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Chemnitzer Glockengießer

    Sie rufen uns sonntags zum Gottesdienst, sie begleiten das Brautpaar, wenn es nach der Trauung aus der weit geöffneten Kirchentür tritt. Die Herzen der Trauergemeinde werden berührt, wenn ein Verstorbener mit Glockengeläut zu Grabe getragen wird.

    Es sind die Glocken, deren Klang seit Jahrhunderten eine Faszination ausübt. Wir finden sie in Kirchen und anderen Sakralbauten wie Friedhofskapellen, in öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern und gelegentlich noch in alten Schulgebäuden. Diese Gebäude sind meist mit einem kleinen Glockenturm geschmückt, dessen Glocken zur vollen und zur Viertelstunde läuten. Die Rathausglocken regelten früher das städtische Leben, in den Dörfern waren es meist die Glocken, die den Schulbeginn einläuteten. Sie wurden zudem bei Gefahren geläutet und wurden oft Feuer- oder Sturmglocken genannt. Auch finden wir Hinweise auf Glockentürme an Fabrikanlagen, die die Belegschaft über Arbeitsbeginn und -ende bzw. die Pausen informierte. Erst mit dem Bau größerer Kirchen war es möglich, mehrere Glocken in aufeinander abgestimmten Tonlagen in einem eigens dafür errichteten Glockenstuhl aufzuhängen und zunächst von Hand, später mechanisch zum Klingen zu bringen.

    Seit mehreren hundert Jahren gehören Glocken zum Leben unserer Stadt und der früheren Gemeinden. Unbeirrt vom Wechsel der Tage senden die Glocken ihre Stimme in die weite Welt. Und auch die moderne Technik hat an die Stelle der klingenden Glocken nichts Besseres zu setzen gewusst. Vielleicht verbinden wir gerade deshalb eine gewisse ehrfürchtige Scheu mit ihnen und den Meistern, die solche Kostbarkeiten schaffen und geschaffen haben.

    Über das Glockengießerhandwerk, das auch in unserer Stadt eine lange Tradition hatte, heute aber in Vergessenheit geraten zu sein scheint, ist nur wenig bekannt.

    Die Rolle, die unsere Stadt in früheren Zeiten auf dem Gebiet des Glockengießens gespielt hat, kann im Vergleich zu Freiberg und Zwickau nur ganz bescheiden erwähnt werden. Während in Freiberg schon seit dem 16. Jahrhundert die Glockengießerfamilie Hilliger durch fünf Generationen zahlreiche Kirchen des Landes mit ihren Werken beschenkte, während weiter in Zwickau schon vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges Stefan Buchhaim und Lorenz Hendel, nach dem Kriege Hans Hendel, dem auch eine Glocke der alten Johanniskirche ihre Entstehung verdankt, über dreißig Jahre lang und um 1720 ein Daniel Schmidt in gleicher Weise den Glockenguss betrieben.

    Sie rufen uns sonntags zum Gottesdienst, sie begleiten das Brautpaar, wenn es nach der Trauung aus der weit geöffneten Kirchentür tritt. Die Herzen der Trauergemeinde werden berührt, wenn ein Verstorbener mit Glockengeläut zu Grabe getragen wird.

    Es sind die Glocken, deren Klang seit Jahrhunderten eine Faszination ausübt. Wir finden sie in Kirchen und anderen Sakralbauten wie Friedhofskapellen, in öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern und gelegentlich noch in alten Schulgebäuden. Diese Gebäude sind meist mit einem kleinen Glockenturm geschmückt, dessen Glocken zur vollen und zur Viertelstunde läuten. Die Rathausglocken regelten früher das städtische Leben, in den Dörfern waren es meist die Glocken, die den Schulbeginn einläuteten. Sie wurden zudem bei Gefahren geläutet und wurden oft Feuer- oder Sturmglocken genannt. Auch finden wir Hinweise auf Glockentürme an Fabrikanlagen, die die Belegschaft über Arbeitsbeginn und -ende bzw. die Pausen informierte. Erst mit dem Bau größerer Kirchen war es möglich, mehrere Glocken in aufeinander abgestimmten Tonlagen in einem eigens dafür errichteten Glockenstuhl aufzuhängen und zunächst von Hand, später mechanisch zum Klingen zu bringen.

    Darstellung eines Glockengießers um 1698

    Seit mehreren hundert Jahren gehören Glocken zum Leben unserer Stadt und der früheren Gemeinden. Unbeirrt vom Wechsel der Tage senden die Glocken ihre Stimme in die weite Welt. Und auch die moderne Technik hat an die Stelle der klingenden Glocken nichts Besseres zu setzen gewusst. Vielleicht verbinden wir gerade deshalb eine gewisse ehrfürchtige Scheu mit ihnen und den Meistern, die solche Kostbarkeiten schaffen und geschaffen haben.

    Über das Glockengießerhandwerk, das auch in unserer Stadt eine lange Tradition hatte, heute aber in Vergessenheit geraten zu sein scheint, ist nur wenig bekannt.

    Die Rolle, die unsere Stadt in früheren Zeiten auf dem Gebiet des Glockengießens gespielt hat, kann im Vergleich zu Freiberg und Zwickau nur ganz bescheiden erwähnt werden. Während in Freiberg schon seit dem 16. Jahrhundert die Glockengießerfamilie Hilliger durch fünf Generationen zahlreiche Kirchen des Landes mit ihren Werken beschenkte, während weiter in Zwickau schon vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges Stefan Buchhaim und Lorenz Hendel, nach dem Kriege Hans Hendel, dem auch eine Glocke der alten Johanniskirche ihre Entstehung verdankt, über dreißig Jahre lang und um 1720 ein Daniel Schmidt in gleicher Weise den Glockenguss betrieben.

    Nur zweimal hören wir aus dieser Zeit von einem Chemnitzer Meister. Von dem Glockengießer Johann Christoph Hose ist bekannt, dass er nach dem Zschopauer Kirchenbrand von 1748 für die Stadt Zschopau 1751 eine neue Glocke goss und auch als Schöpfer der Dittersdorfer Glocke von 1769 genannt wird.

    Andreas Hann brachte dann die Glockengießerkunst in Chemnitz zu hoher Blüte. Er wurde am 20. Dezember 1758 in Wernsdorf geboren, kam später nach Chemnitz und gründete hier eine Glockengießerei, die weite Teile des Erzgebirges belieferte. Im Chemnitzer Anzeiger von 1803 finden wir ihn erstmals als Rotgießer Hann, wohnhaft auf der langen Gasse (später Lange Straße).

    Todesanzeige Andreas Hann aus dem Chemnitzer Anzeiger vom 24. Juli 1833

    Sein erstes nachweisbares Werk war die 1788 gegossene kleine Leubsdorfer Glocke, der 1797 die große Leubsdorfer Glocke – ebenfalls aus Hanns Werkstatt – folgte. Für die 1790 geweihte Kirche in Kleinolbersdorf wurde Andreas Hann mit der Lieferung der Glocken beauftragt. Die kleinere, 3 ½ Zentner schwere Glocke trug ein Medaillonbildnis Luthers und den Namen des Verfertigers. Von der größeren Glocke wissen wir nur, dass sie 8 Zentner wog und später zersprang.

    Hann’s Grabmal an der Johanniskirche 1912

    Ein Brand am 21. April 1779 vernichtete die Zwönitzer Kirche, ihre Nebengebäude und mehrere umliegende Güter und Häuser. Erst 10 Jahre später, am 2. Mai 1789, wurde der Grundstein für das heutige Kirchengebäude auf einer Anhöhe im Friedhofsgelände gelegt, das am 13. November 1793 geweiht wurde. Bei der Einweihung hatte die Kirche nur eine Glocke, die Andreas Hann aus dem Metall der beim Brand geschmolzenen Glocken gegossen hatte.

    1813 wurde in Stollberg der Rathausbau, das heutige Amtsgericht, vollendet. Die im Mai 1813 von Andreas Hann für das Rathaus gegossene Glocke, diente damals als Feuerglocke.

    Es würde zu weit führen, wollte man alle Glocken aus Hanns Werkstatt aufzählen, die einst ihre ernste Stimme weit über die Hänge und Täler unseres Erzgebirges trugen. Nur einige seien hier genannt: die mittleren Glocken in Crottendorf 1808 und von Niederrossau, eine Glocke von Wolkenstein, 1822 die große Glocke in Lichtenstein usw., bis dann im Jahre 1829 als letzte Kunstwerke aus der berühmt gewordenen Hann‘schen Werkstatt die von Kirchberg und Pfaffenhain hinausgingen. Hann hat auch so manche Glocke umgegossen. Erinnert sei hier nur an die kleine Glocke von Sachsenburg im Jahre 1797, an die kleinere Rathausglocke 1810 in Frankenberg, an die kleine Glocke von Burkhardtsdorf aus dem Jahre 1812, an die mittlere Glocke von Auerbach im Jahre 1816 und an eine Glocke von Hormersdorf, die am 8. Mai 1818 aufgehängt wurde.

    Andreas Hann starb am 14. Juli 1833 nach zehntägiger Krankheit im 75. Lebensjahr. Nach einem arbeitsreichen Leben fand er unmittelbar hinter der Johanniskirche seine letzte Ruhestätte. Beschattet von einer Traueresche erinnerte ein Obelisk aus Hilbersdorfer Porphyrtuff an den verewigten Meister. Das Grabmal war oben mit einem Kanonenrohr und einer Glocke geschmückt, unten an der Ostseite ergänzt durch eine geflügelte Kugel, auf der sich ein Kreuz erhob. Über den Verbleib des Obelisken ist leider nichts bekannt.

    Von Andreas Hann erbte sich die Glockengießerkunst auf seine Söhne Andreas und Gottfried Ernst Hann fort. Im Adressbuch von 1838 finden wir sie in der Langgasse 218, dem väterlichen Anwesen. 1843 verzeichnet das Adressbuch Ernst Gottfried Hann – Glockengießer und Feuerspritzenfabrikant – in der Langen Straße 26 (nach Umbenennung und Neunummerierung), Joh. Andreas Hann – Roth-, Stück- und Glockengießer – aber in der Bachgasse 4 wohnhaft.

    Aus ihrem Schaffen ist die Anfertigung der großen Meinersdorfer Glocke im Juli 1836 zu nennen, die zum Erntedankfest des gleichen Jahres erstmals läutete. Sie hatte ein Gewicht von 3 Zentnern und 19 Pfund und kostete 300 Taler. Zwei Jahre später goss Ernst Gottfried Hann der Inschrift nach die mittlere Glocke in Erdmannsdorf um, die ein Gewicht von 6 Zentner und 10 Pfund hatte. 1840 wurde die unbrauchbar gewordenen Glocke von Kleinolbersdorf durch Ernst Hann umgegossen.

    Wie aus den Einträgen in den Adressbüchern hervorgeht, wandten sich die Gebrüder Hann zunehmend anderen, ertragreicheren Industriezweigen zu. Dazu gehörte auch das Gießen von Druckspritzen für die aufkommenden Feuerwehren. Das 1854 gegründete „Freiwillige Lösch- und Rettungscorps“, Vorläufer der heutigen Berufsfeuerwehr, besaß 7 von Hann gebaute Druckspritzen ohne Saugwerk. Der aufkommende Maschinenbau in Chemnitz bot auch neue Möglichkeiten für die Herstellung von Gussteilen.

    1882 finden sich beide letztmalig als Glockengießer im Adressbuch verzeichnet. Eine lange Tradition ging zu Ende.

    Parallel zu den Gebrüdern Hann ist Christian Friedrich Morgenstern als Glockengießer in Chemnitz zu nennen, ebenfalls wohnhaft in der Langgasse 43. Er erhielt 1822 den Auftrag für die kleine 13 ½ Zentner Glocke in Lichtenstein und fertigte 1833 die Glocke in Ebersdorf. Im Adressbuch ist er zuletzt 1843 verzeichnet. Weitere Informationen über ihn sind derzeit leider nicht verfügbar.

    Der letzte in der Reihe der Chemnitzer Glockengießer ist Ernst Richard Kirsch. Er war ebenfalls ein Chemnitzer Kind, arbeitete lange Zeit beim Glockengießer Bechmeier in Erding bei München und goss dort 1873 seine erste Glocke, die für Nazareth im damaligen Palästina bestimmt war.

    1875 kehrte er nach Chemnitz zurück und bezog eine Wohnung in der Moltkestraße 7 (heute: Heinrich-Zille-Straße). 1876 eröffnete er seine erste Glockengießerei in der Lohgasse 6. Dort war er nur kurze Zeit ansässig, denn bereits 1878 verlegte er sein Geschäft in das Hinterhaus der Alten Dresdner Straße 10 und nannte es „Roth-, Stück- und Glockengießereigeschäft, Metallwarenfabrik“. Eine Wohnung fand er zunächst nebenan in der Augustusburger Str.5, später erwarb er das Vorderhaus in der Dresdner Straße und zog dorthin.

    Bis 1883 soll er bereits 120 Kirchenglocken gegossen haben, darunter Dreiergeläute für Auerbach bei Thum im Erzgebirge von 32 Zentnern Gewicht, für Neukirchen bei Chemnitz von 30 Zentnern und für die evangelische Kirche zu Schroda in Posen von 28 Zentnern. Die größte Einzelglocke mit einem Gewicht von 28 Zentnern kam nach Gösen bei Burg (Magdeburg), die übrigen bis zu 6 Zentner schweren Glocken hauptsächlich in die Umgebung von Chemnitz.

    Die hervorragende Qualität seiner Arbeit sprach sich bis zu den höchsten Reichsbehörden herum. Ende 1882 erhielt er den Auftrag, eine Anzahl von Schiffsglocken für die Kaiserliche Marine zu fertigen. Im Januar 1883 wurde die erste für die „Nautilus“ geliefert. Am 21. April 1883 wurde die Fa. Glockengießerei Chemnitz, E.R. Kirsch auf Folium 2513 ins Chemnitzer Handelsregister eingetragen. 1884 beauftragte der Kirchenvorstand von Dorfschellenberg den Glockengießer Kirsch mit der Herstellung eines Geläuts aus drei Glocken gegen Zahlung von 1.831 Mark und Überlassung zweier alter, nicht harmonierender Bronzeglocken.

    Im Juli 1885 wurde eine von ihm gelieferte Glocke in der Hermersdorfer Kirche geweiht. Am 2. Advent desselben Jahres wurde die Kirche in Zwota eingeweiht, für die er die Glocke und den eisernen Glockenstuhl lieferte. Sein letztes bekanntes Werk in unserer Gegend dürfte die 4 Zentner schwere Glocke des neuen Schulgebäudes in Grießbach bei Zschopau gewesen sein, die seit dem 11. Oktober 1886 den Turm des Hauses schmückte, denn 1887 ist Kirsch zum letzten Mal im Chemnitzer Adressbuch verzeichnet.

    Gedenkkarte an die im 1. Weltkrieg geopferten Glocken der Lutherkirche

    Glocken sind ein schützenswertes Kulturgut. Sie waren oft Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, wie im Dreißigjährigen Krieg oder im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Immer wieder finden sich Einträge in Kirchenbüchern, die Betroffenheit über verlorene oder beschlagnahmte Glocken ausdrücken. Im Kriegsjahr 1917 beschloss der Militärfiskus, auch Glocken zu konfiszieren, um sie als Materialreserve für die Industrie verwenden zu können. Sie wurden beschlagnahmt und je nach Kunst- und Materialwert eingestuft und vernichtet. Zwei der drei von Kirsch in Neukirchen gegossenen Glocken fielen dieser Aktion zum Opfer. Sie wurden später ergänzt.

    Nicht anders verhielt es sich während des Zweiten Weltkrieges, als die Materialreserven knapp wurden und im Zuge der verordneten Metallspende 1941/42 neben anderen Kunstwerken wie der Büste des König-Albert-Denkmals, der Skulptur der Jägerin an der Kassbergauffahrt und den Figuren des Saxoniabrunnens auch tausende Glocken der Rüstungsindustrie zur Verfügung gestellt werden mussten.

    Ältere Glocken aus dieser Schaffensperiode der Chemnitzer Glockengießer sind kaum noch erhalten. Als Zeugnisse der Chemnitzer Handwerkskunst des 19. Jahrhunderts finden wir heute lediglich noch 2 Glocken in Arnsfeld (Gebr. Hann) und eine Glocke in Neukirchen (E.R. Kirsch). Mögen sie uns noch lange erhalten bleiben und uns mit ihrem Klang erfreuen.

    (Quellen u.a.: Artikel „Der letzte einer Glockengießerfamilie“ Frankenberger Tageblatt, 26.1. 1937; Beitrag in: Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte 1904; Artikel „Glockengießer in Chemnitz“ von Günter Schaefer im Chemnitzer Roland 1/2016; Adressbücher der Stadt Chemnitz und Artikel versch. Sächsischer Zeitungen, zu finden unter SLUB-Dresden)

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