Auch mit zahlreichen Ballonaufstiegen des Chemnitzer Vereins für Luftfahrt e.V. (CVfL) wurde 1911 das mediale Interesse geweckt. Einen Auszug der vielfältigen Vereinsaktivitäten und Episoden möchte ich Euch in diesem Artikel präsentieren.
Am 26.Februar führte der Kaufmann Fritz Bertram als Führer des Ballons „Chemnitz“ eine interessante Ballonfahrt aus. Flugbegleiter waren Architekt Kaube und Baumeister Landgraf. Der Ballon stieg morgens gegen 7.00 Uhr in Chemnitz auf und landete bereits 8:15 Uhr in Liboch in der Nähe von Prag. Die 123 km betragende Strecke wurde in 78 Minuten durchflogen, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ungefähr 95 km gleichkommt. Der Ballon, der eine Höhe bis 300m erreichte, wurde bei der Landung 300m weit geschleift, wobei Bertram einen schweren Knöchelbruch erlitt, die beiden anderen Insassen blieben unverletzt.
Am 19.März findet die Vereinsfahrt des Ballons Chemnitz unter Leitung des Architekten Zapp statt. Sie endet nach 2 ½ Dauer glatt zwischen Frohburg und Leipzig.
Am 18. Juni unternimmt wiederum Alfred Zapp mit dem neuen Ballon „Chemnitz II“ die erste Probefahrt. Früh 6 Uhr 53 Minuten in Chemnitz aufgestiegen, ging die flotte Fahrt über Oederan auf die Sächsische Schweiz zu. Er überflog Schandau, Königstein und die Bastei in einer Höhe von 1000 m. Nachdem er die böhmische Grenze gestreift hatte, trieb eine Gewitterwolke den Balkon bis in eine Höhe von 3100 m. Er landete nach sechsstündiger Fahrt in der Nähe von Breslau.
Zwischen dem 9. und 10. September unternahm das Vereinsmitglied Leistner eine Nacht-Vereinsfahrt mit dem Ballon „Chemnitz“. Vom Ballonfüllplatz in Gablenz führt ihn sein Weg mit 3 Passagieren an Bord bis in die Nähe von Leonfelden in Oberösterreich. Sie waren 8 Uhr in Chemnitz aufgestiegen, erreichten eine Maximalhöhe von 3000 m und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 km. Sie berichteten bei Ihrer Landung, daß sie die ganze Zeit über eine herrliche, ruhige Fahrt bei angenehmer warmer Temperatur hatten, entgegen der vor Ort herrschenden Kühle und des herrschenden Windes. Die Landung ging rasch und anstandslos vonstatten, hilfsbereite Hände verpackten den Ballon reisefertig, der mittelst Wagen nach der Station Feistadt gebracht wurde. (Linzer Tagblatt 12.09.1911)
Eine Woche später, am 16./17.09., erhebt sich wieder der Ballon „Chemnitz“ mit 3 Passagieren an Bord unter Führung von Fritz Bertram, die Nacht-Vereinsfahrt führt über das Erzgebirge bis nach Pilsen.
Höhepunkt des Jahres war die vom CVfL organisierte Ballon Wettfahrt am 1.Oktober 1911. An der Fahrt nahmen trotz ungünstigem Wetter 4 Ballone teil. „Thüringen“, „Leipzig“, „Zwickau“ und „Chemnitz“. Ausgesetzt waren 2 Ehrenpreise. Interessant wurde die Fahrt deshalb, weil jeder Ballonführer bei einer vorgeschriebenen Mindestkilometerzahl sein Ziel, wo er landen will, selbst bestimmte. Ballon „Leipzig“ landete bei Lübben im Spreewald, 10km von seinem Ziel entfernt. Ballon „Thüringen“ im Kreise Buckow, 25 Kilometer vom Ziel; Ballon „Chemnitz“ bei Groß-Mehssow, Ballon „Zwickau“ in Wendisch-Drehna, 45 Kilometer vom Ziel.
Nur 14 Tage später veranstaltete der Dresdner Verein ein Ballonwettfliegen, diesmal bei besseren Wetterbedingungen. Alle Ballons waren innerhalb 50 Minuten gestartet. Daran nahm auch Fritz Bertram mit dem Ballon „Chemnitz“ teil. Unter 10 Teilnehmern erlangte er einen hervorragenden 2.Preis. Nur 300m vom Ziel entfernt, bei Roßwein, landete der zur damaligen Zeit eifrigste Chemnitzer Ballonführer.
Schließlich am 10.Dezember 1911 wird auf dem Füllplatz in Chemnitz-Gablenz die Taufe des 730m³ großen Ballons „König Friedrich August“ vollzogen, am 1. Weihnachtsfeiertag unternimmt das Vereinsmitglied P. Wilisch aus Flöha eine ausgezeichnete Testfahrt mit dem neuangeschafften Ballon, die ihn bis nach Bautzen trug, wo er sicher und elegant landete.
Insgesamt bewertet der Chemnitzer Verein für Luftfahrt in seiner Hauptversammlung am 18.12. das Jahr als außerordentlich arbeits- und erfolgreich. Die neue Vereinsstruktur hat sich bewährt, die Mitgliederzahl beträgt 354, zum 1. Vorsitzenden wird Konsul Weissenberger, zum Geschäftsführer Max Rübbert gewählt. Im Ballonführerverzeichnis des Deutschen Luftfahrerverbandes ist der Verein, dem er 1909 beigetreten ist, mit 10 Ballonführern vertreten, 3 Ballone sind registriert. Chemnitz mit 1680 m³, Sachsen mit 950 m³ und König-Friedrich-August mit 730 m³ Fassungsvermögen.
(Quellen: div. Ausgaben Chemnitzer Tageblatt, Sächsische Volkszeitung, Teplitz-Schönauer Anzeiger zu finden unter: http://anno.onb.ac.at/, Braunbecks Sportlexikon 1912)