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150 Jahre Städtischer Friedhof

    Unzählige Chemnitzer, aber auch Fremde haben in seinem Erdenschoß ihre letzte Ruhestätte gefunden. Über Abertausenden von Gräbern wurde als letztes Wort die uralte Wahrheit gesprochen: „Erde zu Erde, Staub zu Staub“.

    Der Friedhof im Stadtplan 1889

    Am 24. April 1874 hatte der Rat der Stadt öffentlich bekanntgegeben, daß am 28. April der neue Friedhof am „Reichenhainer Wege“ eröffnet.

    In früheren Zeiten begruben die Chemnitzer ihre Toten, soweit sie „Standespersonen” waren, in der Stadtkirche zu St. Jakobi. Andere fanden auf dem angrenzenden Kirchhof, dem heutigen Jakobi-Kirchplatz, ihre letzte Ruhestätte. Die außerhalb der Stadtmauern Wohnenden wurden in der St. Johannis-Kirche begraben oder auf dem Johannisfriedhofe, dem jetzigen Park der Opfer des Faschismus, zur letzten Ruhe bestattet. Einige wenige Grabdenkmäler zeugen noch davon. Der mitten in der Stadt gelegene Jakobikirchhof wurde bereits im 15. Jahrhundert aufgehoben. Der Johannisfriedhof, auch die Johanniskirche „in der Vorstadt Kemnitz” wurden allgemeiner Bestattungsort, der auch den Dörfern Gablenz und Bernsdorf diente. Ja, die Johanniskirche hieß eine Zeitlang in amtlichen Urkunden sogar des „Rates Leichenkirche vor der Stadt”. Immer wieder war sein Areal entsprechend dem Wachstum der Stadt durch Zukauf neuer Grundstücke erweitert worden. Der Johannisfriedhof wurde bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund von Gesundheitsbedenken als unzulänglich erachtet. Dies wurde insbesondere deutlich, als im Kriegsjahr 1866 die Cholera in Chemnitz und auch in dem nach der Johannisgemeinde eingepfarrten Ort Bernsdorf grassierte und es somit als hochgradig gefährlich galt, Leichen, die ein hohes Ansteckungsrisiko bergen, mitten in der Stadt zu begraben.

    Es kam die Zeit, wo die werdende Großstadt Chemnitz das weite Friedhofsgelände mit ihren Straßen so weit umschlossen hatte, dass eine Erweiterung nicht mehr möglich war. So blieb nichts anderes übrig, als die Anlage eines neuen Friedhofes in Angriff zu nehmen.

    Situation mit den Erweiterungen im Stadtplan 1915

    Zur Eröffnungsfeier 1874 wurde berichtet:

    „So versammelten sich an diesem Tage, einem Dienstag, vormittags 9 Uhr, vor dem Friedhofshaupttor Rat und Stadtverordnete, der Königliche Bezirksarzt, die evangelische Geistlichkeit, der katholische und auch der deutsch-katholische Pfarrer, dazu die Kirchenvorstände und sonstige Geladene. Im Friedhofsinnern stand der städtische Friedhofsausschuss mit seinem Vorsitzenden, dem Stadtrat Anke, an der Spitze. Punkt 9 Uhr erscholl Glockengeläute von der Stadt her, und der mit der Verwaltung des neuen Friedhofes betraute Stadtrat Anke ließ das Haupttor öffnen und erklärte, daß der städtische Friedhof mit allen Gebäuden und Anlagen fertig sei. Dann übergab er das Ganze dem Vertreter der Stadtgemeinde, Während ein Posaunenchor die alte Begräbnisweise blies: ‚Alle Menschen müssen sterben, alles Fleisch vergeht wie Heu‘, schritt die Versammlung im feierlichen Zuge auf dem Hauptwege nach der Redehalle. Dort gab zunächst für den Ratsvorstand, der Vizebürgermeister Vetters (die von der Turn- nach der Wartburgstraße führende Querstraße ist nach ihm benannt), einen geschichtlichen Rückblick auf die Notwendigkeit und auf das Entstehen dieser den Anforderungen der Neuzeit entsprechenden Friedhofsanlage.“

    Der Rückblick stand unter der Spruchweisheit „Alles Ding hat seine Zeit!“. Die Zeit hatte sich am alten Johannisfriedhof an der Zschopauer Straße erfüllt.

    Das Eingangstor an der Reichenhainer Straße im ursprünglichen Zustand

    Schon 1864 beschäftigten sich Rat und Stadtverordnete mit der Anlage eines großen Gemeindefriedhofes. Zwei Plätze kamen in Betracht. Einmal das Bernsdorfer Stadtgut mit dem nach dem Reichenhainer Wege sich erstreckenden alten Exerzierplatz und sodann der Zeisigwald und ein Stück angrenzendes Hospitalfeld. Der durch die Schöpfung der Schloßteichanlagen bekannte Stadtrat Zipper wurde beauftragt, die nötigen Verhandlungen einzuleiten. Aus wirtschaftlichen Gründen beschlossen die städtischen Körperschaften, die Anlage nur eines großen Friedhofes und zwar auf dem alten Exerzierplatze hinter dem Bernsdorfer Stadtgute.

    Herr Ökonomieoberkommissar Münzner in Freiberg wurde mit der Erstellung eines Gutachtens über die Bodenbeschaffenheit des Platzes beauftragt, welches sehr günstig ausfiel. Im Weiteren empfahl Herr Münzner, das Grundstück zu drainieren, und er selbst wurde mit der Oberleitung der 3 Ellen tiefen Drainage beauftragt. Gleichzeitig wurden am 9. September 1870 Preise für Pläne zu einer Friedhofsanlage ausgeschrieben, und zwar 50 Reichsthaler. als erster, 30 Rth. als zweiter Preis. Von den nun eingegangenen Vorschlägen erhielt der Handelsgärtner Peters in Leipzig den ersten, der Architekt Hermann in Johanngeorgenstadt den zweiten Preis.

    In der Folge wurde aus den beiden vorliegenden Plänen ein dritter Entwurf erarbeitet, dessen Ausführung Herrn Peters übertragen wurde. Am 24. November traf man seitens der Kreisdirektion in Zwickau eine Entscheidung, welche den Widerspruch der Kirchenvorstände von St. Johannis und St. Jakobi gegen die Anlegung eines politischen Friedhofes der Stadtgemeinde berücksichtigte. Nachdem das sächsische Kultusministerium den Plan am 4. Mai 1871 genehmigt hatte, begannen zeitnah die Drainage- und gärtnerischen Arbeiten. Gleichzeitig wurden die Bauarbeiten an der Leichen- und Redehalle vorangetrieben. Letztere konnten jedoch aufgrund eines Mangels an Arbeitskräften in den Jahren 1872 und 1873 noch nicht abgeschlossen werden. Dies erfolgte erst im Frühjahr 1874.

    Eingangsbereich zum Krematorium

    Der Vizebürgermeister Vetters stellte nach diesem Rückblick neuen Gemeindefriedhof als städtisches Eigentum sämtlichen Religionsgemeinden ohne Unterschied des Bekenntnisses zur Verfügung. Unmittelbar an die schlichte Weihefeier schloß sich auch sofort die erste Beerdigung.

    Das erste Grab, das im neuen Friedhof bereitet wurde, war für eine am 25. April 1874 im 33. Lebensjahre verstorbene Ehefrau Emilie Rosalie Fiedler geb. Andrä bestimmt. Ihr Begräbnis erfolgte auf Kosten der Stadt und gestaltete sich, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, sehr feierlich. Die Verstorbene wurde am 28. April 1874, vormittags 9 Uhr, im vierspännigen städtischen Prunkleichenwagen von der Halle des alten Johannisfriedhofes nach dem neuen Friedhofe übergeführt. An der Beerdigung beteiligten sich auch die Zeugen der Eröffnungsfeier, darunter sämtliche Geistliche.

    Anlässlich des Jubiläums dürften noch einige Zahlen zur Nutzung und räumlichen Ausdehnung des Friedhofs von Interesse sein. Die Anzahl der Beerdigungen auf dem städtischen Friedhof belief sich im Jahr 1876 auf 2.700, im Jahr 1885 auf 3.000 und im Jahr 1895 auf 4.000. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass der Friedhof, obwohl er in ansehnlichen Größenverhältnissen angelegt war, räumlicher Vergrößerung bedurfte.

    Luftaufnahme um 1926 des westlichen Teiles rund um das Krematorium

    Bereits im Jahr 1885 wurde dem bis dato nahezu 100.000 m² umfassenden Friedhof eine Arealfläche von über 50.000 m² zugeschlagen. Dieser ersten Erweiterung folgte im Jahr 1890 eine zweite von über 16.000 m² und 1898 eine dritte mit einem Flächenzuschlag von über 81.000 m². Innerhalb der ersten 25 Jahre seines Bestehens wurden rund 80.000 Beerdigungen durchgeführt.

    Seit 1901 ziert auch die 4,10 m hohe Christus-Statue des Radebeuler Bildhauers Richard König den Friedhof zwischen Leichenhalle und Aussegnungshalle. Kunstsinnige Bürger und mehrere Kirchenvorstände der Stadt stellten damals die Mittel für den stimmungsvollen Schmuck zur Verfügung.

    Nachdem der 1885 gegründete Verein Feuerbestattung das Gelände des heutigen Urnenhaines westlich des „Reichenhainer Weges“ erworben hatte, konnte am 16.12.1905 der erste Spatenstich zum Bau des Krematoriums erfolgen, das genau 1 Jahr später seiner Bestimmung übergeben werden konnte. Zum 1. Januar 1910 ging diese Anlage in städtischen Besitz über. Der Urnenhain musste seit dieser Zeit bedeutend erweitert werden.

    Eine Fortsetzung dieser Aufzählung wäre möglich, doch überlasse ich dies der Chemnitzer Friedhofsverwaltung, die hoffentlich ebenso gebührend auf dieses Jubiläum eingeht.

    Hauptallee mit den Heldenehrenmalen um 1930

    (Quellen: Artikel vom 29. April 1899 – Generalanzeiger für Chemnitz; Bericht in der Allgemeinen Zeitung Chemnitz am 28. April.1934; Artikel in der Chemnitzer Tageszeitung 28. April.1944; Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte Band 17/1914; Bilder und Postkarten aus der Sammlung Chemnitzer Hobbyhistoriker; u.a.)