Chemnitz feiert Ende Mai 2025 ein bemerkenswertes Jubiläum: 100 Jahre Freibad Bernsdorf. Ursprünglich als „Wikingbad“ bekannt und von visionären Schwimmfreunden ins Leben gerufen, hat diese Institution Generationen von Chemnitzerinnen und Chemnitzern Erholung, sportliche Betätigung und unvergessliche Sommermomente beschert. Von seinen glorreichen Anfängen über kriegsbedingte Zerstörungen bis hin zur modernen Neuausrichtung als Schwimmsportkomplex – das Bad hat eine bewegte Geschichte geschrieben.
Die Ära des Wikingbades: Ein modernes Juwel entsteht

Schon vorher bestand an dieser Stelle eine Badeanstalt, das „Prinz Friedrich-August-Bad“, das ich bereits vorgestellt habe. 1921 ging das Gelände an den Kaufmann W. Werner über, 1924 erwarb es der Grundstücksinspektor Lothar Wassermann.
Die Geschichte des Bades begann offiziell mit dem ersten Spatenstich im Jahr 1923. Am 29. Mai 1925 öffnete das Wikingbad, an der Bernsdorfer Straße nahe der Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 3 gelegen, erstmals seine Pforten, gefolgt von einer feierlichen Einweihung am 13. Juni 1925, bei der symbolisch die „Wiking-Eiche“ gepflanzt wurde. Betreiber war zunächst der 1908 gegründete „Volkstümliche Schwimmverein Wiking E.V. Chemnitz“, der große Mittel aufbot, um eine hochmoderne Anlage zu schaffen. Noch 1925 konnte das Bad vom Verein vollständig übernommen werden. 1926 trug es die Bezeichnung Chemnitzer Schwimmstadion „Wiking“ im Adressbuch.
Zum ganzjährig geöffneten 35.000 qm großen Badbereich gehörte auch das modern eingerichtete „Kur-Restaurant”, das Platz für 800 Gäste bot. Von der Veranda aus hatte man einen direkten Blick auf das Schwimmbecken. In den Sommermonaten lockten Konzerte und Modenschauen zusätzlich Besucher an. Der erste Besitzer war ab 1926 Herr Max Hofmann.
Der Schwimmverein „Wiking“ wurde im Juli 1926 mit der Durchführung der Sächsischen Landesmeisterschaften der Turnerschwimmer betraut – das erste sportliche Großereignis im Wikingbad, weitere sollten folgen. Die Zahl von 175.000 Badegästen im Jahr 1926 verdeutlicht das enorme Interesse an dieser großzügigen Freizeitanlage. Das Becken stand im Winter auch als Eislaufbahn und Wintersportgelände den Chemnitzern zur Verfügung.
Im August 1927 und 1928 konnte man den Wasserzirkus „Nassarani“ begrüßen, dessen humoristische Vorführungen jeweils 5.000 Zuschauer verfolgten.

Ende der 1920er Jahre musste auch der Verein Tribut zollen: Die Wirtschaftskrise und die zunehmende Erwerbslosigkeit machten ihm zu schaffen. Geldnot verhinderte die Teilnahme an auswärtigen Wettkämpfen und führte zu sinkenden Besucherzahlen im Vereinsbad. Zu spüren bekam das auch der Pächter Max Hofmann. Am 27. Oktober 1928 wurde das gerichtliche Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses gegen ihn eröffnet, erst 1930 konnte die neue Bewirtung durch Fleischermeister O. M. Müller aus Altchemnitz bekannt gegeben werden.
Ein Lichtblick in dieser Zeit sollten die Austragung der Schwimmwettkämpfe, die Wasserballspiele und die Wettbewerbe der Wasserspringer beim Sächsischen Landesturnfest 1930 in Chemnitz werden. Für alle Festteilnehmer wurden Vorzugskarten für den Eintritt ins Wikingbad für -,20 RM einschließlich Garderobe ausgegeben.
Im Bäderführer 1933 pries man das Wikingbad als „erstes, ganz modernes Sommerbad von Chemnitz“. Das Herzstück war das imposante Bade- und Schwimmbecken mit 2.000 qm Wasserfläche, 100 Metern Länge und einer variablen Tiefe von 0,80 bis 3,40 Metern, das bei Bedarf in eine sportgerechte 50-m-Bahn unterteilt werden konnte. Gespeist teils mit Zufluss-, teils mit Leitungswasser, das häufig erneuert wurde, bot es eine durchschnittliche Temperatur von 19°C. Eine moderne Sprunganlage mit 1- und 3-Meter-Brettern sowie einer 5-Meter-Plattform, Waschräume mit Brausen und ein Siebverteiler für sauberes Wasser zeugten vom hohen Standard zur damalige Zeit.
Besonders beeindruckend war der Turn- und Spielplatz mit 25.000 qm, inklusive Luft- und Spielwiese, Turngerüsten und einer Leichtathletikanlage. Auch eine Wasserballspieleinrichtung fehlte nicht. Das schmucke Gelände mit Gartenanlagen, großen Wirtschafts- und Garderobengebäuden (Kapazität für ca. 7.000 Personen) und einem Klubhaus für Vereinsmitglieder rundeten das Angebot ab. Das erstklassige Restaurant, fähig, über 10.000 Tagesbesucher zu versorgen, bot warme und kalte Speisen. Annehmlichkeiten wie bewachte Parkplätze, Konzerte, Radio und eine 1930 errichtete Wasserrutschbahn machten das Bad zum Anziehungspunkt. 1932 waren es 130.000 Besucher. Der damalige Ausspruch „Man muß im Wikingbad gewesen sein, um mitreden zu können“ verdeutlichte seinen Stellenwert.
Am 8. Mai 1933 wurde das Dach der Damengarderobe durch den Gewittersturm weggerissen, 2 Frauen erlittenen Verletzungen.
Ab Anfang 1934 stand das Bad unter Zwangsverwaltung, der „Volkstümliche Schwimmverein Wiking“ Chemnitz konnte seine Verbindlichkeiten nicht mehr aufbringen. Am 15. Januar 1934 wurde über das Vermögen des Vereins das Konkursverfahren eröffnet. Am 30. März 1936 erwarb die Stadt das Bad für 102.000 RM aus der Konkursmasse des Schwimmvereins und stellte es dem Verein pachtweise zur Verfügung. In diesem Jahr übernahm M. Vogel die Gastwirtschaft im Wikingbad. Der Schwimmverein „Wiking“, dessen Konkursverfahren am 19. Juni 1936 aufgehoben wurde, blieb aber weiterhin aktiv und zählte mit seinen Schwimmern und Wasserballern zu den Besten Sachsens. Am 2. und 3. Juli 1938 fanden in Chemnitz Gruppenwettkämpfe der SA statt, bei denen die Schwimmwettkämpfe und die Wasserballspiele im Wikingbad ausgetragen wurden.
Von 1938 bis 1944 pachtete Richard Peter, bereits seit 1930 auch Bademeister hier, die Gastwirtschaft.
Während des Zweiten Weltkriegs ging die sportliche Aktivität in den Vereinen immer mehr zurück. Das Bad bot jedoch weiterhin einen würdigen Rahmen für verschiedene Veranstaltungen und Wettkämpfe, wie die Sächsischen Landesmeisterschaften der Wasserballer am 30. Juli 1942, und war eine willkommene Abwechslung für die Chemnitzer Bevölkerung in den nicht einfachen Kriegszeiten.
Die Entwicklung vom Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zum modernen Schwimmsportkomplex wird im zweiten Teil meiner historischen Aufarbeitung beschrieben.
(Quellen u.a.: Adressbücher der Stadt Chemnitz und verschiedene Ausschnitte sächsischer Tageszeitungen zu finden unter SLUB-Dresden.de; Informationen aus dem Reichsanzeiger; Bäderführer Chemnitz 1933; Artikel aus der Freien Presse Chemnitz; Aufnahmen aus der Sammlung Chemnitzer Hobbyhistoriker; Verwaltungsberichte der Stadt Chemnitz)