Zum Inhalt springen

Eisenbahnunglück in Siegmar-Reichenbrand

    Eisenbahnunglück in Siegmar 1912
    die Güterzuglok 5-achsig Baureihe XI V liegt auf der Seite

    In unmittelbarer Nähe der Eisenbahnbrücke zwischen Siegmar und Reichenbrand ereignete sich am 21. November 1912, es war ein Donnerstagvormittag, gegen 10:30 Uhr ein Eisenbahnunglück. Auf der Eisenbahnstrecke Chemnitz-Zwickau liefen schon längere Zeit Erweiterungsarbeiten. Dieser Ausbau war notwendig geworden, weil der starke Zugverkehr dieser Hauptstrecke die alte Strecke vor ihre Belastungsgrenze brachte. Mehrmals stündlich rollten, neben den Personenzügen, die schweren Güterzüge, zur Versorgung der aufstrebenden Chemnitzer Industrie, u.a. aus dem Lugau – Oelsnitzer Steinkohlenrevier durch den Chemnitzer Westen.

    Die an dieser Stelle bisher nur zweigleisige Brücke über die Hofer Straße, wie die Zwickauer Straße damals an dieser Stelle noch hieß, wurde für den viergleisigen Betrieb ausgebaut und dementsprechend mußte auch der Bahndamm eine Verbreitung erfahren. Bereits während des Sommers 1911 wurden zu diesem Zwecke nach der Reichenbrander Seite zu etwa 6 Meter Erdreich angeschüttet. Das abnorm schlechte und regnerische Wetter dieses Sommers beeinträchtigte eine feste Lagerung des Erdreichs und die dringend notwendige Verdichtung wesentlich, so daß man mit der Probebelastung und Befahrung des Dammes, schon länger als ursprünglich vorgesehen, wartete.

    Eisenbahnunglück in Siegmar 1912
    Die Unfallstelle, wir blicken Richtung Bahnhof Siegmar stadteinwärts

    An diesem Tag sollte der Betrieb erstmals über die neuerbauten Teile der Brücke und den neuen Damm hinweggeleitet werden, um auch die alten Träger und Gleise der alten Brücke auswechseln zu können. Daher wurde an diesem Vormittag eine Probebefahrung des neuen Brücken und Dammteiles mit einer der schwersten Lokomotiven vorgenommen. Diese hatte man von den Hilbersdorfer Werkstätten angefordert. Die schwere Maschine mit vollbeladenem Tender passierte zuerst problemlos die Brücke. Bei der Rückfahrt aber, als die Maschine auf den neuen Damm kam, gab aber das durchweichte Erdreich nach, die Maschine neigte nach der Seite, kippte um und rutschte, auf der Seite liegend, den Bahndamm hinab, infolge ihrer ungeheuren Last in tiefer Furche das Erdreich mit sich nehmend. Der Heizer namens Lorenz rettete sich durch Abspringen und kam ohne Schaden davon, während der Lokomotivführer Dost, der ebenfalls absprang, einen Oberschenkelbruch erlitt. Man vermutete zuerst, daß infolge der weichen Erdmasse, die Maschine keinen wesentlichen Schaden genommen habe.

    Eisenbahnunglück in Siegmar 1912
    Zeichnung aus dem Chemnitzer Tageblatt vom 23.11.1912 zum Unglück

    Während des ganzen Nachmittags umstanden zahlreiche Schaulustige die Stelle des Unfalls und bestaunten die riesenhafte, noch dampfende Maschine die, die Räder schräg nach oben, wie ein gewaltiger niedergebrochener Koloß dalag.

    Unmittelbar nach der Schadensfeststellung wurden Arbeiter der Hartmannschen Fabrik in Chemnitz angefordert. Die Maschine sollte zu Teilen abmontiert, dann gehoben und, wenn möglich, per Achse mit einem großen Transportwagen in der früher in Chemnitz von der Sächsischen Maschinenfabrik her oft beobachteten Weise (die bekannten Loktransporte) an die Stelle ihres Wiederaufbaus gebracht werden.

    An den darauffolgenden Tagen war die Unglücksstelle von vielen Tausenden Neugieriger besucht. Alle wollten die umgestürzte Lokomotive sehen, samt Tender lag sie noch. Eifrig arbeiteten, selbst am Sonntag, bis zu zwölf Mann an der Unfallstelle. Eiligst wurden die schweren Hilfsmittel besorgt. Baldmöglichst sollte die Maschine vollständig geborgen werden. Am 4. Dezember, nur 13 Tage später, war die Lok vollständig demontiert: Der Tender war von der Zugmaschine getrennt worden und wieder auf die Gleise gehoben worden. Das Fahrgestell und der Kessel der Lok wurden auf Transportwagen zu den Sächsischen Eisenbahnwerkstätten nach Hilbersdorf transportiert. Dort sollte, wie geplant, die Lokomotive wieder repariert und zusammengebaut werden.

    Die ungefähre Unglücksstelle nahe des Radweges in Siegmar

    Es war als Glück im Unglück zu betrachten, das die dieser Mangel der Aufschüttung gleich bei der Probebelastung zutage kam. Wenn der Damm bereits im Betrieb gewesen wäre, etwa bei aufgehendem Frost im Frühjahr, hätte ein Unglück dieser Art viel gewaltigere Ausdehnung annehmen können.

    Bis zur Wiederherstellung des alten Gleiszustandes wurde der Verkehr eingleisig aufrechterhalten.

    (Quellen: Zeitungsauschnitte aus dem Chemnitzer Tageblatt, Dresdner Journal, Riesaer Tageblatt und Anzeiger aus dem November 1912, zu finden unter SLUB-Dresden.de; u.a.)