Aus dem frühen 19.Jahrhundert gibt es einige Mitteilungen über Versuche, Ballone in Chemnitz vorzuführen und zu starten. Dies soll später noch einmal näher betrachtet werden.
Zum Ende des Jahrhunderts lesen wir von einigen Wegbereitern der Luftfahrt, die versuchten, den Traum von der Eroberung der Luft wahr werden zu lassen. Einer von Ihnen war Richard Feller aus Leipzig, der ab 1884 die Ballonfahrt betrieb, und zu den eifrigsten Ballonführern in Sachsen gehörte. Er baute selbst Ballone, und zeigte sie in Ausstellungen, hielt dabei wissenschaftliche Vorträge und erklärte das Wesen der Luftschifffahrt den immer mehr werdenden Interessenten. So auch im August 1890 in Chemnitz. Dem bereits in einem anderen Artikel gewürdigten Paul Spiegel, selbst persönlich befreundet mit Feller, war es zu verdanken, daß dieser Besuch arrangiert wurde und Feller für einige Wochen in Chemnitz weilte und dabei mehrere Ballonaufstiege unternahm.
Vom ersten Aufstieg am 10. August 1890 lesen wir im Lokal-Anzeiger:
Sommerfest in der „Linde“. Das seit längerer Zeit hier nicht gesehene Schauspiel des Aufsteigens eines größeren Luftschiffes sammt Aeronauten, wie es aus dem Programme des gestern im Garten des Gasthauses „Zur Linde“ gehaltenen Sommerfestes den Glanzpunkt bildete, fand programmmäßig Punkt 7 Uhr Abends statt. Zur Füllung des Ballons waren 400 cbm Gas erforderlich, die demselben durch eine lange Leitung ziemlich weiter eiserner Röhren zugeführt wurden. Trotzdem nahm die Füllung, welche auf dem Platze vor dem Orchester stattfand, genau die Zeit von 4 Stunden in Anspruch. Mit Spannung sah das äußerst zahlreich versammelte Publikum dem Augenblicke entgegen, in welchem Herr Richard Feller aus Leipzig mit dem seiner Fesseln entledigten riesigen Ballon die Fahrt in die Lüfte antreten werde. Endlich ertönte das Commando „Los!“, die 8 Mann vom hiesigen Regimente, welche das Luftschiff bisher festgehalten, lösten die Verbindung desselben mit der Erde und der Ballon schwebte unter dem hundertstimmigen „Lebewohlrufen“ der Zuschauer, die dem kühnen Luftschiffer galten, mit diesen majestätisch in die Höhe. Auf dem Rande des bunt aufgeputzten Korbes am unterm Ende des grün und weiß gestreiften Ballons aber stand Herr Feller, eine hübsche, etwa 27 Jahre alte Erscheinung, hoch aufgerichtet, und winkte mit seiner Fahne den ihm Nachschauenden seine Abschiedsgrüße zu. Tausende von Augen innerhalb und außerhalb des Gartens folgten der Richtung, welche der Ballon einschlug, der zuletzt nur noch für besonders gute Augen als kleiner Ball sichtbar in ziemlich bedeutender Höhe über Hilbersdorf und Ebersdorf dahinschwebte und endlich ganz den Blicken der Zuschauer innerhalb der Stadt entschwand. Abends nach 10 Uhr langte der mit Spannung erwartete Luftschiffer wieder im Lindengarten an und theilte den ihn Beglückwünschenden mit, daß er mit seinem Ballon bis 2200 m Höhe gestiegen und nach 45 Minuten Fahrtdauer eine Viertelstunde hinter Auerswalde glücklich gelandet sei. Die Temperatur war in dieser Höhe auf den Gefrierpunkt herabgesunken. Den wohlverpackten Ballon sammt Korb hatte er von dort aus mit einem Einspänner zurückgebracht. (Originaltext 1890)
Den nächsten Aufstieg unternahm Richard Feller bereits am Mittwoch den 13. August vom Gasthaus zur Linde, die sich am Neustädter Markt befand, dem heutigen Theaterplatz. Zahllose Schaulustige hatten sich im Garten und in den Straßen vor dem Lokal versammelt. Wieder fuhr er in östliche Richtung, stieg bis auf 2100 m auf und landete nach 45 minütiger Fahrtdauer hinter Dittersbach bei Frankenberg. Zu bemerken ist hierbei, das er sich selbst nach der Landung um eine Fahrgelegenheit und den Transport des Ballons zurück zum Startpunkt kümmern musste. Erst halb 12 Uhr nachts traf er wieder in der „Linde“ ein.
Dem rührigen Wirt , Herrn Kirbach, war es schließlich zu verdanken, Robert Feller für 2 weitere Auffahrten im September gewinnen zu können. Der Ballon wurde ab dem darauffolgenden Wochenende im Garten der Linde ausgestellt, und zu ermäßigten Preisen konnten Schüler mit ihrem Lehrer die Ausstellung besuchen.
Anfang September stieg Feller wieder in Chemnitz auf, wie die Zeitungsannoncen verdeutlichen. Am 7. September führte ihn die halbstündige Fahrt in über 2000m Höhe bis in die Nähe des Schießhauses bei Wolkenstein. Die Landung auf der dortigen Höhe war auf Grund der herrschenden lebhaften Winde nur mit Hilfe einiger starker Männer möglich. Am 14. September stieg er nochmals auf und gelangte in über 2400m Höhe und nach 45minütiger Fahrt bis nach Hoheneck bei Stollberg. Mit Hilfe eines Pferdegeschirres gelangte er um Mitternacht wieder zur „Linde“ , wo er einer immer noch größeren Anzahl Wartenden alle Einzelheiten seiner Fahrt berichten musste.
Diesen Ballonfahrt – Veranstaltungen sollten in den nächsten Jahren noch Zahlreiche folgen. Die Begeisterung der Chemnitzer für die Luftfahrt war für die veranstaltenden Wirte ein Segen, sorgten sie doch mit einem Rahmenprogrammen, wie Musikkapellen, Künstlerauftritten und Feuerwerken, für gefüllte Lokale und Gärten. Mehr dazu in den nächsten Beiträgen.
(Quellen: Diverse Ausgaben des Sächsischen Lokal-Anzeigers für Chemnitz und Umgebung 1890 – zu finden unter SLUB-Dresden.de)