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Die Geschichte des Familienunternehmens Flade – Wäsche- und Ausstattungsgeschäft – und seines Standortes am Markt in Chemnitz von den Anfängen bis zum bitteren Ende 1945.

Geschäftseröffnung 1842

Die Gründung und frühen Jahre

Die Geschichte des renommierten Chemnitzer Unternehmens Flade beginnt mit Wilhelm Benjamin Flade, geboren 1815. Seit 1837 war er Chemnitzer Bürger und im selben Jahr auch Webermeister sowie Mitglied der Weberinnung, wohnhaft kleine Brüdergasse 352.  Am 7. Mai 1842 legte er den Grundstein für sein Geschäft, indem er ein Verkaufslokal für „leinener Waaren“ in der damaligen inneren Nicolaistraße 3 eröffnete. Um 1855 verlagerte er sein Geschäftslokal an den Roßmarkt 5, wo es bis 1878 Bestand hatte.

Der Umzug an den Markt und die Ära Wilhelm Benjamin Flades (1878 – 1890)

Ein entscheidender Wendepunkt für das Unternehmen war das Jahr 1878: Wilhelm Flade erwarb die Grundstücke Markt 18/19 vom Kaufmann Theodor Haase und verlegte sein Geschäft dorthin. Dieser Standort, an dem sich heute der gläserne Neubau des Türmerhauses befindet, sollte für Jahrzehnte das Zentrum des Unternehmens bilden. Seit Dezember 1884 gehörte der Kaufmann dem Stadtverordnetenkollegium an und 1887 konnte er sein 50-jähriges Jubiläum als Webermeister feiern. Im selben Jahr zeigte Flade anlässlich seines 50-jährigen Bürgerjubiläums seine Verbundenheit mit der Stadt, indem er dem Erweiterungsfonds des Hospitals eine Spende in Höhe von 1.500 Mark zukommen ließ.

Wilhelm Benjamin Flade verstarb am 16. März 1890. Das soziales Engagement für das Gemeinwohl setzte sich auch nach seinem Tod fort: Seine Erben stifteten Teile seines Vermögens, darunter 3.000 Mark an den „Verein zu Rath und That“, 2.000 Mark an den „Verein zur Unterstützung armer Kranker“ und beachtliche 15.000 Mark erneut an den Erweiterungsfonds des Hospitals.

Die zweite Generation: Alfred Wilhelm und Paul Richard Flade (1890 – 1912)

Nach dem Tod des Gründers übernahmen seine Söhne Alfred Wilhelm Flade (geb. 13. Februar 1845) und Paul Richard Flade das Geschäft. Sie führten das Erbe ihres Vaters fort und bauten das Unternehmen weiter aus. Anlässlich des 50-jährigen Firmenjubiläums am 7. Mai 1892 stifteten die Inhaber im Gedenken an den Gründer weitere 10.000 Mark an den Erweiterungsfonds des Hospitals.

Alfred Wilhelm Flade zeigte auch unternehmerischen Weitblick über das Familiengeschäft hinaus und gründete 1896 gemeinsam mit weiteren Chemnitzer Großindustriellen die Färberei Dr. Bethmann & Co. (Rößlerstr. 30) mit einem Kapital von 650.000 Mark.

Unter der Führung der Söhne entwickelte sich der Handel mit Baumwollstoffen „en gros“ zu einem Wäsche- und Ausstattungsgeschäft ersten Ranges, dessen Schaufenster besonders Hausfrauen anzogen. Neben dieser Detailabteilung betrieb die Firma „Wilhelm Flade“ ein umfangreiches Fabrikations- und Grossogeschäft. Ihre Erzeugnisse, darunter Spezialgewebe für Wäsche, Hemden, Gardinen, Berufsbekleidung, technische Textilien (Poliernessel, Schleifleinen), Stoffe für die Korsett-, Gummi-, Verbandstoff-, Flanell- und Tuchfabrikation sowie für viele weitere Branchen, wurden weltweit exportiert. Die Firma unterhielt zudem ein Lager für Konfektionsstoffe in Berlin Charlottenburg bei Alfred Franz Drechsler.
Im September 1906 traten die Kaufleute Adolf Curt Flade, Max Bräuer, Hans Neubert und Julius Tasche in die Firma ein und erhielten Prokura. Im Dezember 1910 wurde auch dem Kaufmann Friedrich Wilhelm Flade Prokura erteilt.
Paul Richard Flade verstarb am 14. März 1912. Zum 70. Jahrestag des Bestehens der Firma stiftete das Unternehmen „Wilhelm Flade“ ein Kapital von 50.000 Mark, dessen Zinsen der Wohlfahrt des Gesamtpersonals zugutekommen sollten.

Innenansichten aus der Sammlung Viola Georgi.

Die dritte Generation und weitere Entwicklungen (1912 – 1945)

Zum 1. Juli 1912 traten die Enkel des Firmengründers, Adolf Curt Flade und Friedrich Wilhelm Flade, als persönlich haftende Gesellschafter in die Handelsgesellschaft ein. Sie gründeten am 6. September 1913 als weiteres Standbein die Schnittband Ges.m.b.H. mit Firmensitz ebenfalls am Markt 18/19. Diese Bandschneiderei zur Fabrikation geschnittener Bänder entstand in Kooperation mit Walter Bredtmann aus Elberfeld, der den Geschäftswert von 10.000 Mark sowie Waren einbrachte, während der Anteil der Flades 65.000 Mark betrug.

Alfred Wilhelm Flade, Ritter des Albrechtsordens 1. Klasse, verstarb am 3. April 1914 im Alter von 70 Jahren an den Folgen eines Herzschlages.

Friedrich Wilhelm Flade starb im Frühjahr 1919. Seine Gesellschafterposten bei „Wilhelm Flade“ und der „Schnittband Ges.m.b.H.“ übernahm der Kaufmann Walter Flade als weiteres Familienmitglied.
Mitte der 1920er Jahre erfuhr das Geschäftshaus am Markt 18/19 einen kompletten Umbau. Es wurde dem Zeitgeist angepasst, erhielt neue, größere Schaufenster und eine Galerie im Erdgeschoss, um die Attraktivität und Funktionalität weiter zu steigern.

Der Großbrand von 1930

Ein dramatische Ereignis in der Geschichte des Standortes Markt 18/19 war der Großbrand am Montagmorgen des 24. November 1930. Gegen 5 Uhr brach im Dachgeschoss des Geschäftshauses Flade am Markt 19 ein Feuer aus, das offenbar stundenlang unbemerkt geschwelt hatte. Bei Entdeckung gegen 5:15 Uhr schlugen bereits hohe Flammen aus dem Dachstuhl. Mehrere Löschzüge kämpften unter schwierigsten Bedingungen gegen den Brand. In einer dramatischen Rettungsaktion konnte die Feuerwehr die 91-jährige, bettlägerige Witwe des ehem. Firmeninhabers, die just an diesem Tag ihren Geburtstag feierte, aus ihrer Dachwohnung retten.
Trotz des stundenlangen Einsatzes, der sich bis ca. 17 Uhr hinzog und bei dem vier Feuerwehrleute Rauchvergiftungen und Verletzungen erlitten, war der Gebäudeschaden beträchtlich. Der Dachstuhl an der Marktseite brannte vollständig nieder, und darunterliegende Stockwerke wurden durch Feuer und Löschwasser schwer beschädigt. Ein besonders bitterer Moment ereilte den Besitzer der Firma Flade, der mit dem Zug aus München ankam und beim Verlassen der Straßenbahn am Markt sein großes Geschäftshaus in Flammen stehen sehen musste. Die Brandursache blieb ungeklärt.

Das Ende einer Ära (1945)

Das profilierte Geschäftsunternehmen der Weißwarenbranche, das über ein Jahrhundert lang zu den größten und renommiertesten der Stadt Chemnitz gehörte und seinen Sitz am Markt 18/19 hatte, fiel dem verheerenden Luftangriff vom 5. März 1945 zum Opfer. Damit endete die Geschichte eines bedeutenden Chemnitzer Familienunternehmens und eines markanten Geschäftshauses im Herzen der Stadt.

(Quellen u.a.: diverse Chemnitzer Adressbücher und Zeitungsartikel sächsischer Tageszeitungen, Buch: „Chemnitz am Ende des 19.Jahrhunderts“, jeweils zu finden unter SLUB-Dresden.de; Informationen aus dem Reichsanzeiger und den Verwaltungsberichten der Stadt Chemnitz)