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Die Loge zur Harmonie

    Freimaurer in Chemnitz

    Anläßlich der 222.Wiederkehr der Gründung der „Loge zur Harmonie“ in diesem Jahr möchte ich Ihnen die Geschichte dieses Bundes näherbringen.
    Lange Zeit blieb sie eine rätselhafte Institution, deren Bedeutung, Wirksamkeit und die Zusammensetzung im Verborgenen blieben.
    Die strenge Brüderschaft entschied nach festgesetzten Statuten über Aufnahme und Nichtaufnahme der Eintrittsuchenden, auch über die Niederlegung von Ämtern bei einem Austrittsgesuch.

    Wie kam es nun zu dieser Verbindung, deren Anliegen „…in der Erziehung zu Humanismus, vereint mit karitativen Wirken, sittsame Vervollkommnung jedes einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft, werktätige Nächstenliebe beziehentlich durch Pflege milder Stiftungen zu fördern“ bestand.

    Im Herbst 1798 setzte sich der Hohensteiner Kaufmann und Kommerzienrat Johann Gottfried Landgraff mit der Großloge „Royal-York“ zur Erlangung einer Konstitution in Verbindung. Die angeknüpften Verhandlungen führten bereits am 25.März 1799 in Hohenstein zu einer Versammlung, in der sich neben Landgraff 6 weitere Herren zur Stiftung eingefunden hatten. Aus Hohenstein waren es Christian Gottfried Landgraff, Heinrich Raphael Grosser, Johann Gottfried Zill und Christian Gottlieb Roch. Johann Gottlieb Esche sen. und Johann Friedrich Esche jun. aus Chemnitz ergänzten die Runde. Am 11.Mai 1799 wurde von der Berliner Mutterloge der Stiftungsbrief ausgefertigt, unter Leitung von Johann Gottfried Landgraff begann die Tätigkeit der Loge.
    Die Ideen zur Aufklärung durch die Freimaurer fanden zu Beginn des 19.Jahrhunderts auch Widerhall in unserer Gegend, jedoch mußten zunächst Schwierigkeiten und wiederholte Anfechtungen überwunden werden.
    Die Versammlungen fanden in den ersten Jahren in gemieteten Lokalen statt, bis es 1806 in Folge der Opferwilligkeit der Mitglieder gelang, durch den Ankauf des Roten Vorwerks bei Hohenstein ein eigens Heim zu beschaffen. Nach 10 jährigem Bestehen gehörten bereits fast 100 Mitglieder der jungen Loge an.
    Um diese Zeit begannen die Verhandlungen über die Mitwirkung zur Gründung eines sächsischen Logenbundes, welcher 1811 gegründet wurde und die Loge sich anschloß.

    Die Befreiungskriege (1813–1815) wirkten sich nachteilig auf die Entwicklung der Loge aus. Die Aufnahmen gingen zurück, der Logenbesuch lies zu wünschen übrig, denn die meisten Mitglieder wohnten außerhalb des Logensitzes, zumeist in Chemnitz. Auf diesem Umstand basierte 1822 der Beschluss, die Winterversammlungen in Chemnitz abzuhalten und zur Erleichterung der Geschäftsführung aus der Mitte den Chemnitzer Bruder Zeisig zu wählen.
    Diese neue Periode berechtigte zu neuen Hoffnungen. Man entschloß sich das schuldenbelastete Hohensteiner Logenhaus zu verkaufen und zukünftig alle Versammlungen in Chemnitz abzuhalten. Ab 1824 wurden in „Peters Bad“ an der Zwickauer Straße Räume gemietet und die Versammlungen abgehalten. Man firmierte von nun an unter der Bezeichnung „Orient von Hohenstein und Chemnitz“. 12 Jahre später wurde der Name „Hohenstein“ aus dem Namen getilgt.
    1843 schied der langjährige Bruder Carl Rahlenbeck als Meister aus, der rechtskundige Stadtrat Karl Wilhelm Zeisig aus Chemnitz übernahm das Amt. In dieser Zeit beschäftigte man sich erneut mit dem Bau eines eigenen Logenhauses, das nach Plänen des Bruders Gottlob Erler (Maurermeister und Architekt, Dresdnerstr.) entstand und am 25.März 1845 auf der Brauhausstraße 14 eingeweiht wurde.

    1847 erfolgt der Amtsantritt von Bruder Hermann Heinrich Eger. Der allgemeine Notstand, die die Unruhen 1848/49 brachten, wurden gemeistert, jedoch übte die im politischen Leben eingetretene Reaktion einen nachteiligen Einfluss auf das Logenleben aus. Bei der Staatsregierung ging gar ein Antrag zum Verbot der Freimaurerei ein. Die 50 jährige Jubelfeier nur deshalb nur im kleinen Kreis begangen werden. Die Loge zählte zu dieser Zeit ca. 150 Mitglieder. Erst Ende der 1850er Jahre tritt wieder eine Wandlung in der öffentlichen Meinung ein.

    1862 erhält der Logengarten eine Kegelbahn.
    Durch die stetig fortschreitende Zunahme sind 1867 bereits 200 Mitglieder zu verzeichnen, im gleichen Jahr tritt Bruder Eger gesundheitsbedingt ab. Ihm folgt Leopold Pickenhahn, der Druckereibesitzer, welcher sich mit großem Eifer ans Werk machte. Nach nur kurzer Amtszeit stirbt Pickenhahn 1870, das Vertrauen bei der nächsten Wahl erhält der Kaufmann Moritz Schanz. Mit den großen Ereignissen des Deutsch-Französischen Krieges erwachte auch in der „Harmonie“ eine reformatische Bewegung, die eine erfrischende und anregende Wirkung auf die Logenarbeit hatte. Zum 75.Stiftungsfest 1874 wird die Mitgliederschaft mit 250 angegeben. Auch die Wohltätigkeitspflege, die Errichtung neuer Stiftungen, gestaltete sich in diesen Jahren des wirtschaftlichen Aufschwunges ziemlich umfangreich. Ein Neubau wurde auch in Erwägung gezogen, man lies jedoch das Projekt fallen.
    1883 stirbt M.Schanz, Bruder Dr. phil. Moritz Pfalz, Professor am hiesigen Gymnasium, wird zum Meister vom Stuhl gewählt. Nach dessen Tod 1886 folgt Baumeister Oskar Ancke, der den ersten Hammer übernahm.

    Mitgliederverzeichnis und Arbeitsplan der Loge 1903-1904

    1903 verzeichnet man im Mitgliederverzeichnis unter der damaligen Leitung des Meisters Georg Ludwig Friedrich über 300 dienende Brüder, dazu kommen 38 permanent besuchende Mitglieder.
    Wichtige Unternehmer, Personen des öffentlichen Lebens und der Stadtverwaltung, die die Entwicklung der Industriestadt Chemnitz prägten, finden wir in der Aufstellung. Unter Ihnen sind Namen wie Paul Hübschmann, Direktor der Sächsischen Maschinenfabrik, Möbelfabrikant Oskar Rother, Buchdruckereibesitzer Ernst Tetzner, Otto Weißenberger (Direktor des Chemn. Bankvereins, später auch Vorsitzender des Chemnitzer Vereins für Luftfahrt) u.a.
    In der Generalversammlung am 17.April 1904 wird der längst erhoffte und geplante Neubau beschlossen und der Abbruch sofort vorgenommen.
    Während dieser Arbeiten 1904/1905 fanden die Treffen der Loge im Hotel Carola statt.
    Die Freimaurer-Loge „Zur Harmonie“ weihte am 2. Juli 1905 mit einer feierliche Zeremonie den repräsentativen Neubau auf dem Areal Annen- und Brauhausstraße ein, im Beisein zahlreicher städtischer und auswärtiger Prominenz.
    Das Logen-Haus inmitten einer gärtnerischen Anlage war ein Meisterwerk moderner Baukunst im Stil nordischer Backsteinbauten. Rings um das Gebäude, dessen Vorderfront der Annenstraße zugewandt war, verlief ein grüner Streifenfries, „das Sinnbild der Hoffnung und der Freundschaft, die alle diejenigen umschließen sollen, die in dem Haus ein- und ausgehen“. Die Putzflächen waren mit Scarfitto-Malerei verziert, welche das Freimaurertum versinnbildlichte. An der Brauhausstraße war eine Terrasse, an der Annenstraße eine große Veranda vorgebaut.

    Bis 1909 ist G.Friedrich Meister der Loge, ihm folgen in kurzen Abständen mehrere Nachfolger. Neben den langjährigen Stiftungen (1899 waren 14 verzeichnet), die eine Vielzahl von Institutionen bedachte, u.a. die Kleinkinderbewahranstalt, betrieb die Loge auch befristete karitative Einrichtungen. Nach Ausbruch des 1.Weltkrieges eröffnete die „Harmonie“ im Festsaal des Logengebäude ein Lazarett, das vom Chemnitzer Augenarzt und Freimaurer Dr. Velhagen geleitet wurde. Bis August 1917 konnten so 481 Frontsoldaten medizinisch versorgt werden. Ab 1917  bis mindestens 1924 finden wir den Kaufmann Ernst Richard Schneider als amtierenden Meister vom Stuhl.
    Die 20er Jahren bescherten der Loge auf Grund der politischen Verunsicherung und der Sehnsucht nach Geborgenheit im Zirkel Gleichgesinnter noch einmal einen enormen Aufschwung, die Neuaufnahme musste reglementiert werden.
    Die Freimaurer wurden 1935 durch das nationalsozialistische Regime verboten und ihr Eigentum konfisziert. In den Räumen des Logen-Hauses richteten die Nazis ein sogenanntes „Sächsisches Logen-Museum“ ein, das am 12. Juli 1936 eröffnet wurde. Die Demagogie der Nazis zeigte durchaus Wirkung, um von dem Freimaurertum ein Feindbild des „undeutschen internationalen Geheimbundes als Verderber des deutschen Volkes“ zu vermitteln. Etwa eine Million Menschen sollen die Ausstellung besucht haben.

    Am 5. März 1945 fiel das Logen-Haus dem Bombenhagel auf die Stadt Chemnitz zum Opfer. Auf seinem Terrain wurde 1950 die heutige Annenschule errichtet. In deren Aula erfolgte am 28. April 1991 unter Teilnahme von Vertretern in und ausländischer Logen die Lichteinbringung und damit die Reaktivierung der Chemnitzer St.-Johannis-Loge „Zur Harmonie“.

    (Quellen: Festschrift zur hundertjährigen Jubel-Feier der g. u. v. St. Johannis-Loge „Zur Harmonie“ im Or. Chemnitz am 11. Mai 1899, zu finden unter SLUB-Dresden.de; Freimaurerzeitung Nr. 31, 5.August 1899; Dresdner Hefte 4/2000 „Die Verschwörung zum Guten – Freimaurerei in Sachsen“, darin Artikel von U. Fiedler S.63ff.; Artikel von W.Bausch in FP 2005; Heft „Auf historischen Museumspfaden – Reitbahnviertel“)

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