Am 2. Oktober 1910 veranstaltete die Chemnitzer „Allgemeine Zeitung“ erstmalig einen Parseval-Tag und lud dazu das 1909 fertigstellte Luftschiff „Parseval V“ ein. Das in Bitterfeld gebaute und stationierte Sportluftschiff war 39 m lang, hatte einen Durchmesser von 7,5 m und ein Gasvolumen von 1.200 (1.450) Kubikmetern.
Tageszeitungen wiesen im Vorfeld auf diese Großveranstaltung hin. Auf Grund es zu erwartenden Zuschauerandrangs setzte die Staatseisenbahn sogar Sonderzüge nach Chemnitz ein.
Zu diesem Ereignis schrieben die Dresdner Neuesten Nachrichten in Ihrer Ausgabe vom 03. Oktober 1910
„Parseval V hat gestern der Stadt Chemnitz einen Besuch abgestattet. Schon von den zeitigen Morgenstunden an wurde der Lenkballon von vielleicht 80.000 Menschen am Sportplatze erwartet. Aber das Luftschiff, geführt von Hauptmann a.D. Dinglinger, hatte mit heftigen Winde zu kämpfen und kam erst nachmittags hier an. In einer eleganten Schleifenfahrt in etwa 100 Meter Höhe überflog es die Stadt, um dann dem Sportplatze zuzusteuern. Auch hier manövrierte es vor der Landung, die glatt verlief, kurze Zeit. Die Insassen wurden von Oberbürgermeister Dr. Sturm, General v. Laffert und Anderen herzlich begrüßt. Parseval V ist heute 7 Uhr 58 Minuten vom Sportplatze Chemnitz-Altendorf aufgestiegen und hat die Richtung nach dem Bismarckturme eingeschlagen. Die Rückreise erfolgte auf der gleichen Route wie die Fahrt nach Chemnitz.“
Was diese Ereignis in der Chemnitzer Umgebung auslöste, können wir dieser Zeitungsmeldung vom 5. Oktober entnehmen:
„Hartmannsdorf: Als am Sonntag mittag der Parseval-Ballon über unseren Orte fuhr, wurde auf der Leipziger Straße, woselbst sich eine große Menschenmenge angesammelt hatte, von einem Auto ein Mann aus Mühlau überfahren. Außerdem sind mehrere Hunde von solchen Fahrzeugen überfahren worden. Es passierten die Chemnitzer Straße in ganz kurzer Zeit in der Richtung nach Chemnitz nicht weniger als 118 Autos und mehrere Hundert Fahrräder.“
Dieser Mann starb übrigens später an seinen Verletzungen.
Am 12. Oktober wurde von der beschwerlichen Rückfahrt wie folgt berichtet:
„Die Rückfahrt des Parseval-Luftschiffes von Chemnitz nach Bitterfeld am vorletzten Montag vormittag bezeichnet der Führer desselben, Hauptmann Dinglinger, als die schwerste aller seiner bisherigen Fahrten. Das Luftschiff hatte auf der ganzen Fahrt mit ungünstigem Wind zu kämpfen. Da namentlich in Höhen von über 100 Meter sehr starker böiger Wind herrschte, hielt sich das Luftschiff auf der Rückfahrt so tief als möglich. Der Wind, der nach Überfliegen von Burgstädt genau aus Westen wehte und an Heftigkeit noch zunahme, versuchte den P5 von der Fahrtrichtung abzutreiben, doch wurden alle noch so heftigen Böen von dem Luftschiff und seinem Führer überwunden. Westlich Abtnaundorf erwiesen sich die Böen, wie ein Fahrtteilnehmer der „Chemnitzer Allg. Ztg“ berichtet, zum ersten Mal überlegen, mehrere Male wird das Schiff abgetrieben, doch bekommt der Führer wieder Herrschaft über dem Wind. In dem ebenen Land fährt der Ballon ganz tief und auf diese Weise gelingt es, ganz langsam vorwärts zu kommen. Zeitweise geht ein leiser Sprühregen nieder und sorgenvoll erklärt der Führer, daß der Benzinvorrat bald zu Ende geht.
Als „P5“ schließlich Bitterfeld erreicht hat und die am weitesten nach Westen hinausgebaute Fabrik mit 6-7 hohen Essen, in dessen Nähe die Ballonhalle liegt, umfahren will, erfaßt eine gewaltige Böe das Schiff und wirft es wieder zurück, gerade auf die hohen Fabrikessen zu. Aber der Führer hat sein Luftschiff in der Hand, ein Druck an der Höhensteuerkurbel und steil steigt der „Parseval“ in die Höhe, im Nu sind wir über die Essen, auf der anderen Seite lassen wir uns sofort wieder fallen und können nun mit halbem Wind auf die Halle zufahren. Alle verfügbaren Leute, die unser kühnes Manöver beobachtet, sind auf die Beine gebracht, um uns bei der Landung zu helfen. Im letzten Augenblick droht uns noch das Verhängnis. Ehe die Taue recht ergriffen, stoppt der Motor, der Chauffeur meldet „Das Benzin ist alle“, und wir treiben von der Halle ab. Der Führer ruft den Leuten zu: „Festhalten!“ und wirklich, trotz des Windes und obwohl die an den Tauen hängenden Leute über einen Drahtzaun klettern, halb geschleift wurden, gelingt es, das Schiff zu halten und in den Schutz der Halle zu bringen.“
Die Stadt Chemnitz hatte also ihr erstes großes Luftfahrtereignis erhalten, das entsprechend gewürdigt wurde. Die Allgemeine Zeitung gab eine zehnteilige Postkartenserie heraus, die sie auszugsweise in diesem Beitrag finden.
Das Luftschiff selbst verbrannte bei Hannoversch-Münden infolge einer Explosion am 26. Juni 1911. Mehrere Personen erlitten Brandwunden, darunter drei schwere.
(Quellen: Dresdner Neueste Nachrichten, Sächsische Volkstimme, Burkhardtsdorfer Anzeiger, Oktober 1910)