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Der Beginn der Chemnitzer Luftfahrtgeschichte

    Die Brüder Montgolfiere waren am 5.Juni 1783 die ersten, die einen aus Papier und Leinwand gefertigten kugelförmigen Ballon aufstiegen liesen. Sie hatten unter der Hülle ein Feuer angezündet, um die innere Luft zu erhitzen und damit den benötigten Auftrieb zu erzeugen. Nur wenige Monate später, am 21 . November 1783, startete Pilatre de Rozier mit Major Marquis d’Arlandes zur ersten bemannten Ballonfahrt im Garten des Schlosses La Muette bei Paris.
    Schnell verbreitete sich in Europa diese Kunde, und schon 4 Monate später war der Gedanke der Luftfahrt hat auch in Chemnitz angekommen. Großen Anstrengungen der Chemnitzer Luftfahrtbegeisterten sorgten immer wieder dafür, daß wir heute auf eine lange Tradition zurückblicken können. Sie organisierten zuerst Ballonaufstiege, luden kühne Aeronauten ein und fanden mit Paul Spiegel einen Enthusiasten und maßgebende Person zur Förderung der Luftfahrt in Chemnitz. Der Chemnitzer Verein für Luftfahrt als einer der ersten Ballonvereine Deutschlands war ebenso daran beteiligt. Große Begeisterung lösten auch die Besuche der Luftschiffe und Zeppeline aus, die am Anfang des 20.Jahrhunderts unsere Stadt besuchten.

    Wie wir in alten Chroniken lesen:
    Am 19. März 1784 war auf dem Chemnitzer Anger (heute zwischen Brückenstraße und Theaterplatz) zum ersten Mal ein Ballon mit Heißluft gefüllt in die Lüfte gestiegen. Der unbemannte Papier-Ballon eines Hoh(e)nsteiner Perückenmachers überflog in südwestliche Richtung die Stadt und landete in der Niklasgasse (heute zwischen Falkeplatz und Reichsstraße). Er war 10 Ellen hoch und 8 Ellen im Umfang. Eine sächsische Elle entsprachen zu dieser Zeit ungefähr 57cm. Schon damals erregte die Aktion großes Aufsehen, da fast der ganze weite Raum des Angers mit Zuschauern angefüllt war, was dem Mann eine außerordentlich gute Einnahme verschaffte.

    Fahrtroute des ersten umbemannten Ballons - Trenkmannscher Plan von 1756

    1809 - Die erste Luftballon-Auffahrt in Chemnitz

    Der erste Deutsche, den es in der Geschichte der Ballonfahrt zu feiern gab, ließ noch bis 1805 auf sich warten. Professor Wilhelm Jungius in Berlin war der Held der deutschen Historie. Einige Zeit später können auch Chemnitzer das erste Schauspiel einer Auffahrt bewundern.

    Gasballon um 1910

    Niemand kann es besser beschreiben als die Presse, die uns ein Bild dieses Ereignisses bietet:
    „Zum ersten Male sah Chemnitz ein solches Schauspiel am 5.November des Jahres 1809, also auch schon vor fast hundert Jahren. Jene erste Auffahrt erscheint uns heute um so interessanter, als der dabei benutzte Ballon von erstaunlich primitiver Beschaffenheit gewesen sein muß. Er war nur aus Papier gefertigt und hatte trotzdem eine Höhe von 58 und einen Durchmesser von 48 Fuß (ca. 19 m bzw. 16 m). Der Aeronaut war ein „Mechanist“ namens Sebastian Bittorf aus Franken. Zur Füllung des Ballons benutzte er Dämpfe, heiße Luft, wie die Gebrüder Montgolfier. Seiner Ankündigung gemäß stieg er am 5.November 1809 aus dem Höselschen Garten in der Gablenzvorstadt auf. Der Ballon nahm seine Richtung nach dem Zeisigwalde zu, in welcher Gegend er sich auch eine gute Viertelstunde vom Orte des Aufstiegs entfernt, auf dem Felde wieder niederließ. Hoch war der Luftschiffer anscheinend nicht gekommen, er hatte sich nicht über ‚die untere, von feuchten Nebeldünsten verdichtete Luftschicht‘ erheben können. ‚Um so gelungener war seine Unternehmung‘, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt, ‚im Angesicht einer großen Menge Zuschauer, weniger aber für seine Kasse, wo er kaum einen Teil seiner Kosten gedeckt fand, die freilich weit mehr betrugen, als wenn er bloß einen papiernen Drachen hätte fliegen lassen‘. Die meisten Zuschauer hatten also, wie es bei solchen Gelegenheiten oft zu gehen pflegt, ‚Zaunbillett‘ genommen. Interessant ist vor allem, was der Bericht über die Füllung des Ballons usw. bemerkt: ‚Die Kenntnisse, womit Bittorf bei diesem anscheinend unzuverlässigen Vehikel behandelte, bestanden nicht etwa bloß in der Art, seinen Ballon zu füllen, was über einem in einer Grube brennenden Feuer geschah, sondern noch mehr darinnen, wie er die Rauchfüllung in dem Ballon beisammen zu behalten wußte, wenn dieser von der Grube hinweg gehoben wurde, und was nicht etwa durch eine verschließende Klappe vor der Mündung desselben geschah‘. Es erregte das ganz besondere Aufsehen der Zuschauer, daß ‚der Ballon beim Aufsteigen unten ganz offen blieb. In der Öffnung hing ein blecherner Feuerkessel, in welchen der Luftschiffer vor dem Aufsteigen mehrere Rollen eines dick dampfenden Materials zum Verbrennen warf, wodurch die Rauchfülle auszuströmen verhindert und immer in den Ballon hinaufgetrieben wurde. An dem Kranze dieser Öffnung war ringsherum ein leinwandner Sack wie ein Fußsack (die jetzige Gondel) angehangen, in welchem Bittorf stand und der ihm bis an die Brust reichte. Freilich sah es gefährlich aus, wenn man in dem auf schwebenden papiernen Ballon die Glutflammen aus dem Feuerkessel in die Höhe strömen sah.‘

    Allein durch die ‚abgewogene Struktur‘, die der Künstler seinem Ballon gegeben, wurde jedes Neigen desselben verhütet, weshalb er immer im Gleichgewicht schwebe, so daß die Flamme nie an die Wände des Luftschiffes schlagen und zünden könne, sondern ebenfalls immer in einer Richtung nach der hohlen Höhe hinaufbrenne. Auf diese Art und da überdies die Auffahrt nur bei windstillen Tagen geschehe, werde das Gefährliche soviel nur möglich entfernt. Bittorf hatte sein ‚sehenswürdiges Schauspiel‘, wie er in der Ankündigung der Auffahrt sagte, bereits 21 mal in verschiedenen großen Städten Russlands und Deutschlands vorgeführt. Er hatte zwar anscheinend durch gewisse Vorrichtungen an seinem Ballon, der sonst eine ganz primitive Montgolfiere war, also dem Ballon in seinen ersten Anfängen glich und durch praktische Behandlung derselben das Wagestück einer kurzen niedrigen Luftfahrt für die damaligen Verhältnisse im allgemeinen ziemlich sicher gestaltet; aber noch so mancher kühne Aeronaut ist dem Systeme, mit offenem Feuer unter dem Ballon zu fahren, zum Opfer gefallen.“


    Damit habe ich die Geburtsstunde der bemannten Luftfahrt in Chemnitz erläutert. Der Aufstiegsort befand sich etwa an der Stelle Augustusburger – Ecke Dresdner Straße, um einen Bezug zum heutigen Stadtbild herzustellen. Jahrzehnte vergingen, ehe wieder eine Ballonfahrt zu bestaunen war. Demnächst dazu mehr.

    Artikel zur Luftfahrtgeschichte aus dem Chemnitzer Tageblatt 1937

    (Quellen: Chronik der Stadt Chemnitz 1843, Carl Lehmann; Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger 14.08.1908)