Unter den textilen Kunsterzeugnissen nehmen zweifellos die Teppiche, sowie die gewebten Decken, Möbelbezugs- und Dekorationsstoffe die erste Stelle ein. Und gerade in der Fabrikation dieser Erzeugnisse ist Chemnitz von jeher außerordentlich erfolgreich gewesen.
Schon im Jahre 1827 wurde in Chemnitz der erste Jacquard-Webstuhl eingeführt, der für die Kunstweberei und Möbelstoffabrikation von größter Bedeutung wurde. Weithin angesehene Fabriken sind damals gegründet worden, beschäftigen zahlreiche Arbeiter und fertigten durchweg vorzügliche Fabrikate von gediegenster künstlerischer und technischer Qualität. Erfolge auf dem Weltmarkt blieben nicht aus. Besonders aber in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts hat sich diese Industrie außerordentlich entwickelt und ist für viele Chemnitzer Firmen eine Quelle des Wohlstandes geworden. Zu den Angesehensten, die sich mit der Anfertigung von Decken, Möbel- und Dekorationsstoffen in Chemnitz über Jahrzehnte beschäftigten, gehörte die Firma
Irdel, Rebling & Jähnig
die ich Ihnen vorstellen möchte.
Die Kaufleute Friedrich Bruno Irdel und Max Wilhelm Gustav Rebling gründeten 1890 auf der Rochlitzer Straße 31 eine Handweberei für Portieren (Schwere Vorhangstoffe). Am 16. Juli wurde sie unter dem Folium 3443 in das Chemnitzer Handelsregister eingetragen.
1894 trat Ernst Adolf Jähnig mit seinem reichen Wissen aus der Deckenbranche in die Firma ein, so daß man die Fabrikation von Tisch- und Diwandecken aufnehmen konnte. Damit vollzog sich ein gesunder, stetiger Aufstieg. Die Musterkollektion wurde größer und vollständiger. Schönheit und Qualität der Erzeugnisse, im besten Sinne dieser Worte, waren es, welche der noch jungen Firma die Kundschaft aller Häuser zuführten, welche erstklassige Ware suchten.
Schon bald wurde das Etablissement zu klein und eine neue größere Werkstätte wurde im damaligen Chemnitzer Vorort Hilbersdorf auf der Roonstraße 50c gefunden. Neue Webstühle wurden aufgestellt, eine Dampfappretur errichtet und auch die Stickereiabteilung bedeutend vergrößert.
Durch rastlosen Schaffensfleiß wurden mancherlei Schwierigkeiten überwunden, welche sich einer jungen Fabrikationsfirma entgegenstellen. Erst recht, als im Jahre 1904 der Mitbegründer Herr Bruno Irdel überraschend aus dem Leben schied.
1906 erwarb die mechanische Weberei von Irdel, Rebling und Jähnig ein günstig gelegenes Areal von ca. 10.500 m² in Altchemnitz auf der Metzerstraße, um eine dringend notwendige Vergrößerung vorzunehmen. Bis 1909 wurde der Neubau, am Stadtpark gelegen, errichtet. Er war nicht nur bestens ausgestattet in Hinsicht technisch vorteilhaften Betriebes, sondern wurden auch an die Erfüllung alle gesundheitlichen Anforderungen für die darin Beschäftigten gedacht. Anfang Mai 1910 wurde schließlich der komplette Betrieb in die Metzerstraße 12 verlegt.
Da die Anforderungen an die Vielseitigkeit stiegen, fabrizierte die Firma bald als Spezialitäten nicht nur Portieren, Tisch- und Diwandecken, sondern auch Gobelinbilder, Wandbehänge, Kissenplatten, Borden usw., Möbel- und Dekorationsstoffe sowie Mokettstoffe. Für die Entwürfe bestand ein eigenes Atelier, in welchem Künstler vom Fach an neuen Schöpfungen arbeiteten. Auch die Jacquardkarten wurden im Hause selbst geschlagen, wo auch eigene Appretur (Oberflächenbehandlung) vorhanden war. Die Fabrikate von Irdel, Rebling & Jähnig eroberten sich nicht nur den heimischen Markt, sondern wurden infolge ihrer vorzüglichen Qualität auch bald im Ausland vorgezogen und fanden Absatzgebiete in allen Kulturstaaten der Welt, soweit nur irgendwo Sinn für Ausschmückung des Heims mit schönen gewebten Gegenständen zu Hause war.
Am 31.12. 1912 wurden Max Rebling und Alfred Jähnig für den 18. Bezirk (Chemnitz) als Vertrauensmänner der Sächsischen Textil-Berufsgenossenschaft gewählt. Von einer Feier für das 25jährige Geschäftsjubiläum 1915 wurde auf Grund der schweren Zeiten, der 1.Weltkrieg war in vollem Gange, abgesehen.
Am 23.11.1921 beschädigte ein Großfeuer die Betriebsanlagen erheblich, doch ein Stab ausgesuchter Mitarbeiter, an deren Spitze Herr Günther Rudloff, Schwiegersohn von Herrn Rebling, wirkte, meisterte auch diesen Rückschlag.
Und als im Oktober 1925 Adolf Jähnig starb, lag die Leitung des Unternehmens allein in Händen von Herrn Max Rebling. ln den Kontoren und Betrieb waren seinerzeit nahezu 100 Angestellte tätig, die Fabrik selbst bot mehr als 450 Arbeitern und Arbeiterinnen Beschäftigung. Eine große Anzahl fleißige Handweber aus den Dörfern hoch oben im Erzgebirge fanden zudem Verdienst durch das Haus, welches mit seinen Erzeugnissen Weltruf zu erringen wußte.
Den 2. Weltkrieg überstanden die Fabrikanlagen weitestgehend unbeschadet. Mit den wenig verbliebenen Arbeitern versuchte man noch in den 40er Jahren mit der Schürzenstoffweberei, auf der jetzt umbenannten Metzerstraße in Heinrich-Lorenz-Straße 12, einen Neuanfang zu starten.
1952 übernahm der VEB Starkstrom-Anlagenbau Halle-Leipzig die ehemalige Plüschweberei und richtete Produktionsstätten für die Herstellung elektrischer Steuerungen und Baugruppen ein. Noch bis 1986 finden wir den Betrieb unter dieser Bezeichnung im Branchenfernsprechbuch. Später zog der VEB und einige Außenstellen nach K.-M.-Stadt-Glösa in einen modernen Neubau um, die Produktion wurde auf numerischen Steuerungen für Werkzeugmaschinen spezialisiert und der Betrieb in VEB Numerik Karl-Marx-Stadt umbenannt.
Für die ausgedienten und maroden Fabrikanlagen in Altchemnitz fand sich kein Nutzer. Nach jahrelangem Lehrstand erfolgte Ende des 20. Jahrhunderts der Abriss der Gebäude. Und wieder vergingen Jahre, ehe die Brachfläche von einem Großhandelsunternehmen (SELGROS) erschlossen und 2012 bebaut wurde. Heute erinnert nichts mehr an die einst berühmte Firma an der Heinrich-Lorenz-Straße.
(Quellen: Reichsanzeiger, versch. Ausgaben der Leipziger Wochenschrift für Textilindustrie, Annonce in „Das tausendjährige Sachsen“ 1929 zu finden unter SLUB-Dresden.de; Festschrift zur Einweihung des Neuen Rathauses Chemnitz 1911; u.a.)
Bildquelle des Vergleiches: https://www.flickr.com/photos/gravitat-off/7187601555