Zu einem Osterspaziergang lud 1958 die HO-Wismut in die neue Gaststätte „Trabant“ in Siegmar ein. Für die Karl-Marx-Städter und die Bewohner Siegmars ein neues Domizil am Verkehrsknotenpunkt im westlichen Stadtteil. Viele kennen das Gebäude noch, erfahren aber wenig über die Entstehungsgeschichte davor und die Nutzung. Ich versuche das nachzuholen.
Ein gewisser Karl Friedrich Lasch war es, der damals an der Poststraße nach Zwickau an der neu entstandenen Straßenkreuzung zur Limbacher Chaussee (heute Zwickauer Straße/Oberfrohnaer Straße) im Jahre 1862 an der Stelle eines ehemaligen Gartengutes das dreigeschossige „Gasthaus zu Siegmar“ errichtete. Kurze Zeit später entstand in unmittelbarer Nähe auch die Bahnlinie mit dem Haltepunkt, später Bahnhof Siegmar.
Dieses Gasthaus verfügte über einen Tanzsaal, ein Bierrestaurant mit angebauter Veranda und eine größere Anzahl von Fremdenzimmern. Hinter dem Haus erbaute sein Besitzer 1884 eine Turnhalle, die Turner des Ortes wollte er als regelmäßige Gäste an sein Haus zu binden.
Der Nachfolger Laschs, August Lehrmann, plante im Jahre 1887 einen Ausbau des Gasthauses zu einem mit Arkaden versehenen Konzert- und Ball-Etablissement. Dieses Vorhaben war jedoch nicht zu verwirklichen.
Ende Juni 1904 verstarb Lehrmann mit 58 Jahren, seine Frau führte mit viel Eifer das Geschäft weiter. In der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg besuchten überwiegend ausländische Arbeiter aus der hiesigen Landwirtschaft das Gasthaus, weshalb ihm der Volksmund die Bezeichnung „böhmischer Gasthof“ verlieh. Auch danach fand die Einrichtung bei den ortsansässigen Bürgern relativ wenig Akzeptanz. Größtenteils wurde sie von Geschäfts- und Dienstreisenden genutzt.
Bis 1930 ist die Witwe Emma Lehrmann noch als Inhaberin in den Adressbüchern geführt. Ihr folgt bis 1932 Alban Engel. Dann gibt es das Gasthaus wohl nicht mehr, das schräg gegenüberliegende Bahnhofshotel hatte ihm den Rang abgelaufen.
Der Vorplatz des Bahnhofes hatte sich mittlerweile zu einem vielfrequentierten Umsteigeplatz entwickelt. Busse fuhren z.Bsp. ab 1928 über Neukirchen nach Altchemnitz, eine wichtige Querverbindung, die noch bis in die 80er Jahre bestand.
Am 2. März 1945 zerstörten Fliegerbomben den gesamten Gebäudekomplex des ehemaligen Gasthauses, der danach nicht wieder aufgebaut wurde. 27 Tote, zumeist Fremdarbeiter, die man dort unterbrachte, waren dabei zu beklagen.
Erst 1957/1958 errichtete die SDAG Wismut an gleicher Stelle ein dreigeschossiges Verwaltungsgebäude mit einer Gaststätte im Erdgeschoß
Am Ostersonnabend, den 5.April 1958, wurde das Gasthaus „Trabant“ eröffnet. Sie galt als „Großgaststätte mit besonderer Note und nach dem neuesten Erfahrungsstand der Gastronomie ausgestattet“ 220 Gäste hatten hier Platz. 1960/61 wurden in den beiden Obergeschossen das „Hotel Trabant“ eingerichtet.
Am 15.April 1962 wurde das Hotel mit 61 Betten, 35 davon in Einbettzimmern, offiziell eröffnet. Alle Zimmer besaßen fließend kaltes und warmes Wasser. Neu im Hotelwesen der DDR war die Einrichtung eines Kinderzimmers. Hotelgäste, die einen Stadtbummel machen wollten, konnten hier ihre Kinder unter Aufsicht zurücklassen. Als erste ausländische Gäste hatten sich 30 Bürger aus Ungarn angemeldet.
Nach und nach entwickelte sich ein gutgehendes Reise-Hotel, wohl häufig für die Gäste der in Siegmar beheimateten Wismut.
Ab den 1970er Jahren bis zur Wende gehörte es zum Wismut-Handel. Bereits ab 6 Uhr konnten die Durchreisenden ihr Frühstück einnehmen, außerdem fanden Sie ein reichhaltiges Angebot mit schmackhaften Speisen und Getränken vor. Mehrmals wöchentlich lud man in der Hotelgaststätte zu Tanzveranstaltungen ein, die sich bei der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreuten.
Nach der Wende fand sich, trotz der noch in den 1980er Jahren durchgeführten aufwendigen Rekonstruktionsmaßnahmen, kein weiterer Betreiber. Das ehemalige „Hotel Trabant“ an der Zwickauer Straße 452 diente 1995 noch als Sonderpostenmarkt. 1997 erfolgte durch den neuen Eigentümer, die Sparkasse, der Abriss. An dessen Stelle entstand ein multifunktionaler, architektonisch wenig anspruchsvoller Neubau, die „Trabant-Passage“, ohne Gaststätte, dafür mit Supermarkt, Arztpraxen, diversen Einzelhändlern und natürlich einer Zweigstelle der Sparkasse.
Quellen. U.a. Das Buch „Siegmar-Schönau – die Stadt vor der Stadt“ (Jörn Richter, Heiner Matthes, Verlag Heimatland Sachsen); Artikel aus der FP 2003 in der Reihe Heimatkunde, Autor: W.Bausch; Adressbücher der Stadt Chemnitz und diverse Tageszeitungen zu finden unter SLUB-Dresden.de; Vielen Dank auch an Patrick Lohse und Gert Kreiselmeier für die Bereitstellung ergänzender Materialien.