Das größte Ereignis in der Chemnitzer Luftfahrtgeschichte ist die Landung des Luftschiffes LZ 127, auch „Graf Zeppelin“ genannt, am 16.November 1930 auf dem Flughafen an der Stollberger Straße. In meinem Beitrag 1928 – Der Luftkreuzer über der Stadt – bin ich schon kurz auf den Bau des Luftschiffes und die erste Reise mit der kurzen Stippvisite in Chemnitz eingegangen.
Schon dieses Ereignis, eine kurze Überfahrt über Chemnitz ohne Landung, hatte eine kurze Unterbrechung des öffentlichen Lebens gebracht. Tausende verfolgten auf den Straßen und Dächern die Überfahrt. Bereits am 9. September 1930 erschien der „Graf Zeppelin“ unerwartet aus westlicher Richtung kommend auf seiner Fahrt nach Moskau über Chemnitz, absolvierte eine kurze Schleifenfahrt in geringer Höhe, und verschwand in nördlicher Richtung.
Die Hamburg-Amerika-Linie als Generalvertretung des Luftschiffbaus Zeppelin in Friedrichshafen hatte in seinem Fahrtenprogramm für den Herbst auch Landungsfahrten nach größeren Städten Deutschlands vorgesehen. Der eigentliche Besuch in Chemnitz war für den 2. November geplant. Mit Eifer ging man an die Vorbereitungen. Allerorts wurden Veranstaltungen, auch die Gottesdienste verlegt, um den Gigant am Himmel zu sehen. Man schrieb, das wohl 50.000 Menschen nach dem Chemnitzer Flughafen gekommen seien, davon viele von auswärts mit dem Auto und der Bahn angereist. An diesem Sonntag erhielt die Flugleitung aus Friedrichshafen nach 11 Uhr die Meldung, das die Fahrt aufgegeben worden sei, weil über dem Kanal und England schwere Wetterstürze eingetreten seien und weil von allen Seiten Sturmmeldungen eingegangen waren. Die Gekommenen warteten vergebens, akzeptierten aber die Entscheidung der Flugleitung.
Organisatorisch war die Wiederholung der Landung nur 14 Tage später eine Meisterleistung. Wenn man bedenkt, wie viele Leute nötig waren, um das Luftschiff zu halten, welchen Ansturm von Zuschauern es zu bewältigen galt, wie viel Personal dafür benötigt wurde, dann kann man heute nur den Hut ziehen. Bilder in diesem Beitrag zeugen von dem Enthusiasmus, wie der Besuch verfolgt wurde. Leute stehen auf Dächern der Gartenkolonie vor dem Flughafen, sitzen auf dem Flughafenzaun, jeder freie Platz wird genutzt, um einen Blick auf den 236m langen Koloss zu erwischen. Über 100.000 Menschen sollen an diesem Tag die Landung verfolgt haben.
Dazu schrieb die Presse am 17. November 1930:
„Der von vielen Zehntausenden mit Begeisterung erwartete Landungsbesuch des Luftschiffs „Graf Zeppelin“, der bereits am 2. November erfolgen sollte, aber infolge ungünstiger Witterungsverhältnisse in letzter Stunde abgesagt wurde, ist am gestrigen Sonntag Wirklichkeit geworden.
Das Luftschiff startete unter Führung von Dr. Eckener in Friedrichshafen um 7.20 Uhr. An Bord befanden sich 12 Passagiere. Die Fahrt führte über Bayreuth, Hof, Plauen und Zwickau. Kurz vor 11 Uhr erschienen die Umrisse des Luftriesen am Horizont. Wenige Minuten später überflog das Luftschiff unter den Jubelrufen der unübersehbaren Menschenmenge, die den Landungsplatz umsäumte, den Chemnitzer Flughafen, um sich nach einer Schleifenfahrt über der Stadt um 11.30 Uhr auf dem Flughafengelände zu verankern. Beim Verlassen der Gondel wurde Dr. Eckener von den Spitzen der Chemnitzer Behörden und dem Staatsminister Dr. Hedrich herzlich begrüßt. Oberbürgermeister Arlart erklärte in seiner Begrüßungsansprache nach einem Hinweis auf die den Zuschauern durch den Besuch bereitete Freude, daß er volles Verständnis für den vor zwei Wochen von der Lustschiffleitung im Interesse der Sicherheit des Luftschiffes und der Passagiere eingenommenen Standpunkt habe.
Er wünschte dem „Grafen Zeppelin“ weiterhin glückliche Fahrt und gab ferner dem Wunsche Ausdruck, daß solche Fahrten und die dem Luftschiffbaugedanken innewohnenden einigenden Kräfte dazu beitragen mögen, die Grenzen der durch politischen Zwist getrennten Volksgenossen zu überbrücken, zum Wohle des Vaterlandes.
Nach einem vom Oberbürgermeister ausgebrachten Hoch auf das deutsche Vaterland stimmte die das Luftschiff umringende Menge das Deutschlandlied an. Im Namen der Chemnitzer Flughafengesellschaft dankte sodann Direktor Eberstein dem weltberühmten Führer des Luftschiffes für seinen Besuch und schloß seine Ansprache mit einem Hoch auf die deutsche Luftschiffahrt. Hierauf sprach Dr. Eckener in warmen Worten seinen Dank für den dem Luftschiff in Chemnitz bereiteten herzlichen Empfang aus, wobei er die am 2. November erteilte Absage besonders begründete. Nach einem Trunk aus dem Ehrenpokal der Stadt Chemnitz und Entgegennahme der vom Rat der Stadt für den Führer und die beiden Kapitäne des Luftschiffs gestifteten drei silbernen Ehrenbecher bestieg Dr. Eckener wieder die Gondel. Nach dem inzwischen vollzogenen Passagierwechsel erhob sich bereits um 11.50 Uhr der Luftriese. Brausende Jubelrufe und Tücherschwenken begleiteten das Meisterwerk deutscher Technik, bis es den Blicken der Zuschauer, unter denen sich auch viele Tausend aus anderen sächsischen Städten und der Tschechoslowakei befanden, entschwand. Der riesige Verkehr wickelte sich infolge der vorzüglichen Organisation glatt und ohne nennenswerte Zwischenfälle ab. Das Luftschiff ist mit 17 Passagieren um 16.20 Uhr bei strömendem Regen in seinem Heimathafen wohlbehalten eingetroffen.„
Diese 155. Fahrt des Luftschiffes LZ 127 war die letzte 1930, es sollte anschließend entleert werden und einer gründlichen Überholung unterzogen werden.
Weitere große Weltfahrten folgten. Unter Hugo Eckener wurde ab 1931 bis zur Außerdienststellung 1937 der regelmäßige Linienverkehr nach Südamerika durchgeführt. Nach der Katastrophe des Schwesterschiffs LZ 129 „Hindenburg“ am 6. Mai 1937 in Lakehurst wurden keine weiteren Fahrten mehr unternommen. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde das Schiff 1940, obwohl es noch vollständig einsatzfähig war, gemeinsam mit LZ 130 in Frankfurt am Main abgewrackt.
Nebenbei bemerkt: Das Teaserbild des Beitrages zeigt eine Fotomontage des Zeppelins und einer Flughafenansicht. Diesen Zustand hat es nie gegeben. Zur damaligen Zeit war die Landung ein Ereignis, das nicht unbeobachtet blieb. Wo sind in dieser weit verbreiteten Postkarte die Zuschauer?
(Quellen: Diverse Ausgaben der Sächsischen Volkszeitung und Dresdener Neuesten Nachrichten 1930 – zu finden unter SLUB-Dresden.de; u.a. – Bild oben: Von den Prestowerken gesehen – Sammlung Carsten Beier )