Vor genau 90 Jahren war Chemnitz in den Genuss gekommen, wie nur wenige Städte in Deutschland, das Mini-Luftschiff DPN 28 begrüßen zu können. Schauen wir auf dessen kurze Geschichte zurück:
Die durch den Bau der Parseval-Luftschiffe bekannt gewordene Luft-Fahrzeug-Gesellschaft in Bitterfeld verlagerte nach dem ersten Weltkrieg ihre Luftschiffbau-Abteilung von Mitteldeutschland nach Seddin bei Stolp (Slupsk) in Hinterpommern. Die dort ab 1927 als Wasser- und Luft-Fahrzeug GmbH weitergeführte Firma baute im Auftrag der Deutschen Luftschiffgesellschaft in Berlin in den Jahren 1929 bis 1932 drei kleine Reklameluftschiffe der Konstruktion Parseval-Naatz. Die halbstarre Konstruktion in Tropfenform stammte von Dipl.-Ing. Naatz, einem ehemaligen Mitarbeiter August Parsevals. Parseval konstruierte bereits schon seit 1901 Luftschiffe.
Die Technische Daten: Länge: 39,5 m – Max. Durchmesser: 10,5 m – Volumen: 1800 m³ – Antrieb: 1x 59 kW/80PS Siemens Halske 13 Motor – Steighöhe: 1000 m – Max. Geschwindigkeit: 80 Km/h – Nutzlast bis 600kg.
Konzipiert war das Luftschiff, da es auf der Stelle schweben konnte, als möglicher Beobachtungsposten, für Aufgaben der Landesvermessung und Luftbildbildfotografie, zur Schädlingsbekämpfung und ähnlichem. Mit 1 Piloten und max. 4 Passagieren war es vorerst aber zu Reklamezwecken und zu kleinen Rundflügen unterwegs.
Das Luftschiff DPN 28 unternahm seine erste Fahrt am 12. Juli 1929 von Stettin nach Berlin unter dem Namen Trumpf und führte anschließend zahlreiche Fahrten für den Schokoladenhersteller auch über Mitteldeutschland aus.
Ab dem 07. August 1929 weilte das Luftschiff in Dresden, am 15. August setzte es seine Reise nach Chemnitz fort. Der Reporter der Chemnitzer Neuesten Nachrichten war vor Ort und berichtete am darauffolgenden Tag den Lesern:
„Gestern, kurz nach 10 Uhr, gab es einige Aufregung in Chemnitz: in den Straßen blieben die Leute stehen, und die in den Häusern waren, stürzten ans Fenster: Alles wollte den „Zeppelin“ sehen, der am Himmel erschienen war über die Stadt zum Landungsplatz segelte. Also schnell in ein Auto und zum Flughafen! Die Wettfahrt verlief günstig: Das Luftschiff wollte gerade niedergehen, als das Auto oben in der Stollberger Straße angekommen war. Es bedarf doch allerhand technischer Formalitäten, ehe solch ein Luftschiff, und sei es nur eines in Miniaturausgabe, auf der Erde platz genommen hat. Ein Ankermast ist bereitgestellt, das Ankertau wird ausgeworfen, und mit einer Winde kurbeln zwei Männer das Fahrzeug hernieder. Hinten werden schwere eiserne Ketten drangehängt, und da eine erfreuliche Windstille herrscht, schwebt das Schiff nach einigem Hin und Her ziemlich ruhig über dem Erdboden, so daß die 3 Insassen aussteigen können. Großaufnahme: Begrüßung und freudiger Empfang. Dann hält der Kapitän einen kleinen technischen Vortrag über das Schiff. Ich bin kein Fachmann und gebe daher die Fachausdrücke weiter, ohne Gewähr dafür, mit ihnen richtig zu jonglieren. Also, es ist ein „Prallluftschiff“, ein halbstarrer „Parseval“, der durch den inneren Gasdruck seine Form erhält…
Ich steige hinein in die Gondel und sehe mir, mit hoffentlich gut gemimten Kennerblick, die Sache von innen an. Groß ist die Gondel wirklich nicht. Bei 4 Leuten ist sie, genau genommen, schon voll, und wenn mehr mitwollen, so müssten diese sich außenbords auf eine noch anzubringende Veranda setzen. Irgendwelche Nebenräume fehlen völlig. Am hinteren Ende führt eine kleine Treppe hinauf in den Bauch des Luftschiffes. Wenn man wollte und vor etwaigen Ölflecken im Anzug nicht zurückschaudern würde, könnte man hinaufsteigen und den Laufgang entlanggehen, von wo aus allerhand Hebel und Leinen zu betätigen sind. Auch in der Gondel sind natürlich vielerlei Steuerräder und Mechanismen. „Luft ein!“ – „Luft aus!“ – „Wasserhose“ – und so weiter und so weiter, alle diese Dinge, die ein Laie, ungeachtet des technischen Zeitalters, nie begreift. Der Kapitän hat Durst und geht in das Flughafenrestaurant. Recht hat er. Ich vermute, in der Luftschiffgondel besteht die kalte Küche einschließlich aller Getränke höchstens aus einigen Pfefferminzplätzchen.
Die Menge vor der Barriere freut sich. Es ist zwar nicht das große Luftschiff, von dem die Welt spricht und sämtliche Funkstunden plaudern, doch es ist immerhin ein Luftschiff (Anm.: Gleichzeitig war der „Zeppelin LZ 127“ auf Weltfahrt nach Tokio). Zum Flughafen hinaus bewegt sich eine kleine Völkerwanderung. Jeder möchte das Fahrzeug sehen, jeder einmal im Prallschiff fahren! „Zeppelin“ ist Trumpf… W.R.“
Noch bis zum Montag, den 19. August konnte man den Parseval DPN 28 auf dem Chemnitzer Flughafen bestaunen, ehe er seine Reise nach Leipzig fortsetzte, weitere Ziele seiner Tour waren u.a. Mannheim und Köln.
Am 22. September 1929 um 1 Uhr früh wurde das Kleinluftschiff, das seit 2 Wochen am Hamburger Flughafen stationiert war, durch einen Sturm stark beschädigt. Obwohl man frühzeitig Haltemannschaften alarmiert hatte, um den Stößen, denen der an einem kleinen Mast verankerte Ballonkörper ausgesetzt war, zu begegnen, wurde das Heck von einer heftigen Böe so sehr auf den Boden gedrückt, daß es brach. Eine gebrochene Strebe durchstieß die Hülle am Bug und der Sturm riß das entstandene Loch schnell auf, der ganze Ballon sackte in sich zusammen. Die Steuerung und die Gondel wurden beschädigt, der Kiel war geknickt. Das Luftschiff mußte anschließend in die Werft zurückgebracht werden, in der es wahrscheinlich nicht mehr aufgebaut wurde. Eine kurze Technikgeschichte ging zu Ende.
(Quellen: Chemnitzer Neueste Nachrichten, Ausgabe vom 16.8.1929 – diverse Ausgaben der Sächs.Volkszeitung zu finden unter SLUB-Dresden.de)