Der Marmorpalast, gelegen an der Limbacher Straße im Chemnitzer Stadtteil Altendorf, war über Jahrzehnte hinweg ein zentraler Ort des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens, dessen wechselvolle Geschichte im Jahr 2013/2014 mit seinem endgültigen Abriss endete.

Die Ursprünge des imposanten Komplexes, der eine Fläche von nahezu 7.800 Quadratmetern umfasste und später unter Denkmalschutz stand, reichen bis ins Jahr 1869 zurück. Auf dem Grundstück eines in diesem Jahr abgebrannten Bauernguts Wünsche in der damals noch selbstständigen Landgemeinde Altendorf errichtete man nach einen Gasthof, um den steigenden Bedarf an repräsentativen Veranstaltungsräumen für „höhere Ansprüche“ gerecht zu werden. Bauherr war der Architekt Karl Zeh. Der Chemnitzer Restaurantbesitzer C. Rob. Herrmann pachtete das Gasthaus mit einer 30m langen Kegelbahn im Jahr 1875, das ab 1876 den Namen „Deutscher Hof“ trug. In den kommenden Jahren versuchten einige Wirte, den Gasthof mit wechselndem Erfolg weiterzubetreiben. 1877 ist Herm. Jul. Weiße Geschäftsführer, 1878 Osm. Edlich, 1879 wird Alb. Gerber als Gasthofbesitzer im Grundstück Altendorf 36D genannt. Ab 1880 ist Bruno Lorenz Besitzer des Gasthauses. Im Frühjahr 1883 lies er auf dem Grundstück einen Turnplatz für den Altendorfer Turnverein errichten. 1885 erfolgte ein Orchestereinbau nach Plänen des Architekten Paul Lemke und 1888 der Bau einer neuen Turnhalle. 1890 wird Heinrich Prost als Wirt genannt. In diesem Jahr hielt der Altendorfer Turnverein sein Fest zum 25jährigen Jubiläum der Fahnenweihe im Gasthofsaal und den freundlichen Restaurationsräumen ab, der schon damals mit einer Ausspanne, seinem hübschen Garten, seinen Kolonnaden und seiner Kegelbahn einen schönen Aufenthalt bot.
Nach dem Kauf durch Bernhard Oswald Müller im Jahr 1899, der auch das dahinter befindliche Land von der Gemeinde erwarb, erfuhr das Gebäude einen umfangreichen Um- und Ausbau. Nach der Eingemeindung Altendorfs mit damals 5.000 Einwohnern nach Chemnitz am 1. Juli 1900 erhielt das Grundstück Limbacher Str. 46 die Hausnummer 164 und den Namen „Marmorpalast“. Aufgrund der Stuckverzierungen im Inneren wurde es im Volksmund auch die „Gipskiste“ genannt.

Ab 1905 befand es sich im Besitz von Christoph Friedrich Lippold, der seit 1904 als Gastwirt agierte. 1914 ging es nach dessen Tod in den Besitz von Lippolds Erben und seit 1918 hieß der Besitzer und Wirt Ernst Böhm, der es zu neuem Glanz führte.
Der Marmorpalast avancierte schon frühzeitig zu einer der beliebtesten Stätten der Geselligkeit in der Region. Er beherbergte einen großen repräsentativen Ballsaal mit einem Deckengemälde und Kronleuchtern, mit einer Kapazität für bis zu 3.000 Personen, einen Gesellschaftssaal für 400 Gäste und einen Vereinssaal für 100 Personen. Seine Attraktivität wurde durch einen großen, schattigen Garten mit Kolonnaden, Kegelbahnen, einer Autogarage und einem Kinderspielplatz ergänzt. Trotz seiner Funktion als Vergnügungsstätte diente der Marmorpalast auch als Ort für bedeutende politische Kundgebungen, darunter jene des NS-Propagandachefs Joseph Goebbels am 17. November 1925, die in einer schweren Saalschlacht mit 75 Verletzten und einem Toten endete, sowie ein Auftritt Adolf Hitlers am 16. November 1927.
Auch die Veranstaltungen, über die oft berichtet wurde, waren vielfältig. Dazu zählten Boxwettkämpfe, Vereinsfeiern, Stiftungsfeste, Gedenkfeiern, Konzerte mit namhaften Orchestern sowie regelmäßige Tanzveranstaltungen.
Während des Zweiten Weltkriegs diente das Gebäude zunächst als Unterkunft für ausländische Zwangsarbeiter. 1943 entstand in dem Gebäude und dem Gelände ein Lager für französische und russische Zwangsarbeiter, die in den versorgungswichtigen Elektrizitäts- und Gaswerken eingesetzt wurden. Aufgrund der zunehmenden Zahl von Kriegsversehrten in Chemnitz wurde es noch im selben Jahr zum Reservelazarett umfunktioniert. Der Anbau einer Wirtschaftsküche Ende 1943 war die letzte bauliche Erweiterung vor Kriegsende. Sie diente der Verpflegung von bis zu 250 Personen.
Den Gebäudekomplex überführte man nach Kriegsende in die Treuhand der Stadt. Unmittelbar danach erfolgte ein bühnengerechter Umbau des Ballsaals, und der Marmorpalast wurde am 28. Oktober 1945 mit der Premiere des „Zigeunerbarons“ als Musiktheater und als Ausweichstätte und für das stark beschädigte Opernhaus mit 1.076 Plätzen neu eröffnet. Nur wenige Jahre später, am 8. März 1952, zog das Opernhaus aus, und das Gebäude erhielt den Namen „Operettenhaus“.
1958 wurden erhebliche bauliche Mängel sichtbar, ein Theaterbetrieb war auf Dauer nicht mehr vertretbar. 1959 erfolgte die Überführung in Volkseigentum. Im gleichen Jahr kam es zur Auferstehung des alten Namens „Marmorpalast“, eine HO-Gaststätte sorgte für das wohl der Altendorfer. Mit der letzten Vorstellung am 4. Juli 1963 verließ dann auch die Operette den Marmorpalast, den Städtischen Theatern diente es noch als Probenhaus und Fundus. Die Gasträume wurden ab 1967 von der Nationalitäten-Gaststätte „Slavia“ genutzt, die schließlich 1983 auszog.
Mit einer Abschiedsvorstellung der Städtischen Theater am 12. Mai 1996 wurde auch dieses Kapitel beendet. Nach dem Bezug der neuen Probenräume in der Treffurthstraße wurde das Haus an der Limbacher Straße 164 endgültig geschlossen. Seitdem wurde ein Investor bzw. Käufer für den Marmorpalast gesucht; danach begann sein schneller Verfall. Im Jahr 2005 bot die Stadt Chemnitz das denkmalgeschützte, aber stark sanierungsbedürftige Anwesen zum Verkauf an, was jedoch erfolglos blieb. 2010 stand es erneut zum Verkauf, doch seit Juni 2011 sicherte die Stadtverwaltung die Ruine, da von ihr Gefahr ausging, die Eigentümerin dazu jedoch nicht in der Lage sei.
Angesichts des fortschreitenden Verfalls der Ruine und nach einem Teileinsturz des Daches im Juni 2013, der die Bauaufsicht zum Handeln zwang, wurde entschieden, den Marmorpalast abzureißen. Vom 18. Juni bis zum 14. August 2014 erfolgte der endgültige Abriss. Trotz seines historischen Ranges endete damit die Existenz des einst prunkvollen Gebäudes.
Quellen: Bericht von Wolfgang Bausch, Freie Presse – 2005; Das Buch „Altendorf – Wolfsjägersiedlung, Klosterdorf Vorort, Stadtteil“ – 2012, vom Verlag Heimatland Sachsen; Beitrag „Der Marmorpalast – eine Altendorfer Institution“ von Chr. Kayser, erschienen in der Stadtteilzeitung Kasch, Heft 5/2013; Adressbücher der Vororte von Chemnitz, bis 1900 und danach die Chemnitzer Adressbücher, Ausschnitte und Annoncen versch. sächs. Tageszeitungen; zu finden unter SLUB-Dresden.de; u.a.