Zum Inhalt springen

Die Lust zum Baden regt sich während der warmen Tage stets in verstärktem Maße, denn so angenehm es ist, wenn die Sonne hell und voll vom Himmel hernieder scheint, so unangenehm ist es, wenn sie es gar zu weit mit ihrem Wohlwollen treibt und die Menschenkinder „im Schweiße des Angesichts“ ihrer Schulbildung oder ihren Broterwerb nachgehen. Da sucht dann Jeder, wenn er des Tages Hitze reichlich gekostet hat, gern einmal die kühlenden Wasserfluten auf, um sich von den Spuren des Tagewerks zu säubern und die abgespannten Nerven zu erfrischen und zu erquicken.
So erstatteten die früheren Chemnitzer auch dem ehemaligen

Crusiusbad

Stadtplansschnitt 1893

an der Sachsestraße im Stadtteil Altchemnitz, einen Besuch ab.
Schon in früheren Zeiten lesen wir davon, das Turnlehrer Weigand in der Aue des Chemnitzflusses am Mühlgraben eine Badestelle anlegte.
Immer wieder beschäftigte das Ratsplenum die Frage der Errichtung eines öffentlichen Flußbades im Chemnitzer Stadtgebiet.
1886 wurde bereits ein Versuch unternommen, in der Gegend von Sachse’s Ruh ein in Aussicht genommenes Areal zu erwerben, das aber vom Vorbesitzer nur gesamtheitlich und zu einem hohem Preis angeboten wurde. Die Stadt konnte finanziell nicht auf die Offerte eingehen und entschied eine gemeinschaftliche Deputation zu Verhandlungen zusammenzustellen.
1887 wurde dann das 36.000 m² große Bleichgrundstück mit den Benutzungsrechten des angrenzenden Mühlgrabens für 100.000 Mark von der Berliner Fa. Krause & Co erworben. Für das anzulegende Bad sollte nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des Areals benötigt, der übrige Teil wie bisher zu Bleichzwecken verwendet werden. Ende September gab das Stadtkollegium seine Zustimmung zum abgeschlossenen Kaufvertrag über das betreffende Bleichgrundstück. Unterstützt wurde der Rat von Fabrikbesitzer Strubell, der das Grundstück für den oben genannten Preis erwarb und der die Benutzung des Terrains und des Mühlgrabens zuvorkommenderweise gestattete.

Unverzüglich ging man unter Stadtbaurat Eduard Hechler an die Entwürfe zur neuen Badeanstalt, dabei sollte aber der gegenüberliegende Stadtpark nicht beeinträchtigt werden.
Am 1. August 1888 wurde das neue Städtische Volksbad an der Crusiusstraße gebrauchsfertig gestellt, die Kosten beliefen sich auf rund 34.000 Mark. Jedoch war es lediglich für Personen männlichen Geschlechts eingerichtet.
Das Bad besaß ein 15 x 30m große Betonbecken (450 m² Wasserfläche) mit einer Wassertiefe zwischen 0,85 m und 2,30 m. In einer Ecke war ein Sprungbrett vorhanden. Später kam noch ein 3m-Brett hinzu. Da das Becken mit Flußwasser gespeist wurde, lag die Durchschnittstemperatur des Badewassers bei ca.18,5 °C. Es war vollständig mit einer über 3m hohen Wand- und Dachkonstruktion umgeben, die auch die Auskleidezellen beinhaltete. In einem kleinen Anbau war eine separate Dusch- und Waschgelegenheit eingerichtet, neben dem Eingangsbereich hatte der Bademeister seine Räumlichkeiten u.a. zur Aufbewahrung von Wäsche und Geräten.
Angedacht war die Benutzung von Mitte Mai bis Mitte September, dies wurde aber jährlich neu festgelegt und angezeigt.

Das Bad öffnete 1888 von früh 7 Uhr bis Mittags 1 Uhr und Nachmittags von 2 bis 8 Uhr Abends. An Sonn- und Feiertagen dagegen war die Schließzeit auf Mittags 12 Uhr und Nachmittags 5 Uhr festgesetzt. Für die Benutzung des Bades wurden folgende Gebühren erhoben: von Kindern 5 Pfennig, von Erwachsenen 10 Pf., für Benutzung einer Auskleidezelle 10 Pf. Dem angestellten Bademeister Wilhelm Dobritz oblag es, die Ordnung zu überwachen.

Innenansicht um 1900

Das Bad wurde sofort gut angenommen. 1889 besuchten bereits 11.689 Personen das vom 24. Mai bis 4..Oktober geöffnete Bad, obwohl der August und September infolge der kalten Witterung nicht zum Bad im Freien einlud.
Ab 1890 wurden den Knaben der 2. Abteilungen der Bezirksschulen kostenlose Badekarten zur Verfügung gestellt. Auch den Kindern der ganz Bedürftigen sollte damit der Badebesuch ermöglicht werden.
Der Schwimmklub Chemnitz nutzte es zu Trainingszwecken und zu seinen volkstümlichen Schwimmfesten. Dieser Verein ermöglichte auch die unentgeltliche Schwimmausbildung hunderter Volksschüler und trug damit zur Verallgemeinerung des Schwimmens im damaligen Chemnitz maßgeblich bei.

1897 werden im Verwaltungsbericht 25.627 Badende verzeichnet, die Einnahmen werden 1.301 Mark angegeben, denen 1.787 Mark Ausgaben gegenüberstanden. Schon damals war die Betreibung der beiden Bäder Crusiusbad und Stadtbad am Schloßteich für die Stadt ein permanentes Zuschussgeschäft.
1898 werden am wärmsten Tag des Jahres, den 17. August, 3.397 Badekarten verkauft! Heute in den bekannten Ausmaßen des Bades kaum vorstellbar.

Mit der Badesaison ab Mai 1911 kam ein 450 m² großes Luftbad mit Turngeräten hinzu.
Am 1. September 1917 feierte der „Schwimmklub Chemnitz von 1892“ im Crusiusbad sein 25jähriges Bestehen mit einem Schwimmfest. Am 30. Juni 1920 fanden Kreiswasserspiele hier statt.
In den 20er Jahren nutzten die beiden Chemnitzer Schwimmvereine, „Chemnitzer Schwimmklub von 1892“ und „Wiking“, das Bad regelmäßig für Wasserballspiele.

Erst 1928 wurde im Crusiusbad der Familienbadeverkehr eingeführt. Ermöglicht wurde das durch Erweiterung des vorhandenen Luftbadeanteils um 900 m² und die Errichtung einer Kleiderablage mit Wechselzellen für 300 Personen. Sitz- und Liegebänke erhöhten die Annehmlichkeit des Aufenthaltes. 1932 wurden über 29.000 Besucher insgesamt gezählt. Geöffnet war es in dieser Zeit von Dienstag – Sonnabend, von früh 8 Uhr durchgehend bis 7 Uhr Abends, Sonntag von 8-12 Uhr mittags. Staatlich geprüfte Schwimmmeister überwachten den Badebetrieb und gaben Schwimmunterricht. Zudem konnte man in der Kantine Erfrischungen kaufen.
1939 finden wir letztmalig das Bad im Chemnitzer Adressbuch verzeichnet. In welchem Zusammenhang das Bad nicht mehr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, bleibt bis jetzt verborgen.
Damit begann ein düsteres Kapitel. Die zunehmende Anzahl von sogenannten „Ostarbeitern“ brachte seitens der Propaganda auch zunehmende Besorgnis. Mit der Öffnung der Arbeitslager 1942 war ihnen die Benutzung der Straßenbahn, der Besuch von Kinos, Theatern und Gaststätten untersagt worden, 1943 versuchte die Gestapo, Zwangsmaßnahmen durchzusetzen, die Zwangsarbeiter aus dem Stadtbild zu verbannen. So sollten Treffpunkte geschaffen werden, u.a. ihnen das Crusiusbad und bestimmte Wannen- und Brausebäder zur Benutzung zur Verfügung gestellt werden, „um das große Städtische Hallenbad an der Mühlenstraße vor Ausländerbesuch zu schützen“. Ob es dazu kam, bleibt offen.

die wohl letzte bekannte Ansicht des Bades

Nach Kriegsende, als das Bad dem Industriewerk zur Betreibung übergeben wurde, werden nur noch notdürftigste Reparaturen ausgeführt. Wenige große Bäder rechneten sich besser als viele Kleine. Ein fortschreitender Verfall war unausbleiblich, die Besucherzahl nahm immer mehr ab und sicherheitstechnische und hygienische Bedenklichkeiten (hinzu kam ein fehlender Wasserfilter) führten schließlich zur Schließung. Doch viele der anliegenden Kleingärtner und Anwohner liebten die Individualität des kleinen Bades und nutzten es inoffiziell noch eine Zeitlang weiter. Noch Beginn der 1980er Jahre haben sich hier Zeitzeugen gern im kühlen Nass getümmelt. Wann es schließlich verfüllt wurde, konnte mir bisher noch keiner mitteilen.
Heute ist das ehemalige Badgelände Bestandteil des Kleingartenvereins „Sachses Ruh“.

(Quellen: Berichte der Verwaltung ab 1888, Adressbücher der Stadt Chemnitz zu finden unter SLUB-Dresden.de; Bäderführer von Chemnitz und Umgebung 1933; Buch von S. Schumann: Kooperation und Effizienz im Dienste des Eroberungskrieges; Bild „Crusiusbad“ mit freundlicher Genehmigung des KGV „Sachses Ruh“ e.V; u.a.)