Die Geschichte des Stadions an der Gellertstraße
ein Gastbeitrag von Frank Neubert
Die traditionsreiche Chemnitzer Sportstätte im Spiegel der 1990er und 2000er Jahre. Fortsetzung der bereits in 2 Teilen erschienenen Aufarbeitung.
Teil 3: Umzug ins Sportforum und zurück an die Gellertstraße
Mit dem Start in das vereinte Fußball-Deutschland im Sommer 1991 musste der Chemnitzer FC in das große, weite Sportforum in Bernsdorf umziehen, in dessen Rekonstruktion von der Stadt 5 Mio. DM investiert wurden. Die Zuschauerzahlen sprachen für sich, denn trotz zweiter Bundesliga sanken diese bis auf einen 3.000er Schnitt ab. Für den CFC war dies besonders schwerwiegend, denn neben durch die Wende wegfallende finanzielle Unterstützung fehlten nun auch noch die Zuschauereinnahmen. Dies wirkte sich ebenso auf den Kader, den Tabellenplatz und die Vereinsziele aus. Cheftrainer Hans Meyer überwarf sich u.a. auch deshalb 1993 mit dem Präsidium und ging. Eine in diese Zeit passende Aussage vom damaligen Chemnitzer OB Dr. Peter Seifert findet man im Programmheft vom 4. September 1994 (CFC – Hannover 96):
„Viele Fußballfans der Stadt konnten sich bis heute nicht daran gewöhnen, daß die Mannschaft im Sportforum spielt. Welche Chancen sehen Sie, die Fischerwiese für die Bundesliga auszubauen?
OB Seifert: Überhaupt keine. Das Stadion haben wir ja bekanntlich dem CFC per Erbpachtvertrag überschrieben. Alle Investitionen auf dem Gelände sind demnach vom Verein zu erbringen. Es wäre nicht vertretbar, wenn wir als Stadt eine zweite Fußballstätte mitfinanzieren. Abgesehen davon ist die Spielstätte für mich nicht das Entscheidende. In erster Linie muß guter Fußball geboten werden. Man sollte mit den Diskussionen um die Fischerwiese endlich aufhören, sie lenken nur ab.“
Aber es sollte anders kommen, denn nach der Saison 1995-96 gab es den tränenreichen Abstieg aus Liga 2, bei dem der Club mit 42 geholten Punkten einen neuen Negativ-Rekord aufstellte. Der einzige positive Aspekt am Abstieg war – es ging zurück an die Gellertstraße! Das Stadion wurde einer raschen Renovierung unterzogen, wo sowohl die Fans, Sponsoren und auch das Regionalliga-Team um Christoph Franke fleißig mit anpackten. Allerdings schaffte die alte „elektronische“ Anzeigetafel den Sprung in die neue Zeit nicht, sie wurde stillgelegt und vor die Fassungen der Glühlampen eine große Tafel angebracht, auf der nun der Spielstand von Hand eingeschoben werden konnte. Es sollte zum Kult werden. Das erste Spiel auf der renovierten Fischerwiese erfolgte am 11. August 1996 im DFB-Pokal gegen Waldhof Mannheim (0:1), und der damalige CFC-Präsident und Reha-aktiv-Chef Winfried Maier verkündete froh im Programmheft:
„Liebe Fußballfreunde, mit der heutigen Partie im Stadion an der Gellertstraße geht für viele unserer Anhänger ein an uns oft herangetragener Wunsch in Erfüllung. Die Himmelblauen sind wieder an die frühere Stätte ihres Wirkens zurückgekehrt. Und es waren auch unsere jungen Fans, die das mit ihren Arbeitseinsätzen erst ermöglichten. Wir möchten uns bei den mithelfenden Fans und den zahlreichen unterstützenden Handwerksbetrieben bedanken.“
Aber es sollte noch viel besser für die himmelblauen Fans kommen. Das Franke-Team stabilisierte sich, die Fans kamen wieder ins Stadion, und nach einer grandiosen Saison 1998-99 stand man plötzlich als Meister der Regionalliga Nordost fest. Vor ausverkauftem Haus (12.500 Zuschauer) schlug man in der anschließenden Relegation den Nordmeister VfL Osnabrück und kehrte in die 2. Bundesliga zurück! Großer Jubel in Chemnitz, und der wurde noch lauter, als festgelegt wurde – jetzt wird die Gellertstraße zweitligatauglich ausgebaut! Tschüß, Sportforum! Als Gesamtkosten wurden 3,5 Mio. DM veranschlagt. Praktischerweise war zu diesem Zeitpunkt Bauunternehmer Lutz Waszik der CFC-Präsident, das passte wie die Faust aufs Auge. In der Sommerpause 1999 wurde mächtig rangeklotzt und ein neuer Hauptzugang von der Gellertstraße, der Spielertunnel, VIP-Raum & Presseraum, eine Polizeibrücke und neue Kabinen für die Spieler errichtet. Der DFB nickte den 1. Bauabschnitt ab und somit konnte die Auftaktbegegnung gegen Borussia Mönchengladbach (2:0) vor ausverkaufter Hütte (12.251 Zuschauer) über die Bühne gehen.
Aber der DFB verlangte noch mehr: eine Flutlichtanlage. Auch dieser 2. Bauabschnitt wurde zügig in Angriff genommen. Es wurden Angebote eingeholt und schließlich die Firma Beling aus Wiesbaden mit der Errichtung beauftragt. Für die Premiere war das Herbst-Heimspiel gegen den 1. FC Köln auserkoren worden, welches als Livespiel im DSF vorgesehen war und zusätzliches Geld bringen sollte. Es klappte alles, zum ersten Mal erstrahlte am 22. November 1999 das altehrwürdige Stadion unter Flutlicht! Beim 1:3 gegen die Geißböcke zeigten die Franke-Schützlinge zwar noch ihre Schattenseite, aber nur elf Tage später wurden die neuen Strahler erneut angeknipst und dem Gegner Greuther Fürth mit 5:0 ordentlich heimgeleuchtet.
Die dritte geforderte Baumaßnahme betraf die Zuschauerkapazität, welche für die 2. Liga auf über 15.000 erhöht werden musste. Dies schaffte man durch den Einbau von Wellenbrechern in den Stehplätz-Blöcken. Nach deren Montage im Sommer 2000 besaß das Stadion ein rechnerisches Fassungsvermögen von 16.061 Zuschauern, welches aber, verbunden mit dem sportlichen Abstieg aus der 2. Bundesliga und 2006 sogar aus der Regionalliga nie ausgeschöpft wurde. Trotzdem sollte es noch einen neuen Rekord geben – aber davon später. Wir bleiben noch im Jahre 2001 und blicken auf das Stadion-Umfeld: Am 26. August 2001 wurde nach dem DFB-Pokal-Spiel gegen den 1. FC Köln (2:5), im alten Straßenbahndepot die „Fanhalle“ eröffnet – welche viele Jahre für alle himmelblauen Fans vor und nach dem Spiel der Fantreff Nummer Eins und das Domizil der Ultras Chemnitz 99 werden sollte.
Nach der Eröffnung der Fanhalle gab es erst einmal lange Zeit keinen Baulärm auf der Fischerwiese. Allerdings wehten sowohl 2006 als auch 2008 kräftige Stürme über Chemnitz hinweg, welche in beiden Fällen zu Schäden am Tribünendach führten. Dachpappen- und Schaumstoffteile von der Dämmung lagen im ganzen Stadion herum und mussten mühselig aufgesammelt werden.
Im Herbst 2008 berichtete die Freie Presse von neuen Plänen für die Fischerwiese. Das Stadiongelände war nun in das „Fördergebiet Sonnenberg“ einbezogen worden und es gab Zuschüsse von der Stadt und der Sächsischen Aufbaubank. Die unmittelbar hinter der Südkurve gelegene Gartensparte „Heidelberg“ sollte abgerissen werden, um an der Heinrich-Schütz-Straße einen neuen Haupteingang mit Vorplatz zu schaffen. Solche Pläne hatte es bereits zu DDR-Zeiten gegeben, wurden aber nie umgesetzt. Um dem neuen Eingang herum wurden auch neue Treppen, Kassenhäuschen und Sanitäranlagen geplant. Die Pläne wurden Anfang 2009 noch erweitert, denn nun kündete der CFC-Vorstand an, im Stadion sogar eine Rasenheizung mit Unterflur-Beregnungsanlage errichten zu wollen, um sich gegen zukünftige DFB-Anforderungen zu wappnen. Der Clou war dann noch eine Projektstudie vom Baubüro Erfurt, welche das Stadion mit vier überdachten Tribünen zeigte! Arbeitstitel: „Vision 2020“!
Ab März 2009 rückte man unter dem Motto „Rackern für den Club“ mit vielen freiwilligen Helfern der Gartensparte hinter der Südkurve zu Leibe. Im Laufe des Jahres entstand auf dem beräumten Areal der heute noch zu sehende, breite Eingangsbereich an der Heinrich-Schütz-Straße. Das Schrägdach über dem Eingang war der alten Haupttribüne nachempfundenen. Der neue Eingangsbereich wurde ohne größere Zeremonie am 13. Dezember 2009 zum Heimspiel gegen Wilhelmshaven in Betrieb genommen.
Damit im Sommer 2009 die geplante Rasenheizung eingebaut werden konnte, musste natürlich erst einmal der „heilige Rasen“ entfernt werden, welcher seit der Eröffnung von 1934 nie angefasst worden war. Nach dem letzten Heimspiel am 07. Juni 2009 gegen den 1. FC Magdeburg (1:1) konnte sich jeder Interessent ein Stückchen Rasen von 20×30 cm für 7 Euro frei ausstechen. Für den Anstoßpunkt waren zuvor bei ebay stolze 372,- € Erlös herausgekommen. In den nächsten Tagen rückten dann die Baufahrzeuge ein, die aus alten Spielfläche eine Mondlandschaft machten. Es folgte die Verlegung der Röhren für die Rasenheizung und die Auslegung derer Schlaufen. Dann wurde wieder planiert und letztlich ab 27. Juli 2009 der neue Rollrasen verlegt. Der wuchs brav an und schon am 15. August wurde auf neuem „Parkett“ der SV Babelsberg mit 2:1 besiegt. Im Block 3 und 4 gab es nun auch Toilettencontainer, die das freie Wildpinkeln hinter der Gegengeraden endlich beendeten.
Wir springen noch einmal zurück in den Sommer 2008: In dieser Zeit hatte man an die bereits bestehenden Wellenbrecher seitlich noch „Henkel“ angeschweißt. Es sah lustig aus, ergab aber den Sinn, dass diese sich nun überlappten. Die Kapazität das alten Stadions stieg damit auf sagenhafte 18.700 Plätze an. Und diese wurden plötzlich gebraucht. Denn in der Saison 2010-11 warf der CFC unter Chefcoach Gerd Schädlich in der ersten Runde des DFB-Pokals den FC St. Pauli mit 1:0 hinaus, und bekam den VfB Stuttgart als zweites Los. Am 27. Oktober 2010 drängten sich 17.145 Zuschauer im Oval (Heimblöcke: Ausverkauft!), welche auch die Führung durch Förster (73.) bejubelten, aber Stuttgart siegte in der Verlängerung mit 3:1. Egal, die Fans feierten das Team, und sie hatten zugleich den Nachwende-Zuschauerrekord für die Fiwi aufgestellt.
Diese Saison 2010-11 endete daheim mit dem glänzenden 1:0-Sieg gegen den eigentlichen Liga-Krösus RB Leipzig, der Club stieg hochverdient in die 3. Liga auf – und hatte gleich wieder ein Problem an der Backe: Vom DFB eine Lizenz für das nun 77 Jahre alte Stadion zu bekommen. Bei der Aufstiegsfeier auf dem Markt, wo sich die Mannschaft zusammen mit OB Barbara Ludwig auf dem Rathausbalkon zeigte, waren die Fan-Sprechchöre „Neues Stadion, Neues Stadion!“ nicht zu überhören. Und genau davon erzählen wir im 4. Teil unserer Geschichte…
(Quellen u.a.: CFC-Programmhefte; CFC-Fanpage; Freie Presse; Bilder aus der Sammlung von Frank Neubert)