Neben der Reichspost entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts so genannte Dienstmann-Institute, die als Dienstleister im öffentlichen Raum oder in Haushalten zeitlich befristete Aufträge aller Art gegen Entgelt übernahmen. Hauptaufgaben waren der Transport von Stückgütern wie Koffern und Botendienste. Die ersten Dienstboten finden wir 1865 in Chemnitz.
Bereits zu Beginn des neuen Jahrhunderts entstanden in vielen deutschen Großstädten nach amerikanischem Vorbild Konkurrenzunternehmen, die „Messenger Boys“. Berlin, München, Hamburg und Leipzig sind hier zu nennen. Als „Rote Radler“ oder „Braune Radler“ sausten sie zwischen dem zunehmenden Autoverkehr durch die wachsenden Metropolen.
Im Jahre 1909 gründete Herr Arthur Zieger in Chemnitz unter der Firma „Messenger Boys – Chemnitzer Eilbote“ einen ebensolchen Botendienst zum Zwecke der Lokalbeförderung von Zeitungen, Vereinsnachrichten, Reklamen, Katalogen, Warenproben, Handpaketen, Abonnentenlisten, Mitgliederverzeichnissen, zur Verteilung von Drucksachen aller Art an bestimmte Geschäfts- und Gesellschaftskreise. Am 14. Mai 1909 wurde die Firma unter Blatt 6126 in das Handelsregister Chemnitz eingetragen.
Diese meist 10- bis 14-jährigen Jungen in schicker Uniform auf Fahrrädern oder Lastenrädern erledigten Botengänge aller Art, transportierten Pakete, Koffer usw. von und zur Bahn, übernahmen den Gepäcktransport von Bahnhof zu Bahnhof. Als „private Beförderungsanstalten“ nach dem Reichspostgesetz von 1899 war ihnen jedoch die Beförderung verschlossener Briefe untersagt. Dieses Monopol wollte sich die Reichspost nicht nehmen lassen.
Die damaligen Firmengründer erkannten das Potenzial des immer wichtiger werdenden Geschäftsverkehrs und boten mit dem „Eilboten-Institut“ die schnelle und sichere Beförderung von Briefen, Telegrammen, Einschreibe- und Wertsendungen zur und von der Post sowie die regelmäßige Leerung des Postfachs an. Auch Pferdedroschken und Taxis, die sich damals noch gemeinsam die Chemnitzer Straßen teilten, konnten telefonisch bestellt werden.
Weiter lesen wir in einem Inserat von 1909: „Sein Wirkungskreis ist jedoch noch lange nicht erschöpft. Der Messenger Boy besorgt Billets zu allen Theatern, Konzerten, Varietés im Vorverkauf und Abendkasse. Er erwartet nach Konzerten usw. den Besteller mit der Garderobe, besorgt Droschke oder begleitet nach Hause, zur Bahn und dergl. Er begleitet die alleinstehende Dame aus der Gesellschaft, Konzert, Theater nach Hause, führt Fremde in Chemnitz herum, zeigt Sehenswürdigkeiten und begleitet diese bei größeren Geschäftseinkäufen, indem er die Einkäufe zur Bahn, nach Hause oder ins Hotel schafft. In Erkrankungsfällen holt er auf telefonischen Anruf den Arzt etc., besorgt Rezepte und Arznei aus der Apotheke, leistet Aushilfsdienst bei Erkrankung des Haus- oder Geschäftspersonals. Er steht auch sofort zur Verfügung, wenn er nach einem Hotel, Restaurant, Kasino, Klub oder jedem Privathaushalt gerufen wird. Kurzum, der Messenger Boy erledigt alle Aufgaben, bei denen es mehr auf Intelligenz, schnelle und gewissenhafte Ausführung als Körperkraft ankommt.
Aus Vorhergesagtem ersehen wir die Zweckmäßigkeit und den immensen Wirkungskreis dieses interessanten Unternehmens und man ist geradezu überrascht über dessen umsichtige Leitung, welche ihre Funktionen präzise wie ein gutgehendes Uhrwerk ausübt. Auf telephonischen Anruf (Telephon 2121 und 2122) erscheint in wenigen Minuten ein uniformierter Bote, für dessen weitgehendste Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit die Geschäftsstelle volle Garantie leistet und der jeden Auftrag sofort erledigt.“
Das Büro der Messenger Boy – Co. befand sich 1909 zunächst noch in der Annaberger Str. 26, zog aber noch im gleichen Jahr in das Gebäude Neustädtischer Markt 18. Die Öffnungszeiten waren von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends. Ebenfalls Anfang 1909 entstand mit dem „Messenger Boy-Institut – Chemnitzer Blitzboten“ in der Reitbahnstraße 17 eine 2. gleichartige Institution.
Nach dem neuen Reichsgesetzblatt vom 17.11.1911 waren solche Betriebe ab diesem Jahr konzessionspflichtig, über den Bedarf entschied die örtliche Behörde. Franz Zieger kann sich mit seinem „Chemnitzer Eilboten-Institut“ am inzwischen umbenannten Königsplatz 1 noch bis 1914 halten, die „Blitzboten“ finden wir noch 1915 in der Lohstraße 23.
Der Erste Weltkrieg beendete diesen Geschäftszweig abrupt. Fahrräder wurden für militärische Zwecke requiriert und das Geschäftsleben auf das Notwendigste beschränkt. Nach dem Krieg wurden diese Konzessionen in Chemnitz nicht mehr vergeben. 1926 wurde die Firma schließlich aus dem Handelsregister gelöscht.
Erst in den 1990er Jahren versuchten Fahrradkuriere, diese Idee wiederzubeleben, jedoch nur mit anfänglichem Erfolg. Die digitale Datenübermittlung macht diese Art von Kurierdiensten fast überflüssig.
(Quellen: Deutsch-Englischer-Reise-Courier 1909/1910 – Adressbücher der Stadt Chemnitz zu finden unter SLUB-Dresden.de)
(Quellen: Deutsch-Englischer-Reise-Courier 1909/1910 – Adressbücher der Stadt Chemnitz zu finden unter SLUB-Dresden.de)