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Der Flugzeugabsturz bei Niederschöna

    Einer der ersten tragischen Unfälle der frühen sächsischen und Chemnitzer Luftfahrtgeschichte ereignete sich im September 1912. Die Tageszeitungen berichteten natürlich ausführlich davon. Darstellungen von Zeitzeugen des Absturzes sind erhalten geblieben und erzählen von den Einzelheiten.

    Oberleutnant Berger vorn auf dem Albatros-Doppeldecker

    Am 14.September startete der Militärflieger Oberleutnant Johannes Berger vom 5. Königl. Sächs. Infanterie-Regiment Nr.104 (Chemnitz) mit Oberleutnant Curt Junghanns vom 10. Königl. Sächs. Infanterie-Regiment Nr.134 (Plauen) gegen 9.00 Uhr in Grimma mit seinem „Albatros-Zweidecker B6“ zu einem Besuch seiner Garnisionsstadt Chemnitz, wo er gegen 18.00 Uhr glatt auf dem Exerzierplatz an der Zschopauer Straße landete.

    Am 20.September unternahm er von dort aus mehrere Schauflüge über Chemnitz, bei denen er u.a. die Stadtteile Bernsdorf und Gablenz überflog. Mit je einem Gast blieb er drei Mal jeweils 15 Minuten in der Luft.

    Am 21. September 1912 gegen 9:45 Uhr war Berger dann – wieder mit Junghanns – zu einem Fernflug nach Döberitz, zur kaiserlichen Flugschule bei Berlin, aufgestiegen. Ein Zwischenaufenthalt in Dresden sollte zu einem Familienbesuch und zur Treibstoffaufnahme genutzt werden.

    Nach 10 Uhr passierte er Freiberg, hunderte Einwohner verfolgten den Flug, denn es war eine Seltenheit, einen Flugapparat zu sehen. Kurze Zeit später stürzte er an der sogenannten Schumann-Linde zwischen Niederschöna und Falkenberg, etwa 10 Kilometer nordöstlich von Freiberg, ab. Die Uhr des Verunglückten war 10:20 Uhr stehengeblieben…

    Die „Chemnitzer Allgemeine Zeitung“ meldete: „Die Unglücksstelle selbst bot einen trostlosen Anblick. Der Apparat war vollständig zertrümmert, das Fahrgestell ein wirres Durcheinander, die Kufen zerschlagen, die Räder verbogen, die untere und obere Tragfläche völlig zertrümmert, die Holzversteifungen zerbrochen. Der Motor schien nur wenig beschädigt, dagegen war der Kühler vollständig verbogen. Der Öl- und Benzinbehälter lag abseits auf dem Felde, etwa 10 Meter vom Apparat entfernt. Unter dem Benzinbehälter zog man den bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Leichnam des Oberleutnants Berger hervor. Unweit davon lag der entseelte Körper des Oberleutnants Junghanns nicht minder furchtbar entstellt. Ein Augenzeuge des Unglücks gab der genannten Zeitung folgende Schilderung: Es war gegen ½ 11 Uhr vormittags. Ich hörte, als ich auf dem Felde pflügte, in der Luft das Surren eines Motors. Einen Flugapparat bemerkte ich zunächst nicht. Das Fahrzeug muss sich in sehr großer Höhe befunden haben. Plötzlich sah ich das Flugzeug aus den Wollen hervorkommen Das regelmäßige Arbeiten des Motors hörte plötzlich auf. Es wurde ganz still in der Luft. Dann folgte das Rasseln des Motors. Ein Knattern vernahm man. Im selben Augenblick überschlug sich der Apparat. In einer Spirale stürzte er herab. In etwa 500 Meter Höhe überschlug sich der Apparat abermals. Oberleutnant Junghanns stürzte heraus und fiel in ein Haferfeld dicht neben einem dort arbeitenden Landmann nieder. Der Niederfall war so heftig, das sich der Körper etwa ein halben Meter tief in den Boden eingrub. Der Flugapparat drehte sich nochmals über der Erde und schlug etwa 170 Meter von der Leiche Bergers entfernt auf, wobei er völlig zertrümmert wurde. Die auf dem Felde arbeitenden Landleute brachten die beiden Leichen nach Niederschöna in die dortige Leichenhalle.- Oberleutnant Berger und Oberleutnant Junghanns waren schon seit mehreren Monaten zur Lehr- und Versuchsanstalt in Döberitz kommandiert. Berger hatte dort sein Pilotenexamen abgelegt, während Junghanns als Beobachter ausgebildet wurde. Beide hatten auf einem Albatros-Doppeldecker bei der Fliegerabteilung Grimma mit Erfolg am Kaisermanöver teilgenommen und galten als ruhige, besonnene Flieger. Nach Beendigung des Kaisermanövers hatten sie einige wohlgelungene Überlandflüge ausgeführt und waren jetzt im Begriff, von Chemnitz aus nach Döberitz zurückzufahren, als sie ihr Schicksal bei Freiberg in Sachsen ereilte. Über Oberleutnant Berger wird noch im Besonderen gemeldet: Oberleutnant Berger war beim Regiment „Kronprinz“ aufgewachsen und schon als junger Offizier drei Jahre zur Fußartillerie nach Metz kommandiert. Zurückgekehrt zu 1 ½ jährigem Dienst in der Front, meldete er sich im vorigen Jahre zur Ausbildung als Fliegeroffizier, machte den Kursus für Militärflieger durch, die Pilotenprüfung und trug erst vor wenigen Wochen einen Preis für den Fernflug Berlin-Leipzig und den vom König gestifteten Wurfpreis in Leipzig davon aus einem Flugzeug der Albatroswerke. Im Kaisermanöver wurde er als Flieger viermal verwundet und erhielt für seine Leistungen den Preußischen Kronenorden. Oberleutnant Berger war ein weit über den Durchschnitt begabter Mensch mit reichem Interesse und von positiven Können.“

    Die Absturzursache konnte nicht ermittelt werden.

    Ernst Johannes Berger aus Kamenz wurde 29 Jahre, Kurt Max Georg Junghanns aus Gleisberg bei Roßwein 36 Jahre alt. Nach der Trauerfeier in Niederschöna am 23. September 1912 wurden die Verstorbenen in ihre Heimatorte überführt.

    Kurz nach dem Unglückstag wurde im Offizier-Korps des Kronprinz-Regiments zu Chemnitz der Wunsch laut, zum Gedenken an die Verstorbenen an der Unglücksstelle ein Denkmal zu errichten. Der damalige Regimentskommandeur, Herr General von Gersdorff, war einer der tatkräftigen Förderer dieses Gedankens. Auch das 134. Infanterie-Regiment zu Plauen, die Fliegertruppe in Döberitz und auch das Königl. Sächsische Kriegsministerium sagten ihre finanzielle Unterstützung zu.  

    Am 1. Juni 1913 wurde der 2m hohe Obelisk nahe der Unglücksstelle im Beisein des sächsischen Kronprinzen Georg, Vertretern der Chemnitzer Regimenter, des Fliegerkorps, des Chemnitzer Vereines für Luftfahrt und zahlreicher Gäste eingeweiht.

    2012 wurde das Denkmal zum 100.Jahrestag dank privater Unterstützung und der Gemeinde Halsbrücke restauriert. Bis heute wird der Gedenkstein unweit der Schumann-Linde in Niederschöna gepflegt.

    Ein Besuch ist gerade in Verbindung mit einer Wanderung ins wildromantische Bobritzschtal zu empfehlen.

    (Quellen: Diverse Chemn. und Dresdner Tageszeitungen vom September 1912 – Chemnitzer Kalender 1913 – Bilder aus der Privatsammlung von Herrn Berger, dem Großneffen des verunglückten Piloten)