Gerade in der heutigen Zeit ist es interessant, einmal zurückzuschauen, wie man sich früher bei Erkrankungen zu helfen versuchte.
Gegen die schlimmsten Anfechtungen für die Gesundheit des Menschen waren früher wie auch heute die Ärzte ebenso hilflos. Pest und Pocken, Blattern und Lepra tobten von jeglicher medizinischen Intervention ungehindert unter den Leuten. So wurden auch damals schon ganze Landstriche entvölkert. Fahrende Quacksalber, die sich selbst „Medicus“ nannten, versuchten mit allerhand selbstgemischten Tinkturen Geld zu verdienen ohne dabei den Kranken und Infizierten zu helfen. Erst die religiösen Ordensgemeinschaften, die sich um die Betreuung von Verletzten und Erkrankten kümmerten, geboten dem Einhalt. Die Nonnen und Mönche schöpften ihr Wissen aus den Überlieferungen des griechischen Altertums. Die in den Klöstern angepflanzten Heilkräuter und das Wissen um ihre Verwendung unterstützten sie bei Ihrer Arbeit und dem Heilungsprozess. In den zunehmend wachsenden Städten ließen sich Apotheker nieder, die ebenso auf dieses Wissen zurückgriffen. Im Laufe des Mittelalters hatte sich die Pharmazie von der Medizin getrennt, erste Lehrstühle entstanden um 1535 in Paris, Pisa und Padua.
In Chemnitz erfahren wir von einem Privileg von 1638, welches im Jahre 1594 dem „Erbaren und Wohlgeachten Severus Hummel“ verliehen wurde. Dieser hatte die Apotheke im gleichen Jahre von seinem „Schweher“ Rochus Wildeck gekauft, welcher wohl als erster Apotheker in Chemnitz anzusprechen ist. Serverus Hummel verlegte um das Jahr 1600 die Apotheke an den Hauptmarkt in das vierte Haus der früheren Bachgasse, das 1634 abbrannte und 1635 neu erbaut wurde.
Die Geschichte der alten Adler- Apotheke
Bereits um 1495 war der Bürgermeister Ulrich Schütz Besitzer des stattlichen Grundstücks am Eingang der Johannis- und Bachgasse (später Kronenstraße).
Am 7. Juni 1667 kaufte der damalige Eigentümer der Adler-Apotheke Wolfgang Heinr. Schröter sen. das Haus an der Ecke der damaligen Kronen- und Johannisstraße und verlegte 1673 die Apotheke dorthin. Das schmucke Eckhaus mit dem kräftig vorspringenden zweistöckigen Erker und einer niederen romanischen Bogentür verwob schon damals eine reiche Vergangenheit mit seinen Mauern.
Auf den riesigen Dachböden stapelten sich zentnerweise Fässer und Kisten mit Kräutern, Extrakten und Essenzen. Der Apotheker hielt ein entsprechendes Kräutlein, eine Essenz, ein Pülverchen, ein Wässerchen oder eine Einreibung bereit. Zwar gab es schon die ersten schulmedizinischen Arzneien, doch die Homöopathie ist noch immer der absolute Favorit in der Pharmakotherapie und wegen mangelnder Haltbarkeit pflanzlicher Mixturen extrahierte und mischte man alles zum größten Teil selbst. Manche Fabrikate würden uns heute die Haare zu Berge stehen lassen, andere haben sich bis heute bewährt.
Bis zum Jahre 1813 war die Adler-Apotheke die einzige Apotheke in der Stadt. Ab 1838 – 1874 finden wir in den Adressbüchern Eduard Bruhm als Haus- und Apothekenbesitzer.
1874 übernahm Herr Louis Schellenberg als Pächter die Adler-Apotheke, als Inhaber der Fa. E.Bruhm Nachfolger. Mit seinem Tod 1888 ging das Haus in den Besitz der Stadtgemeinde über, das alte Patrizierhaus wurde noch im selben Jahr abgerissen. Anfang August 1889 wurde der Dachstuhl auf das neue Eckhaus aufgesetzt, das bereits damals in zentraler Innenstadtlage die Aufmerksamkeit auf sich zog. Große Schaufenster zu beiden Straßenseiten und der balkonartige Vorbau erregten das Interesse der Vorübergehenden. Bis 1890 entstand ein vierstöckiger Neubau, ein ganz früher Gründerzeitbau mit vielen historischen Elementen, vis-a-vis gegenüber dem altbekannten Blauen Engel an der Marktseite, der auch bald den Platz für ein großes Geschäftshaus räumen mußte.
Erster nachweislicher Pächter, später auch Besitzer, dieses neuen Gebäudes war der Apotheker David Courant. 1893 wird aus der zeitherigen Johannisstraße 1, postalisch die Bachgasse Nr.1. Mit der wachsenden Bebauung wird die Bachgasse 1895 umbenannt und die bereits von der Lange- zur Poststraße existierende Kronenstraße bis zum Markt verlängert. Fortan ist die Geschäftsadresse der Adler-Apotheke bis zur Zerstörung 1945 Kronenstraße 1.
20 Jahre lang war David Courant Inhaber, ehe ab 1911 Georg Hermann Hold die Adler-Apotheke übernnahm. Mit ihm finden wir im Adressbuch 1913 auch die ersten Arztpraxen im Haus, ein kleines Ärztehaus entsteht. Praxen rechnen sich schon damals eher als Wohnungen. Der darauffolgende Hausbesitzer und Adler-Apothekenchef Dr. Kurt Magen (ab 1921) führte das mit wachsamen Adlerauge fort. HNO, Internist sowie Hautarzt, ein Medizinfachhandel und die Apotheke etablierten sich. 1936 zog sich Dr. Magen nach Dresden zurück, blieb aber Hauseigentümer. Pächter Kurt Lerche musste 1945 im Bombenhagel die Zerstörung des Hauses ansehen.
Das Laboratorium erfuhr 1928 einen völligen Umbau und war mit den modernsten Apparaten und Maschinen ausgerüstet. Die aus der Zeit der Eröffnung 1890 stammende Inneneinrichtung der Apotheke wurde im Jahre 1929 durch eine neuzeitlich Moderne ersetzt. Auch wurden in diesen Jahren die Verzierungen am Gebäude entfernt, wie uns das Bild vom Neumarkt um 1935 zeigt. Entsprechend der Neuzeit gab es auch später eine Leuchtreklame.
Die vorbildliche Innenorganisation der Apotheke ermöglichte in kürzester Zeit die Auffindung der bald 13.000 verschiedenen Arzneimittel und Spezialpräparate und erleichterte nicht nur die schwere Arbeit des Apothekenpersonals, sondern war auch die Vorbedingung, um den vielfachen Wünschen des arzneibedürftigen Publikums schnellstens gerecht zu werden. So wie wir es heute auch erwarten.
Im Rahmen der sozialistischen Neubebauung entstand am ehemaligen Standort der Apotheke in den späten 60er Jahren die Zentralhaltestelle. 1999 wurde das Areal erneut umgestaltet und mit dem Kaufhof überbaut, der am 18.Oktober 2001 eröffnet wurde. (Vergleich Standort zu heute – siehe großes Bild unten)
Fragmente des ehemaligen reich verzieren Erkers der Apotheke kann man heutzutage noch im Lapidarium des Schloßbergmuseums finden.
Quellen: „Historische Photographie in Chemnitz“ –Stadtarchiv 1988, Mitteilungen des Chemnitzer Geschichtsvereins, Jahrbuch 1928, Adressbücher der Stadt Chemnitz, Ausgaben des Sächsischen Landesanzeigers Chemnitz – beides zu finden unter SLUB-Dresden.de, Sammlung U.Kaufmann – UCuKMS, u.a.)