Die Aufdeckelung der Chemnitz im Bereich Falkeplatz-Deutsche Bank bis zur Annaberger Straße.
Wie schon im vorigen Bericht erwähnt, war die 1914 fertiggestellte Überdachung gerade im Bereich des Hochwasserschutzes für die Innenstadt ein Problem. Immer wieder stauten sich an dieser Engstelle des Chemnitzflusses die Wassermassen. Die 1933 fertiggestellte Brücke war zwar erhöht worden, doch bildete der Tunnel ein Barriere für das von Süden ankommende Wasser. Bilder vom Hochwasser 1954 (das auch noch separat in einem Beitrag betrachtet wird) und 2003 sind uns noch vor Augen, weite Teile der Innenstadt wurden damals überschwemmt.
Die Konstruktion der damals in schwacher Betongüte ausgeführten Überdachung war zusehends instabil geworden, die Bauteile genügten schon seit längere Zeit den Tragwerksanforderungen nicht mehr. Bedingt durch das feuchte Klima wies die Konstruktion an der Unterseite starke Rosttreibungen und Querschnittsschwächungen auf. Deshalb waren der betonierte Vorplatz des Bankgebäudes und die Falkestraße wegen Einsturzgefahr bereits seit Jahren gesperrt.
Schon vor über 30 Jahren gab es ehrgeizige Pläne, das Areal zu beleben.
Dieter Noll, der 1.Chemnitzer Bürgermeister Anfang der 90er Jahre, verfolgte zeitig den Plan, am Falkeplatz ein „Maison de France“ zu errichten. Für 100 Millionen DM sollten Hotels, Geschäfte und Bürohäuser entstehen, ein großes Stück Frankreich mitten in Chemnitz. Gegen das Stadtoberhaupt häuften sich leider schnell diverse Vorwürfe wegen Bestechlichkeit im Amt und dubiosem Geschäftsgebaren. Nach massiven Rücktrittsforderungen legte Noll sein Amt 1991 nieder und das deutsch-französische Projekt wurde verschämt beerdigt.
Lange Zeit wurde es anschließend ruhig um die innerstädtische Brachfläche.
Erst ab 2006 gedieh ein Projekt zur Offenlegung der Chemnitz in den städtischen Gremien. Es wurde begonnen, das Areal an der Aue und der Falkestraße von den immer mehr verfallenden Gebäuden zu beräumen. Ein Auepark sollte im Rahmen der innerstädtischen Begrünung entstehen und zum Bummeln einladen. Nach Klärung von Eigentumsrechten und der Sicherung des städtischen Eigenanteils in Höhe von ca. 700.000 € durch einen Stadtratsbeschluß am 14.März 2007, der Voraussetzung für die Bewilligung von weiteren 1.644.000 Euro Fördermitteln war, konnten die Ausschreibungen für die geplante Offenlegung beginnen. Auf 224 m Länge sollte die Falkestraße bis zum ehemaligen Gebäude der Kammer der Technik (errichtet zwischen 1907 und 1909 von den Chemnitzer Neuesten Nachrichten) aufgedeckelt werden, im Bereich der Deutschen Bank die befestigte Sohle entfernt werden und ein naturnaher Flusslauf geschaffen werden. Die Landestalsperrenverwaltung übernahm die Sicherung der Uferbereiche gegen Ausspülungen und die Sanierung der Gewässersohle.
Jedoch verschob sich der geplante Baustart von September 2007 erheblich, weil die Ausschreibungsergebnisse das Budget gesprengt hatten. Die über 30 Tonnen schweren und fast 20m langen Visintini-Träger erforderten eine spezielle Technologie zur Bergung, es sollte ja auch nichts in die Chemnitz fallen. Erst nachdem die zugesagten Fördermittel in Höhe von 70 % zu verfallen drohten, wurde ein Machtwort gesprochen, dafür aber die geplante parkähnliche Gestaltung auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt.
Im März 2008 wurden die ersten Vorbereitungen zu diesem Projekt getroffen. So mußten Ersatz-Stellflächen befestigt werden, die Baufläche freigemacht und abgesperrt werden.
Am 7.April 2008 war es dann für diesen historischen Moment soweit: Mit einem Kran wurde der erste Träger von seinem Lager angehoben, nach 96 Jahren wurde dieser Bereich des Flußlaufes wieder sichtbar. Bis Juni 2008 waren die ersten 100 m bereits geschafft, zudem wurde die linke Ufermauer vor dem Bankgebäude mit einer 60 m langen Stützwand stabilisiert. Bis Juli 2009 waren die insgesamt 158 Träger geborgen, die Ufermauern wurden hergerichtet und mit einer Böschung verbunden.
Zwischen Mai 2010 und Juli 2011 erfolgte die Errichtung der Auebrücke. In den kommenden 2 Jahren wurde die weitere Böschungsgestaltung in Angriff genommen und alte Wiederlagerstümpfe abgebrochen. Der umgestaltete Gewässerabschnitt konnte schließlich am 23.März 2013 übergeben werden.
Und heute holt sich die Natur immer mehr den Flußlauf zurück, die Renaturisierung schreitet – wegen mangelnder Aufmerksamkeit seitens der verantwortlichen Stellen und natürlich wie überall auf Grund fehlender Gelder – unaufhörlich voran. Kein schöner Anblick, wenn man dort entlang geht und dazu die Schmierereien im Wandbereich zur Kenntnis nehmen muß.
Wer möchte, kann sich am Ufer den aufgestellten Informationstafeln anschauen und sich über den derzeitigen Zustand informieren.
Eigene Aufnahmen vom 10.September 2021
Und natürlich muß man darauf hinweisen, das im Industriemuseum Zwickauer Straße noch ein Visintini-Träger als Zeitzeugnis zu besichtigen ist.
(Quellen: Ausschnitte aus Freie Presse, Chemnitzer Blick, Amtsblatt 2007-2009; u.a.)