eine kleine Weile stehen, reden, diskutieren, machen ein paar Bemerkungen. Dann gehen sie weiter. Nach 10 Minuten ist es wieder Alltag geworden in der Stadt…“
So entstanden an diesem denkwürdigen Tag auch diese Bildern aus der Sammlung von Carsten Beier (Zschopau) von der Fahrt über Chemnitz. Danke vielmals für die Bereitstellung.
(Quellen: Chemnitzer Neueste Nachrichten, 4.10.1928; Wikipedia)