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Das Hedwigbad

    Mitte des 19.Jahrhunderts war die sich entwickelnde Stadt Chemnitz auf ca. Fünfzigtausend Einwohner angewachsen. Entsprechend der Zeit rückte die Hygiene und die damit verbundene Haut- und Körperpflege weiter in den Vordergrund. Man errichtete Wannen und Brausebäder, aber zur medizinischen Heilung von Krankheiten mittels Bewegung im nassen Element fehlten noch die Einrichtungen und Gebäude. Denn schon damals galt das Schwimmen als heilungsfördernd bei diversen rheumatischen Erkrankungen.

    Standort des Bades schräg gegenüber der Markthalle – Chemnitzer Stadtplan 1898

    An der Hedwigstraße, heute Straße „An der Markthalle“ stand 68 Jahre lang eine der ersten Schwimmhallen Deutschlands. 1865 baute der Bauunternehmer und Tischlermeister Gottlob Friedrich Trübenbach nach dem Plan des Baumeisters W. Neupert auf der ehemaligen Ratsbleiche eine Wasch- und Badeanstalt. Sie enthielt eine Anzahl geschmackvoll und praktisch eingerichteter Wannenbäder, medizinische, irisch-römische, russische Dampfbäder, alle Arten von Dusch- und Brausebäder, ein großes Bade- und Schwimmbassin für 50 bis 70 Personen und eine Waschanstalt zur Reinigung der Wäsche.

    Damit war Chemnitz in Deutschland führend, hatten doch nur zwei weitere Städte – Hamburg seit 1855 und Magdeburg seit 1860 – gleichartige Einrichtungen, in denen man auch in der kalten Jahreszeit schwimmen konnte, aufzuweisen.

    Das Wasser wurde dem Mühlgraben entnommen. Um es zu reinigen wurden ein Filtrierkanal und ein Filtrierbassin angelegt. Da aber auch das filtrierte Wasser den Badezwecken nicht entsprach, wurde ein Brunnen erbaut und dazu eine zum Teil durch Felsen erfolgte Bohrung bis auf 121 Meter Tiefe ausgeführt. Das durch die Bohrung gewonnene Wasser war sehr klar, aber wiederum nicht ausreichend für die kontinuierliche Nachspeisung. Nicht unbedeutende Mengen mussten zusätzlich der städtischen Wasserleitung entnommen werden.

    Gesamtansicht um das Jahr 1900

    Zur Baugeschichte:

    Infolge der ungünstigen Zeitverhältnisse wurde 1865 zunächst das Hinterhaus gebaut. Es enthielt das große Schwimmbassin, das irisch-römische Bad, die Wannenbäder und die Waschanstalt. Das Schwimmbassin hatte über 130 m² Schwimmfläche und fasste zirka 280m³ Wasser. Die Tiefe betrug 1,5 bis 2,7 Meter. Um das Bassin herum lagen 60 Badezellen. Jeweils sieben Wannenbäder 1. und 2. Klasse waren vorhanden. Das irisch-römische Bad konnte von zwölf Personen zur gleichen Zeit benutzt werden. Die Waschanstalt bestand aus 28 Waschzellen, Trocken-, Lege- und Mangelstube.

    Am 4. Februar 1867 wurde das neue Unternehmen, benannt nach der Ehefrau des Erbauers, als „Hedwigbad“ teilweise eröffnet. Am 9. Februar wurden die übrigen Gebäudeteile und am 11. April die Wasch- und Trockenanstalt zur Benutzung freigegeben. Den Höhepunkt des Jahres bildete der Besuch des Sächsischen Königs Johann am 25.Juni 1867 in der „Trübenbach’schen Bade- und Waschanstalt“. Während seines Aufenthaltes in Chemnitz anläßlich der Industrieausstellung und Eröffnung der Börse besichtigte Seine Majestät u.a. die neue Badeanstalt.

    Am 26. Januar 1870 fand im hauseigenen Restaurant die Einweihungsfeierlichkeit der fertigen Badeanstalt statt. Jetzt konnten auch Auswärtige Wohnung und Verpflegung im Hause finden und eine Naturheilkur mit verschiedenen Bäder zu billigsten Preisen in demselben ausführen. Leider unterstützte die damalige Chemnitzer Einwohnerschaft dieses nützliche und unentbehrliche Institut gar nicht. Noch 1870 mußte Trübenbach auf Grund von Zahlungsschwierigkeiten Konkurs anzeigen.

    Die Stadträte Ernst Ludwig Kunze (Kaufmann) und Hermann Eduard Ullrich (Advokat) stellten in einer Ratssitzung den Antrag, das Bad für die Stadt zu erwerben. Doch der Rat lehnte ab. Im Versteigerungstermin erstanden dann Kunze und Ullrich das Bad. Später übernahm es Kunze in alleinigen Besitz. Sofort nach der Übernahme wurden umfassende Reparatur- und Ergänzungsbauten ausgeführt. Zwei neue Dampfkessel, eine größere Dampfmaschine, kupferne Wasserreservoire wurden aufgestellt und eingebaut, die eiserne Rohrleitung wurde durch kupferne ersetzt, und das alte, in sehr primitivem Zustand befindliche Dampfbad wurde ganz beseitigt. Für das neue Dampfbad wurden zwei Kuppelbauten ausgeführt, für die Auskleidezellen wurden größere Räumlichkeiten geschaffen. Bereits 1875 war eine Anzahl Wannenbäder neu gebaut worden, so daß 19 Bäder erster und 12 Bäder zweiter Klasse vorhanden waren. Die Waschanstalt wurde 1882 aufgegeben. In den freigewordenen Räumen sollte ein Nebenbassin eingebaut werden, das vorwiegend dem Schwimmunterricht zugutekommen sollte.

    Annonce von 1886

    Erweiterung und Modernisierung

    Am 6. Juni 1886 wurde die zweite Schwimmhalle eingeweiht, erbaut nach den Plänen des Architekten Oskar Ancke. Das Bassin war 24 Meter lang, 12 Meter breit und 0,9 bis 2,2 Meter tief. Diese neue 12m hohe Halle war zur Benutzung für Männer und Knaben bestimmt, die ältere kleinere für Frauen und Mädchen. Im Winter wurde die große Halle geschlossen, die kleine abwechselnd von Männern und Frauen benutzt. Die Temperatur im Becken und in der Halle betrug gerade einmal 18 bis 20°C, soviel wie die damalige Dampfkessel-Technik hergab. Zum Reinigen der Badewäsche richtete man eine Waschanstalt mit Wasch-, Spül-, Schleuder- und Mangelmaschinen ein, die von einer zwölfpferdigen Dampfmaschine, bzw. einem zwölfpferdigen elektrischen Motor betrieben wurden. Ein wohlgepflegter Garten und ein Restaurationsbüfett gehörten ebenfalls zum Hedwigbad.

    Bereits 1888 gab man in den Herbst- und Wintermonaten den 10 bis 14-jährigen Jungen kostenlosen Schwimmunterricht.

    Besitzer Stadtrat Kunze starb 1893, sein Sohn Ernst führte die Geschäfte fort. Herr Kunze war bestrebt, sein gemeinnütziges Institut immer auf der Höhe der Zeit zu halten. Er bot es dem gerade gegründeten Chemnitzer Schwimmverein zur Abhaltung von Schwimmfesten an. Im Generalanzeiger für Chemnitz und Umgebung vom 30.September 1896 lesen wir vom Prüfungsschwimmen der Zöglinge dieses Vereins mit zusätzlichen Schwimmwettkämpfen.

    1899 erfolgte die Modernisierung der kleinen Halle und den Nebenbereichen wie Umkleidekabinen und Sanitärbereichen. Ein großes Gemälde von Theodor Franke, den Königssee darstellend, wurde an der Stirnwand der Schwimmhalle angebracht. Das Dach wurde komplett erneuert, mit 4 Luftschächten und 8 Oberlichtern versehen, um die Ventilation und die Tageslichteinwirkung zu verbessern. Ebenso wurden die alten 3 Bogenlampen durch 22 neue Glühlampen ersetzt. Insgesamt 30.000 Mark wurden für die Renovierung investiert. Die Ausführung erfolgte wieder nach Plänen von Architekt und Zimmermeister Oscar Ancke, der auch die neue Deckenkonstruktion ausführte. Die Baumeisterarbeiten wurden von der Chemnitzer Firma Paul Fiedler erledigt.

    Bis 1914 fand hier auch der Militärschwimmunterricht für das Chemnitzer Infanterie-Regiment 104 statt.

    Im städtischen Besitz

    Am 1. Januar 1918 erwarb der Rat der Stadt das „Hedwigbad“ käuflich. Versuche, den Winterbetrieb durch Umbau auch in der großen Schwimmhalle zu ermöglichen, mußten der hohen Kosten wegen als undurchführbar aufgegeben werden. Es bestand in der Stadt schon früher die Absicht, ein großzügiges Hallenschwimmbad zu erbauen. Die Planungen dafür waren sehr weit vorangeschritten. Doch durch den Weltkrieg unterblieb die Ausführung. Nach der Übernahme durch die Stadt hob sich die Besucherzahl im „Hedwigbad“ ganz bedeutend. Im November 1919 wurde der Betrieb noch einmal wegen Heizstoffmangel eingeschränkt, Wannenbäder konnten nicht mehr verabreicht werden.

    In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das Bad für Schwimmfeste, aber auch für Wasserballspiele der Schwimmvereine „Aegir“ und „Wiking“ genutzt. Vereine aus Leipzig und Dresden waren des Öfteren zu Gast. Von den Emporen konnten Sportbegeisterte die Wettkämpfe verfolgen.

    Die in die Jahre gekommene und stark sanierungsbedürftige große Schwimmhalle wurde im Herbst 1932 baupolizeilich gesperrt. Am 23. März 1935 schloß das Bad seine Pforten für immer und wurde alsbald abgerissen. Das neue moderne Stadtbad an der Mühlenstraße löste es ab.

    Bezeichnungen wie „Am alten Bad“ und „Hedwighof“ erinnern in der Gegenwart an den ehemaligen Standort des ersten Chemnitzer Hallenbades.

    (Quellen: Der Türmer von Chemnitz 1936; Buch von Wilhelm Zöllner„Chemnitz am Ende des 19.Jahrhunderts“; Sächsischer Landesanzeiger/Generalanzeiger für Chemnitz zu finden unter SLUB-Dresden.de; u.a.)

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