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Volksbrausebad Oststraße

    Zur Verbesserung der hygienischen Verhältnisse im Bezug auf die Körperpflege entstanden am Anfang des vorigen Jahrhunderts die ersten Volksbrausebäder in den dichtbesiedelten Stadtteilen.
    Das 1900 entstandene 1.Bad am ehemaligen Friedrichplatz habe ich bereits in einem Artikel vorgestellt.

    Für die Stadtverwaltung war es naheliegend, auch für die auf dem Sonnenberg im Entstehen begriffenen Arbeiterviertel ein Volksbad an zentraler Stelle zu errichten.
    Stadtbaumeister Luthardt schlug der Platz an der Kreuzung Oststraße, Uferstraße, Martinstraße unmittelbar an der neuen Eisenbahnbrücke vor. Unter seiner Leitung entstand ein einfaches aber solides Gebäude: unterkellert, eingeschossig, mit Kalkmörtel verputzter Ziegelbau, das Satteldach mit Vollwalm und Biberschwanz-Eindeckung, die Fenster und Gebäudekanten mit Hilbersdorfer Porphyrtuffstein eingefasst.

    Das am 13.Juli 1903 eröffnete Brausebad an der Oststraße 16 hatte in Bau und Einrichtung rund 53.000 Mark gekostet. Das 11,30 m breite und 17m lange Gebäude erhielt einen 17 m hohen Schornstein zur Ableitung der Rauchgase der beiden Heizkessel. Die Wasserbereitung in Behältern von 750 und 2000 Liter lag im Dachgeschoß.

    Seltene Ansicht des Straßenbildes um dem Ostplatz mit Brausebad

    Die weitere Baubeschreibung liest sich so: „Es enthält eine Frauenabteilung mit Warteraum, drei Zellen und Abort, und eine Männerabteilung mit 12 Zellen, Warteraum und Abort. Letzter ist in 2 Räume mit je 6 Zellen und zugehörigem Heizkessel geteilt, so dass bei schwachem Betriebe 6 Zellen, bei vollem Betriebe 12 Zellen in Gebrauch genommen werden können. Die Kasse liegt zwischen den beiden Eingängen, die Heizung im Untergeschoß. Die die Zellen trennenden 2,25m hohen Zwischenwände sind aus 5,5 cm starken, auf beiden Seiten glasierten Ziegelsteinen hergestellt.“

    Das dringend notwendige Gebäude – war doch vorher das Waschen in den Häusern nur mit Schüssel oder Zinkbadewanne möglich – wurde sofort gut angenommen. Für 10 Pfennig konnte man sich Duschen. Öffnungszeiten waren täglich von 8-21 Uhr. Im halben Jahr 1903 besuchten ca. 25.500 Personen die Badeanstalt, 1904 waren es bereits 54.600, 1906 65.800 Personen, 1910 als Rekordjahr über 82.800 Einwohner. Ebenfalls 1906 wurde mit einem Bauaufwand von rund 2.900 Mark eine motorgetriebene Wäscherei im Kellergeschoß eingebaut. Der Fortschritt hielt auch hier Einzug, wie zahlreiche Einwohner den Sonnenberg als neues Wohnquartier fanden.

    Der 1. Weltkrieg mit seinen Auswirkungen wie Kohlenmangel zwangen die Stadtverwaltung das Bad, ebenso wie das am Friedrichplatz, mehrfach zu schließen. So im Jahre 1917 vom 2. Februar bis 30. März und vom 9. April bis 4. Mai. Der nächste Kriegswinter brachte strenge Fröste und Brennstoffmangel, ab 2. Februar 1918 war das Brausebad geschlossen. Wie alle anderen Bedürfnisse mußte auch die Körperhygiene in den Hintergrund treten.
    Die Brausebäder blieben in den nächsten Jahren weiterhin wichtig für weite Kreise der Bevölkerung und die öffentliche Gesundheitspflege. Bemittelte konnten sich jetzt Wohnungen oder sogar Villen mit eigenen Bädern leisten. Mittlere und unter Schichten mussten weiterhin mit den öffentlichen Einrichtungen vorlieb nehmen.
    In den 20er Jahren wurde nebenan auch noch eine öffentliche Bedürfnisanstalt errichtet.
    Den Zweiten Weltkrieg überstand das Brausebad mit wenigen Beschädigungen. Die Gebäudehülle war intakt, jedoch waren Kessel und Badeeinrichtungen mittlerweile verschwunden bzw. unbenutzbar. Zunächst gab es Bestrebungen die Badeanstalt wieder aufbauen, auch um das Stadtbad an der Mühlenstraße zu entlasten. Die erneute Nutzung als Wäscherei stand ebenfalls zur Debatte. Dazu kam es aber nicht, das Gebäude verfiel zusehends.
    Im Jahre 1952 fällte die Vermögensverwaltung der Stadt das endgültige Urteil über das Gebäude: „Der Zustand des alten Bades ist zurzeit derart, dass unserer Ansicht nach dem Abbruch nähergetreten werden muss.“ Im Juli 1952 wurde das Brausebad abgebrochen und die Fläche eingeebnet.

    (Quellen: „Der Sonnenberger“ Heft 3/2018 Artikel von Stephan Weingart; Berichte der Verwaltung der Stadt Chemnitz 1904-1922; Buch „Öffentliche Bade- und Schwimmanstalten“, Dr. Carl Wolf -1918; u.a.)