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Chemnitz im Flugfieber: Der Deutsche Rundflug 1925

    Chemnitz, Juni 1925. – Unsere Stadt hatte an diesen Pfingsttagen ihren vielleicht bisher größten Tag auf flugsportlichem Gebiet nach dem Ersten Weltkrieg. Eine wahre Massenwanderung, wie zum Flugplatzwerbetag im September 1924, setzte zum Flugplatz an der Stollberger Straße ein, und auch in den Straßen und auf den Plätzen der Innenstadt herrschte ein ungewöhnlich lebhaftes Treiben, als die kühnen Piloten des Deutschen Rundfluges 1925 (31. Mai- 9. Juni) erwartet wurden.

    Karte der 2. Schleife des Deutschen Rundflugs 1925 – Gesamtflugstrecke 1130 km

    Der Wettbewerb selbst war ein leuchtendes Zeichen für den ungebrochenen Willen der deutschen Luftfahrt. Stark gehemmt durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages, galt es, die Entwicklung in neue Bahnen zu lenken: die Züchtung des schwachmotorigen, zuverlässigen Flugzeuges. Wieder war es der Verlag Ullstein, der mit der Stiftung eines „B.-Z.-Preis der Lüfte“ über 100.000 Mark den Anstoß gab. Weitere Stiftungen folgten, sodass eine beeindruckende Summe von über 400.000 Reichsmark für die Sieger bereitstand.

    Der vom Aero-Club von Deutschland ausgeschriebene Wettbewerb war eine gewaltige Zuverlässigkeitsprüfung über mehr als 5.000 Kilometer. In fünf Schleifen, die alle in Berlin beginnen und enden, mussten die Piloten ihr Können und die Ausdauer ihrer Maschinen unter Beweis stellen. Nicht die höchste Geschwindigkeit, sondern die Zahl der zurückgelegten Kilometer bei möglichst geringer Motorstärke entschied über den Sieg.

    Ab 31. Mai 1925, das war der Pfingstsonntag, gingen die Piloten mit ihren Flugzeugen auf dem Tempelhofer Feld in Berlin an den Start.

    Am Dienstag, damals der 2. Juni, erreichte die zweite Schleife des Rundfluges unsere Stadt. Die Route dieses Tagesabschnitts führte die Flieger über 1130 Kilometer von Berlin über Hannover, Paderborn, Frankfurt am Main, Darmstadt, Erfurt und Weimar nach Chemnitz und von hier aus weiter über Dresden zurück in die damalige Reichshauptstadt.

    Für 10:15 Uhr waren die ersten Maschinen angekündigt, doch die Geduld der Tausenden von Zuschauern wurde auf eine harte Probe gestellt. Erst um 13:10 Uhr erschien endlich der erste schwarze Punkt am Horizont. Nach Minuten gespannter Erwartung konnte die Maschine ausgemacht werden: Es war der bewährte Pilot Kurt Ungewitter auf seiner schnellen Albatros L 69. Als Führender der ersten Etappe traf er auch auf der zweiten als Erster ein. Da sein Flugzeug mit einem 100-PS-Siemens-Motor zur Gruppe C (bis 120 PS) gehörte, war er nicht zur Landung verpflichtet und flog nach zwei eleganten Schleifen über dem Platz sofort weiter in Richtung Dresden.

    Die Maschine des Chemnitzer Ingenieurs Max Schüler – Vagel-Grip SP 5

    Mit noch größerer Spannung erwartete das Publikum nun die Ankunft des ersten Flugzeuges der Gruppe B (bis 80 PS), das laut Ausschreibung in Chemnitz landen musste. Nach einer knappen Viertelstunde wurde die Hoffnung nicht enttäuscht. Eine Maschine mit roten Steuerflächen – dem Erkennungszeichen der B-Gruppe – näherte sich, zog eine Schleife über den Platz und setzte nach zwei kleinen „Hupfern“ sanft zur Landung an.

    Es bot sich ein faszinierendes Bild, als zeitweise vier oder fünf Maschinen gleichzeitig am Himmel zu sehen waren. Während weiße Leuchtkugeln den zur Landung berechtigten Piloten den Weg wiesen, zogen andere Flugzeuge weiter oder warfen Meldungstaschen mit langen schwarz-weiß-roten Wimpeln ab, so auch der Weltrekordmann im Dauerflug, Gustav Basser. Stürmisch begrüßt wurde der jüngste Bruder unseres unvergessenen Jagdfliegers Manfred Freiherr von Richthofen, Wolfram Freiherr von Richthofen, der sich nur eine kurze Rast von zehn Minuten gönnte. Besonderes Aufsehen erregte der bereits aus der Vorkriegszeit in unserer Stadt bekannte Pilot Max Schüler. Er landete, obwohl er dazu nicht verpflichtet war, und sicherte sich damit den von der hiesigen Flughafengesellschaft ausgesetzten Preis von 400 Mark für die erste freiwillige Landung. Sein Flugzeug, ein „Sarotti-Dreidecker“, Typ Vagel-Grip SP 5 –(Kennung D-664), erinnerte in seiner Bauart stark an die berühmten Fokker-Jagdflugzeuge des Krieges.

    Insgesamt passierten 28 Flugzeuge Chemnitz, bevor sich die letzten beiden verbliebenen Piloten am nächsten Morgen auf den Weiterflug nach Berlin machten. Schüler selbst erreichte am Ende den 21. Platz (von 30) in Gruppe C mit 2919 zurückgelegten Kilometern (von insgesamt 5324 km)

    Der gesamte Rundflug war trotz der enormen Anforderungen ein voller Erfolg. Fachleute zeigten sich erstaunt, wie viele der 57 gestarteten Teilnehmer die Strapazen meisterten. Bis zur letzten Schleife waren noch 37 Flugzeuge im Rennen, von denen es 23 gelang, die gesamte Strecke strafpunktfrei zurückzulegen. Besonders erfreulich war, dass es keinen einzigen ernsten Unfall gab.

    Nach Beendigung des Wettbewerbes lautete das Gesamtergebnis wie folgt:

    Gruppe A (bis 40 PS) :

    Kein Teilnehmer legte die volle Strecke von 5242 km zurück.

    1. Bruno Loerzer (Daimler L 21, 2 × 18.5 PS Mercedes – Kennung D-623) – 3219 km
    2. Schrenk (Daimler L 20, 19.8 PS Mercedes) – 3122 km
    3. Guritzer (Daimler L 20, 20 PS Mercedes) – 2947 km

    Gruppe B (bis 80 PS):

    Die volle Strecke von 5242 km legten strafpunktfrei zurück:

    1. Carl Hochmuth (Udet U 10, 58 PS Siemens – Kennung D-660)
    2. Bäumer (Bäumer B II, 63.5 PS Wright)
    3. Katzenstein (Dietrich DP VII a, 69 PS Siemens)

    Gruppe C (bis 120 PS):

    Die volle Strecke von 5344 km (verlängerte Route) legten strafpunktfrei zurück:

    1. Hans Ritter (Caspar CT 1, 80.5 PS Mercedes – Kennung D-662)
    2. Wenke (Junkers K 16, 81 PS Siemens)
    3. Schnäbele (Junkers T 29, 82 PS Junkers)

    Die Sieger erhielten jeweils 25.000 Mark Preisgeld, der Zweitplazierte 15.000 Mark, der Drittplazierte 10.000 Mark.

    Der Deutsche Rundflug von 1925 und der unvergessliche Tag in Chemnitz hatten bewiesen, dass der deutsche Pioniergeist im Flugzeugbau lebendig war und zu neuen großen Taten anspornte. Bereits im September sollten die Flieger Chemnitz beim Sachsen-Rundflug ein weiteres Mal ansteuern.

    (Quellen u.a.: Bericht über den Rundflug in https://hans-weil.faszination-uhrwerk.de/aeroplane_spandau-1.pdf; Bericht in: „Der Österreichische Motor“ 07/1925; Berichte im Hohensteiner und Frankenberger Tageblatt vom 3. Juni 1925, zu finden unter SLUB-Dresden.de; Bilder von der Webseite https://www.airwar.ru/law1.html#p55; u.a.)