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Vom Hüttenstandort Chemnitz

    Schmelzhütte – Darstellung um 1500

    Der Bergmannsgruß „Glück auf!“ erklang frühzeitig wohl auch in unserer Stadt. War und ist doch Chemnitz von jeher „das Tor zum silbernen Erzgebirge!“

    Als gegen Ende des 12. Jahrhunderts in der Gegend um Freiberg Silbergänge gefunden wurden, ging allenthalben der Bergbau rasch vonstatten. Zahlreiche Bergstädte entstanden im 13. und 14. Jahrhundert, so Grünhain, Ehrenfriedersdorf, Geyer, Thum u.a. Selbstverständlich machte sich der aus dem Silber-, Zinn- und Kupferbergbau des Erzgebirges fließende Reichtum auch in Chemnitz bemerkbar. Auch in unmittelbarer Nähe war der Bergbau im Gange. Bei „Kleinalbertsdort“ (seit 1870 Kleinolbersdorf), war die St-Georgen-Zeche, eine Grube mit Silberausbeute im Jahre 1422 fündig geworden.

    Die nach Chemnitz aus Kleinolbersdorf und von Geyer, Ehrenfriedersdorf hereingebrachte „Ausbeute“ wurde in „Schmelzhütten“ verarbeitet. So erwuchs der Stadt in dem Betrieb von Saigerhütten und Kupferhämmern ein ganz neuer Industriezweig, während das bisherige, das machtvoll aufblühende Bleichereiwesen, das 1478 fast ganz in Stadtbesitz übergegangen war, allmählich nachließ und abnahm.

    Ein rühriger Chemnitzer Bürger, Nikel Tyle, der in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts wiederholt unter den „geschworenen Ratsherrn“ genannt wird, besaß schon 1462 Anteile an 7 Stollen und Bergwerken in Geyer. 1471 erhielt er samt seinen „Gesellschaftern“ für ihre errichtete Saigerhütte (Schmelzwerk) von den Landesherren die Betriebsgenehmigung, Rechte und Freiheiten.
    In dieser Saigerhütte sollte das Silber aus Kupfererzen gewonnen werden, sie befand sich unterhalb des Nikolaiberges, der seit jenem Unternehmen allgemein als „Hüttenberg“ bezeichnet wurde, der heutige Kapellenberg. Später stand an dieser Stelle die Beckersche Spinnerei, Straßburger Straße.

    Um 1470 etwa ist Ulrich Schütz nach Chemnitz übergesiedelt, hat hier die Tochter des schon erwähnten Ratsherrn Nikel Tyle gefreit und dann als erstaunlich vielseitiger und befähigter Mann an den verschiedenen industriellen Unternehmungen seines Schwiegervaters teilgenommen. C.W. Zöllner nennt Ulrich Schütz darum in seiner Abhandlung zur Geschichte der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz 1884 mit gutem Recht den ersten „Chemnitzer Großindustriellen“. Natürlich war er auch am Ehrenfriedersdorfer und Geyerschen Bergbau wesentlich beteiligt. Der Schützhofturm in Geyer erinnert heute noch an den unternehmungsmutigen Mann.

    Zwischen 1471 und 1479 übernahmen nach Tyles Tod Ulrich Schütz, dessen Bruder Johannes aus Nürnberg und ihr Schwager (Schwestermann) Martin Pauer aus Leipzig die Saigerhütte und betrieben sie bis 1488.

    Bereits 1477 hatte zudem Ulrich Schütz vor der Pforte (am Mühlgraben zwischen Theaterstraße und Chemnitz) an Stelle einer von den Bleichbesitzern gekauften Mahlmühle ein Hammerwerk errichtet. 1487 erwarb Schütz die Reisigmühle in der Aue und ließ im darauffolgendem Jahr an deren Stelle eine neue Saigerhütte erbauen. An dieser Stelle standen später die Beckersche Kattunfabrik, die Maschinenfabrik von Sondermann und Stier, bzw. die Fabrikanlagen der Firma „Zschimmer & Schwarz“ in der Beckerstraße 14, die den Teil des ehemaligen Vorwerkes und „Hüttenhofes“ als Verwaltungsgebäude nutzte. 1945 durch die Bombardierungen leider zerstört.

    Beckerstraße 14 im Vergleich 1935 und heute, links das 1945 zerstörte Verwaltungsgebäude der Fa. Zschimmer & Schwarz

    Aber auch an anderer Stelle im Chemnitztal wurden Erze verarbeitet.

    Agricola beschrieb das Hüttenwesen in seinem Buch „De Re Metallica“

    1493 besteht der Kupferhammer des „Ratsfreunds“ Jocoff „am Anger“ (an Stelle der ehemaligen Sächsischen Webstuhlfabrik). Der Rat zu Chemnitz gestattete zudem 1495 „Jocoff Kopperschmide“, ein Wehr in der Chemnitz „für seinen „Hammer und Kupfermühle“ zu errichten, gegen einen jährlichen Zins von 30 Groschen und unter den drei Bedingungen: die Ufer zu bauen, am Anger keinen Schaden zu tun, sich nicht an der Fischerei zu vergreifen. Dieser wurde 1640 nochmals erneuert und schon im nächsten Jahr veräußert.

    Nach dem Tode Ulrich Schützes, wenige Jahre nach 1500, gelangte die ehemalige Stangenmühle und die Tuchwacherwalkmühle in den Besitz seines Sohnes Hieronymus, die Saigerhütte und den Kupferhammer erhielten die Söhne und Gesellschafter nach einem am 18.Januar 1506 ausgestellten Bestätigungsbrief Herzog Georgs. Die eingegangene Tylesche Hütte überließen die Schützens 1512 dem Klosterabt, der das an der Altchemnitzer Grenze gelegene Anwesen an Lorenz Sorgenfrei in Chemnitz verkaufte.

    1525 erlangten die Söhne Johannes Schützes, Gregor und Marx, den Besitz der Saigerhütte und des Hammers und verkauften sie 1526 an Bartholomäus Welser und seine Gesellschaft in Augsburg. 1544 kaufte Hieronymus Schütz beide Eisenwerke zurück. Nach seinem Tod 1552 erhielten erst 1554 dessen Söhne Nikolaus, Ulrich, Eustachius, Asmus, Ernst und Markus Schütz den Lehnbrief der Kurfürsten Moritz und August, der den Besitz der Hütte und des Kupferhammers abermals bestätigte.

    1573 erwarb der Rat „der Saigerhütten Raum, inwendig und auswendig, samt desselben Gräserei, Geschnitte und Freiheiten“. Die Saigerhütte und der Hammer vor der Pforte waren schon länger außer Betrieb.

    Warum der Hüttenbetrieb einging, ist nicht mehr nachvollziehbar. Vielleicht war die Anlage ein Flutopfer, denn für das Jahr 1560 wird über eine große Wasserflut berichtet, bei der das Wasser mannshoch vor dem Klostertore bis zur Pforte stand, somit auch in der Aue beträchtlichen Schaden anrichtete. Ein Wiederaufbau schien nicht mehr praktikabel.

    Aber alles das war nur möglich, weil das Chemnitz um 1500 nicht nur als ein erzgebirgischer Hammer- und Hüttenplatz galt, sondern weil in der mauerumringten Stadt auch der Gewerbefleiß blühte und ein bedeutender Handelsbetrieb herrschte. Chemnitz erlebte auf der von Nürnberg über das Vogtland, Zwickau nach Dresden, Schlesien und Polen führenden Straße sowie auf der alten Böhmischen Straße (Prag-Leipzig) einen gewaltigen Durchfuhrverkehr. Nürnberger Kaufmannszüge von 20 bis 30 Wagen waren keine Seltenheit. Und wenn diese durch das Chemnitzer aber auch durch das Nikolaitor herein und zum Kloster- oder Johannistore hinauspolterten, dann mag es wohl oft als Gruß und Gegengruß der Zeit erklungen sein, der Berge uralt Zauberwort: „Glück auf!

    Der Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes der Fa. Zschimmer & Schwarz mit der 1933 angebrachten Erinnerungstafel, 1945 komplett zerstört (aus Erzgebirgs-Verkehr 1935/36)

    (Quellen: Beitrag „Aus Vergilbten Blättern“ Chemnitzer Tageszeitung 28.02.1942; „Die Schützeschen Unternehmungen im mittelalterlichen Chemnitz“ – Paul Uhle in Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte Band XXIV, 1925/26; Adressbuch der Stadt Chemnitz 1926; Aufsatz von A. Kramarczyk, „Die Kupfersaigerhütte des Ulrich Schütz in Chemnitz. Unternehmensge-
    schichte, Dokumentation, Perspektiven eines Bodendenkmal“, Chemnitz 2003; u.a.)