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Frischborn-Siedlung Einst und heute

    In meinem letzten Beitrag „Gruss aus Borna“ hatte ich in einer Gegenüberstellung schon Ansichten aus der Frischborn-Siedlung früher und heute gezeigt. Ausführlich möchte jetzt ihre Entstehung mit heutigen Drohnenaufnahmen kombinieren, damit auch die ganze Siedlung optisch und geschichtlich vorgestellt wird.

    Die Vorarbeiten für diese Siedlung begannen bereits am Anfang des Jahres 1926. Die Idee dahinter war, Kriegsbeschädigten und Familien mit vielen Kindern, die besonders unter der Wohnungsnot litten, ein gesundes und freundliches Zuhause zu bieten, in dem sie bis ans Ende ihres Lebens das häusliche Glück und die Zufriedenheit genießen können.

    Die Wünsche und Vorschläge für die Siedlung waren sehr unterschiedlich und die Platzfrage war schwierig zu lösen. Es galt, ein ruhiges Grundstück abseits des lärmenden und nervenaufreibenden Großstadtverkehrs zu finden, daß auch in seiner Lage der Grundidee der Siedlung und den finanziellen Gegebenheiten entsprach. Nach längerer, mühseliger Arbeit gelang es dem Grundstücksamt, ein diesen Zwecken entsprechendes Gelände im Stadtteil Borna zu erwerben. Dessen Lage, zwischen Louis-Otto-Straße, Röhrsdorfer (heutige Köthensdorfer) und Bornaer Straße — war in jeder Hinsicht äußerst glücklich zu nennen. Von der Haltestelle Louis-Otto-Straße der Straßenbahnlinie B (ab 1927 Linie 4), die seit 1902 die Leipziger Straße bis zur Flurgrenze Borna befuhr, war das Areal leicht zu erreichen. Es lag vor den Westwinden sehr geschützt und war frei von Ruß- und Rauchbelästigungen.

    Die städtischen Körperschaften beschlossen den Ankauf dieses Grundstücks zur Errichtung der Siedlung und veranlassten die erforderliche Aufteilung des Blocks. Die Architektenfirmen Curt am Ende, der auch an den Planungen zum Wissmannhof beteiligt war, und Jänichen & Puschmann erhielten den Auftrag, eine Planung zu erstellen. Im Rahmen der verfügbaren Mittel sollten die Gebäude den Bedürfnissen der damaligen Lebensbedingungen in jeder Hinsicht gerecht werden und dabei auch baulich das Bestmögliche leisten.

    Die am 4. Oktober 1922 gegründete und von der Allgemeinen Baugenossenschaft Chemnitz, den freien Gewerkschaften und der Stadt Chemnitz finanziell getragene Gemeinnützige Baugesellschaft setzte das Vorhaben mit vorwiegend Chemnitzer Firmen um. So finden wir das Baugeschäft Albin Siebert & Migge, Klosterquersr.11 und die Schlosserei Frauenfelder aus Hilbersdorf, die mit Ihren Ausführungen in der Siedlung warben.

    Heute zeigen uns die Einfamilienhäuser, die in Doppel- und Gruppenhäusern auf gesundheitlicher und wirtschaftlicher Grundlage errichtet worden sind, dass dieses Ziel erreicht wurde. Durch das abfallende, sonnige Gelände erzielen sie eine gute bauliche Wirkung.

    Das schwerste Hindernis der Verwirklichung bildete seinerzeit neben der wirtschaftlichen Lage der in Frage kommenden Siedler die Geldfrage – die Finanzierung. Die Siedler hatten außer den vom Staat bereitgestellten Darlehen, die nur eine geringe Ergänzung von viertausend Mark pro Haus darstellten, weder weiteres Fremd- noch Eigenkapital zur Verfügung. Der Hauptgeldgeber war die öffentliche Hand, die Stadt selbst. Obwohl das damals geltende Gesetz über Baudarlehen für Schwerkriegsbeschädigte vorsah, dass das Ergänzungsbaudarlehen nur den baulustigen Kriegsbeschädigten gewährt werden sollte, die einen Teil ihrer Rente kapitalisieren, gelang es dem Wohn- und Siedlungsamt nach Verhandlungen mit den zuständigen Stellen, eine Ausnahme dieser Bestimmung durchzusetzen. Trotz des Baus blieb den Schwerkriegsbeschädigten somit der Genuss ihrer Rente.

    Die Gesamtbodenfläche betrug etwa 85.000 Quadratmeter. Geplant war der Bau von insgesamt 259 Einfamilienhäusern in einem mit Straßen und Wegen durchzogenen Gelände. In der Mitte des Blocks sollte sich ein freier Platz mit einer Mehrfamilien-Vierhausgruppe erheben, in der Läden für den täglichen Bedarf vorgesehen waren. Bis Juni 1928 waren bereits 119 Eigenheime errichtet und 40 weitere in Angriff genommen worden.

    Die stolze Familie vor ihrem Heim, Am Rosenhag 57,1936

    Der Bau eines Normalhauses umfasste drei bis vier Zimmer, Küche mit Speisekammer, Bad, Wasserklosett, Keller und ein nichtausgebautes Dachgeschoß mit einer Wohnfläche von 72 Quadratmeter. Die Durchschnittsgröße eines Grundstückes betrug etwa 310 Quadratmeter, so daß den Siedlern genügend Gartenland zur Verfügung stand. Die meisten Häuser erhielten neben einen kleinen Vorgarten einen nach dem Garten gelegenen, erhöhten Sitzplatz, der direkt von der Küche aus zugängig sein sollte. Die Gesamtbaukosten betrugen einschließlich Grundstück und Straßenland pro Haus ungefähr 18.000 Mark.

    Jedem Siedler wurde nach Baufertigstellung das Grundstück käuflich überlassen, wobei jedoch die Eintragung eines Wiederverkaufsrechtes ausgehandelt wurde. Die Miete schwankte zwischen 40 und 45 Mk pro Monat, bei kinderreichen Familien mit mehr als sieben Kindern unter 17 Jahren zwischen 30 -35 Mk., je nach der Größe des Grundstücks, und errechnete sich auf Grund der nach der Ertragsberechnung sich ergebenden Lasten (aus Zinsen- und Tilgungsdienst, Instandhaltung, Abgaben usw.). Unter diesen Lasten befanden sich neben einem Betrag von 60 Mk. jährlich, der für größere Instandsetzungsarbeiten vorgesehen war und vom Grundstückseigentümer mit 35 Mk. monatlich auf ein verzinsliches Konto bei der Kreditstelle einzuzahlen war, eine weitere Summe von 80 Mk., die für Begleichung der auf dem Grundstück liegenden Lasten wie Wasserleitungs-, Entwässerungs-, Müllabfuhr-, Feuerschutz. Schornsteinkehr-, Brandversicherungsgebühren usw. zu verwenden war.

    Anspruch auf den Erwerb eines solchen Hauses in dieser Siedlung hatten in erster Linie Kriegsbeschädigte, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 bis 100 Prozent nachweisen konnten, verheiratet waren und eine Familie hatten, sowie reichsdeutsche Familien mit mindestens sechs in der Familiengemeinschaft lebenden Kindern, die das 17. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten.

    1929 musste die Stadt weitere Darlehen für die Finanzierung von 21 Häusern aufnehmen, aber auch die neuen Siedler konnten das geforderte Kapital teilweise nicht aufbringen, Zwangsvollstreckung war das bittere Ende für manchen Hausbesitzer. Um 1936 scheint der Bau der Siedlung soweit abgeschlossen.

    Bei einer Besichtigungsreise durch Chemnitz wurde am 21. Juli 1936 dem damaligen Reichsleiter der Deutschen Arbeitsfront, Dr. Robert Ley, die Frischborn-Siedlung als städtisches Vorzeigeobjekt präsentiert. „Er richtete alle Aufmerksamkeit auf die innere Ausstattung der Häuser, um sich von allen Einrichtungen ein klares Bild zu formen.“ So die Presse einen Tag später.

    Damit möchte ich die historische Betrachtung vorerst abschließen. Für Hinweise, die aus der nun fast 100jährigen Geschichte von Interesse sind, würde ich mich zur Ergänzung freuen. Nutzen Sie bitte dazu das Kontaktformular.

    Quellen u.a.: Bericht in den Chemnitzer Neuesten Nachrichte vom 28. Juni 1928; Buch „Chemnitz“ aus der Reihe Deutschlands Städtebau, Dari-Verlag, 1929; sowie weitere Artikel sächsischer Tageszeitungen zu finden unter SLUB-Dresden.de