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Die Radrennbahn in Chemnitz-Altendorf

    Das rege Interesse für den Radrennsport Anfang des 20. Jahrhunderts lies die Schaffung einer grosszügigen Rennbahn mit Sportplatz ratsam erscheinen. Der Sportverein Chemnitz, der das Gelände in Altendorf käuflich erwarb, arrangierte die Rennen aufs beste und immer weitere Kreise wurden dem Sport gewonnen. Mit der neu sich bildenden Sportplatzgesellschaft wurden Verhandlungen angebahnt, da der Sportbetrieb Erweiterung verlangte, und der Sportverein trat seine Lizenz an die Sportplatzgesellschaft ab; dieser Gesellschaft verdankt Chemnitz seinen mustergültigen Sportplatz.

    Im Chemnitzer Adressbuch von 1910 ist diese Sportplatz GmbH mit Sitz in der Limbacher Straße 193, Geschäftsführer Ernst Emil Kunath, erstmals genannt.

    „Nun, Herr Rütt *, wie gefällt Ihnen der Chemnitzer Sportplatz?” Mit diesen Worten begrüsste ich den bekannten Meisterfahrer bei seinem ersten Start in Chemnitz. Der Sechstage-König erwiderte: „Grossartig! Es ist der beste Sportplatz, den ich im In- und Auslande kennen gelernt habe.“ In der Tat, Rütt hat recht, und alle Fahrer, die in Chemnitz gestartet sind, werden sein Urteil unterschreiben: Der Chemnitzer Sportplatz ist der beste der Welt! Bis heute wenigstens ist er nicht übertroffen. (* Walter Rütt galt damals als einer der bester Sprinter der Welt, gewann mehrere Sechstage-Rennen und wurde 1913 Weltmeister.)

    Die Strassenbahn bringt uns vom Mittelpunkt der Stadt in kaum zehn Minuten nach dem Stadtteil Altendorf, dem „Sportviertel“. Beim Betreten des Sportplatzes grüsst uns links das erzgebirgische Dörfchen mit seinen im heimischen Baustile gehaltenen Gebäuden, die speziell bei Ausstellungen als Vergnügungspark Verwendung finden. Zur Linken gewahren wir einen mit Kähnen und Schwänen belebten Teich, an dessen Rande ein freundliches Spreewaldhäuschen zum Verweilen und zur Erholung einladet. Das Auge des Besuchers wird angenehm berührt durch grüne Rasenflächen, die von wohlgepflegten gärtnerischen Anlagen, bepflanzt mit duftenden und leuchtenden Kindern Floras, unterbrochen werden. Tennisplätze und Spielplätze für die Fussballer sind den gärtnerischen Anlagen in glücklicher Weise eingefügt. Im Hintergrunde gewahrt man die grosse Ausstellungshalle, die bei einem Flächenraum von 4000 qm für 10 000 Personen Raum bietet. In der Hauptsache ist die Halle zur Abhaltung von Ausstellungen bestimmt, aber auch für sportliche Veranstaltungen, wie Ringkampfkonkurrenzen und Sechstage-Rennen, sehr geeignet. Doch uns und die Leser des Sport-Albums interessiert in erster Linie die Radrennbahn, über die man schon soviel Lobenswertes gehört hat.

    Mit dem schmucken Tribünenrestaurant und dem sauberen Zementbelag macht die Bahn wirklich einen bestechenden Eindruck. Die Chemnitzer 500 m-Bahn wurde von dem bekannten Rennbahnkonstrukteur Edmund Hellner, Dresden, auf Grund reicher Erfahrungen erbaut. Die Fahrsicherheit ist auf allen Punkten, sowohl in den Kurven wie an den Längsseiten, dieselbe. Auch auf die Beschaffenheit des Zements wurde grosser Wert gelegt. Um ein Ausgleiten der Räder zu verhindern, darf der Zement nicht zu glatt sein; damit er aber andererseits sich nicht als Reifenfresser unangenehm bemerkbar macht, muss allzugrosse Rauheit vermieden werden. Diese Vorbedingungen für ein erfolgreiches Fahren treffen für die Chemnitzer Bahn in vollem Umfange zu. Der Zuschauerraum fasst unter normalen Verhältnissen 28 000 Personen, die Tribünen sind für 12-1300 Sitzplätze eingerichtet. Von besonderem Vorteil ist, dass die Bahn von allen Plätzen aus bequem zu übersehen ist. Im Erdgeschoss des Tribünenrestaurants befindet sich ein Arzt- und Krankenzimmer, Kabinen für die Rennfahrer usw.
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    Es sind neun Kabinen für Steher und ein grosser Raum für Flieger vorhanden; letzterer fasst ca. 30 Personen, dazu Räder usw. Damit auch die Hygiene zu ihrem Recht komme, wurde ein Baderaum für die Rennfahrer angelegt. Ein Tunnel führt von den Kabinen in den Innenraum der Rennbahn. Das teilweise gefährliche Ueberschreiten der Rennbahn fällt also fort. Vor den Tribünen befindet sich das Zielrichterhäuschen, denen sich die Plätze für die Vertreter der Presse unmittelbar anschliessen. Den Herren von der Feder ist somit Gelegenheit geboten, stets Fühlung mit den Preisrichtern zu haben. Der Innenraum der Rennbahn ist dem Fussballspiel und dem Pferdesport dienstbar gemacht und der Kampagne-Reiterverein Chemnitz hat bereits mehrere Concours hippiques hier veranstaltet. Die Eröffnung der Chemnitzer Bahn bedeutete ein grosses sportliches Ereignis für die ganze Stadt. Nach Tausenden zählten die Radrennbesucher, die aus nah und fern zum Eröffnungsmeeting herbeigeeilt waren. Ein glänzender Preis- und Blumenkorso, an dem sich 21 Vereine beteiligten, leitete die Rennbahnweihe ein. Dann kämpften die Helden vom Zement um den Eröffnungspreis. Es war eine Lust, zuzusehen, wie die Fahrer auf dem 500 m langen und 10 m breiten Fahrband in stürmischer und doch so sicherer Fahrweise dahinzogen. Seltene Gäste konnte man bei dem sportlichen Ereignis begrüssen; Vertreter der städtischen Kollegien, sowie viele staatliche Behörden fanden sich ein. Seit Eröffnung des schönen Sportplatzes haben hervorragende Rennen in Chemnitz stattgefunden; fast alle Fahrer von Ruf sind hier gestartet, und der Radsport feierte so durch die Eröffnung der Bahn in Chemnitz einen neuen Triumph.

    Am 17.Oktober 1909 wurde der Sportplatz offiziell mit einem Renntag eingeweiht. Im Stundenrennen gewann Schulze mit 85,3 km gefahrener Distanz, 2. wurde Rosenlöcher mit 84,9 km, 3.Ebert 25 Runden zurück, Hall gab auf. Im Flieger-Rennen (Sprint) ereignete sich ein Massensturz, wobei der Berliner Vogt schwere Verletzungen erlitt. (Quelle: Neues Wiener Tageblatt 18.10.1909). Über die weiteren Rennen an diesem Tag gibt es keine Resultate.

    Wie es auf der Chemnitzer Bahn weiterging erfahrt ihr im nächsten Artikel.

    Artikel von August Apcke – Chemnitz – für das „Sportalbum der Radwelt 1912“ – aus der Sammlung von Eric Lindon (www.lindon.us)