Zum Jahreswechsel 1918 waren die Verhältnisse auf Grund des noch andauernden 1.Weltkrieges und den Soldatenaufständen in unserer Gegend sehr unsicher und von Not und Leid geprägt. Allerorts waren Arbeiter- und Soldatenräte zur Aufrechterhaltung der Ordnung gebildet worden.
Brot, Eier, Mehl, Marmelade, Kartoffeln, Gries u.a. waren rationiert und gab es nur auf Lebensmittelmarken, Brennstoffe wie Petroleum zur Beleuchtung und Kohle wurde nur gegen Bezugsmarken abgegeben. Es bildete sich daraus resultierend ein Schleichhandel heraus. Nicht nur Lebensmittel, auch Bekleidungstücke, Schuhwerk und Möbelstücke wurden unter der Hand vertrieben und Wucherpreise verlangt. Auch gab es verstärkt Meldungen über Diebstähle von Vieh und Pferden bei der Landbevölkerung. Ein Zeichen, das Hunger vor nichts halt macht.
Diese Zeilen und Annoncen aus dem Burkhardtsdorfer Anzeiger vom Jahresübergang 1918/1919 geben die Stimmung ein wenig wieder:
Das Weihnachtswetter gestaltete sich recht angenehm, da die Erde von einer leichten Schneedecke überzogen war und etwas Frost eingetreten war. Freilich gute Schlittenbahn konnte noch nicht verzeichnet werden, wenn sich auch einzelne Pferdeschlitten hervorgewagt hatten. Nach den Feiertagen wurde aber die Witterung wieder mild und es stellte sich Regen ein, der durch seine Andauer die Flüsse merklich anschwellen ließ, sodaß sie schon am Sonntag, den 29. Dezember stellenweise die Betten gut füllten. Der sonstige Verlauf des Weihnachtsfestes glich dem in den verflossenen Kriegsjahren, nur mit dem Unterschied, daß zahlreiche Krieger wieder daheim in den Familien sein konnten.
Der Wechsel des alten Jahres mit dem neuen ist den Zeitverhältnissen entsprechend still vorübergegangen. Jeder Verständige wird auch die Lage viel zu ernst halten, als daß er sich jetzt an lauter Fröhlichkeit, ja gar an einem Vergnügen beteiligen könnte und möchte. Dieser Stimmung gab gleichsam auch das Geläut in der Neujahrsnacht beredten Ausdruck. Hat doch das alte Jahr so viel Hoffnungen zertrümmert, weiß doch niemand vom neuen und seinen Nachfolgern, ob sie den Keim zu neuem Aufstieg in sich bergen werden. Vielleicht hat so manches von uns in der Neujahrsnacht auch den Glanz der Christbäume, Pyramiden und Leuchter vermisst. Es war natürlich, daß er weggefallen war. Aber sein Fehlen war eben auch nicht nur eine Folge der vorausgegangenen Kriegsnöte, sondern ein Sinnbild der bestehenden Lage. Mag es uns bescheiden sein, in nicht zu ferner Zeit wieder unter freundlicheren Sternen zu leben und zu wirken!
Wohl dem, das wir heute in besseren Zeiten leben. Machen wir das Beste daraus!
(Quellen: Burkhardtsdorfer Anzeiger, Dezember 1918, Januar 1919)