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Mythos Hartmannfabrik

    Seit gestern ist das neue Besucher- und Informationszentrum der Kulturhauptstadt 2025 GmbH in der Fabrikstraße eröffnet. Entsprechend groß war das Interesse, das Gebäude am Abend der offenen Tür kostenlos zu besichtigen.

    Bei einem kurzen Rundgang über die Galerie konnten sich die Besucher über das Geschaffene informieren und einen Eindruck von der Innengestaltung gewinnen. Denn von außen ist nur die gläserne Fassade an der Stirnseite von Interesse, die Ansicht von der Fabrikstraße aus wirkt einfallslos und erinnert an eine Justizvollzugsanstalt. Nur auf der Rückseite hat man sich die Mühe gemacht, die ursprüngliche Form der Rundbogenfenster in die Fassade zu integrieren, warum nur dort?

    Und gleich möchte ich den Mythos Hartmannfabrik ansprechen. Ich finde es mehr als bedauerlich, was wieder in allen Medien über die Firmengeschichte veröffentlicht wurde. Dieser noch vorhandene Teil des Gesamtwerkes der „Sächsischen Maschinenfabrik vormals Rich. Hartmann A.G.“, die bereits 1870 von Richard Hartmann selbst initiiert wurde, ist NICHT 1864 erbaut worden.

    Mein Beitrag zeigt Ausschnitte aus den Gesamtansichten der Firma, die belegen, dass das hier erhaltene Gebäude erst zwischen 1892 und 1900 errichtet wurde, eben von dieser Sächsischen Maschinenfabrik A.G. und nicht von Hartmann! Wieder einmal wird hier die Industriegeschichte oberflächlich behandelt. Keine Hinweise auf Umbauten, die dokumentarisch festgehalten sind, und den ursprünglichen Zustand des Gebäudes.  Das Planungsbüro muß doch entsprechende Unterlagen gesichtet haben, um das Gebäude bewerten zu können…! Was hat die Denkmalschutzbehörde bewertet?…es scheint allen gleichgültig zu sein.

    Und dann lese ich immer Hartmannwerke…! Dieser umgangssprachliche Begriff wurde erst ab 1930 geprägt und vor allem in der NS-Zeit verwendet, als nach der Liquidation der AG große Teile der Fabrikanlagen abgerissen wurden und die neuen Schloßteichanlagen als Vorzeigeobjekt entstanden. Ist sich die Kulturhauptstadt dessen bewusst? Schon damals als Reminiszenz an den großen Chemnitzer Industriellen, der bereits 1878 starb. Er gründete das Unternehmen am 13. März 1837, das als Geburtsdatum eines Industriewerkes zählt, das einstmals zu den namhaftesten und größten Unternehmungen Sachsens zählte. Die „Maschinenfabrik Richard Hartmann“, so die korrekte Bezeichnung, wurde 1842 gegründet, verbunden mit dem Umzug in die ehemalige Klostermühle. Nach einem Brand 1845 verlegte er die betroffenen Werkstätten an die damalige Leipziger Straße. Schrittweise erweiterte er hier zu beiden Seiten der Straße sein Unternehmen durch den Bau neuer Werkhallen und ließ sich ein Wohnhaus errichten.

    1930 erfolgte schließlich die Gründung einer Aktiengesellschaft zur Fortführung des Textilmaschinenbaus. Auch das Zweigwerk in der Fabrikstraße gehörte nun zur „Sächsischen Textilmaschinenfabrik vorm. Rich. Hartmann AG“.

    Soviel kurz zur Geschichte. Mehr dazu auch in den Berichten „125 Jahre Hartmannstraße 24“ und „Ein Denkmal für den Gründer“.

    Und die Lage der so genannten „Kulturhauptstadt-Zentrale“ ist eher bescheiden. Als Information wird suggeriert, dass der ankommende Tourist, der die Anreisemöglichkeiten mit Bus und Bahn nutzt, nach 15-20 Minuten Fußweg durch die Stadt dort alles Wissenswerte erfährt. Weil er am Hauptbahnhof sowieso kein Taxi bekommt … und die öffentlichen Verkehrsmittel ihn in der gleichen Zeit hinbringen …

    Nach dem Besuch des Informationszentrums muss der Tourist natürlich noch die weit verstreuten und verkehrstechnisch hervorragend ausgewählten Interventionsflächen erreichen… aber man schaut ja nach vorne…, so der optimistische Tenor nach einem Gespräch mit einem Beteiligten der Kulturhauptstadt GmbH. Man gesteht Fehler ein und lernt nicht daraus, wieder einmal ein deutliches Zeichen der Zeit, ebenso wie die bisher noch ungeklärte Nachnutzung des Objektes bis 2029. Die Stadt wird es schon bezahlen.

    Ich habe mir das am gestrigen Spätnachmittag natürlich nicht entgehen lassen und auch an der Möglichkeit der Besichtigung teilgenommen. Bildet Euch selbst Eure Meinung dazu…