Auf dem Bergrücken an der Stollberger Straße stand seit dem Mittelalter eine kleine Kapelle namens „Die Kirche des heiligen Nikolaus vor den Mauern“ (ecclesia s. Nicolai extra muros). Diese Kapelle gab dem Dorf, in dem sie stand, der ehemaligen Vorstadt und dem jetzigen Stadtteil Kappel, seinen Namen. Im Jahr 1402 verkaufte das ehemalige Kloster Teile seiner alten Gemarkung an die Stadt. Dadurch entstand die Amtsvorstadt Niklasgasse, die fortan eine vom übrigen Dorf Kappel getrennte Existenz führte. Am 1. Juli 1844 wurde die Niklasgasse dann nach Chemnitz eingemeindet. Sie ging in der sogenannten Nikolaivorstadt ein, vor dem Nikolaithor gelegen, der Zwickauer Straße folgend bis an die Hänge des Kapellenberges und des Kaßbergs bis zur Stadtgrenze nach Altendorf.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts verloren Kappel und die Nikolaivorstadt ihren ländlichen Charakter. Auf den Fluren der ehemaligen Bauerngüter entstanden neue Wohn- und Fabrikgebäude, die Landwirtschaft ging allmählich zurück. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie nach Zwickau, die 1858 fertiggestellt wurde, kamen weitere Industriebetriebe hinzu, die dem wirtschaftlichen Aufschwung, verbunden mit einem raschen Bevölkerungswachstum, neue Impulse gaben. Auf dem Niklasberg entstand ab 1885 der repräsentative neogotische Neubau der Nikolaikirche, die leider 1945 zerstört und daraufhin abgetragen wurde.
Von all dem ist auf den heutigen Bildern nichts mehr zu erkennen. Die Nikolaivorstadt ist vollständig verschwunden. Der ehemalige Bahnhof Nikolaivorstadt heißt heute Bahnhof Mitte und empfängt seit Jahren keine Reisenden mehr in seinen über 110 Jahre alten Mauern. Selbst das im Jahr 1995 eingeweihte Dorint-Parkhotel hat sich in ein Seniorenzentrum gewandelt.
Von den einst zahlreichen Fabriken und Industrieanlagen entlang des Kappelbachs sind fast keine mehr vorhanden. Der Kapellenberg ist heute ein beliebtes Wohngebiet. Das Industriemuseum an der Kappler Drehe ist eines der wenigen erhaltenen oder rekonstruierten Gebäude aus dieser Epoche.
Beim Rundumblick vom Niklasberg können möglicherweise weitere historische Zeugen entdeckt werden, die in meiner kurzen Beschreibung nicht erwähnt wurden. Würde die Nikolaikirche heute noch stehen, könnten wir von Ihrem Kirchturm dieses Panorama Richtung Innenstadt genießen – Aufnahmen vom 24. Februar 2024