Bereits im 2018 erschienenen Artikel hatte ich vom ersten Spatenstich des neuen Großstadthotels berichtet. Ebenso wie damals 2 Jahre Bauzeit sind seitdem verstrichen, Zeit das am 7.Oktober 1930 eröffnete neue Etablissement vorzustellen.
Die erfolgreichen Jahre vor dem 2. Weltkrieg
Die Bauarbeiten hatten sich auf Grund der allg. Wirtschaftskrise und Streiks der Bauarbeiter immer wieder verzögert. Avisiert war die Eröffnung für Frühjahr 1930. Jedoch erst am 15.März 1930 erfolgte die erstmalige Inbetriebnahme der Fernheizung seitens des Städtischen Elektrizitätswerkes Nordstraße, vorerst zur Austrocknung des Neubaus. Die Sommermonate nutzte man intensiv, die Innenausbauten voranzubringen und das Hotel einzurichten. Hauptauftragnehmer der Inneneinrichtung war dabei die Chemnitzer Firma Rother & Kunze, Firmensitz in der Kronenstraße, die bis zur Eröffnung am 7.Oktober 1930 das neue Hotel mit 164 Zimmern und 207 Betten, verteilt auf 3 Etagen, ausstattete.
Ein erstes Prospekt 1930/31 bringt zahlreiche Informationen zum Neubau:
„Gepflegt, mit ausgesuchtem Personal und erstklassiger Küche, bietet es allen Fremden ein Heim, das die Erwartungen in jeder Beziehung übertrifft. Die behaglich eingerichteten, zumeist vollkommen ruhig gelegenen Zimmer haben Staatstelefon, fließendes Wasser, Privattoilette und viele Privatbad. Für verwöhnte Reisende stehen in sich abgeschlossene Appartements zur Verfügung. Daneben bietet der CHEMNITZER HOF für jeden Unterkunft und Zeitvertreib. Ein architektonisch wundervolles Hotelrestaurant, ein Grillroom für schnelle Imbisse oder kurze Bargetränke, ein überaus gemütliches Bierrestaurant (Löwenbräu, Pilsner Urquell und Chemnitzer Schloßbiere), ein lichtes, im Sommer durch Terrassen erweitertes Kaffee, eine große Hotelhalle für Nachmittagstee, alle diese Einzelbetriebe sind hervorragend geleitet und besucht, ohne dabei die Ruhe des Hotel im geringsten zu stören. Konzert eigener Kapellen sorgt für Unterhaltung. Vollkommen vom Hotelberieb getrennt ist eine entzückende Tanzbar, in welcher auch die Chemnitzer Gesellschaft lebhaft aus- und eingeht. Alles ist zugeschnitten auf eine besondere Bequemlichkeit und Unterhaltung der Hotelgäste. Ein prächtiger Festsaal und Sitzungszimmer bieten Gelegenheit zur Abhaltung von Versammlungen, Konferenzen und Feierlichkeiten jeder Art.
Die hervorragende Architektur, sowohl des Baues als auch der Innenräume ist von Prof. Dr. Ing. h.c. Heinrich Straumer, Berlin, geschaffen. Das Unternehmen wurde von 300 Firmen aus der Chemnitzer Industrie in Form einer Aktiengesellschaft gegründet, um für die Geschäftsfreunde eine anziehende, würdige Unterkunft zu gewährleisten.
Die technischen Errungenschaften sind hervorragend. Das Lichtleitungsnetz weist eine Länge vom 50 km auf, 6000 Glühbirnen und 129 Motoren mit einer Leistung von 240 PS werden im Betrieb verwendet. 9 elektrische Aufzugsanlagen vermitteln den Verkehr von Personen und Lasten. Die Kühlanlage bedient 15 Kühlräume mit ungefähr 200qm Grundfläche. Das Personal beträgt 300 Personen…“
Die Anfang der 30er Jahre herrschende Rezession brachte permanent Geldsorgen mit sich. Durch die Herausgabe von Aktien versuchte man das Kapital der 1927 gegründeten AG zu erhöhen. In deren Aufsichtsrat saßen neben Bürgermeister Arlart auch Persönlichkeiten der Verwaltung wie Justizrat Moritz Beutler und Stadtbaurat Fred Otto sowie wohlhabende und engagierte Chemnitzer Großunternehmer, wie Hans Stickel, Carl Haubold, Oskar Freiher von Kohorn zu Kornegg, Fritz Vogel u.a.
Erster prominenter Gast war am 23. Januar 1931 Reichskanzler Brünning, der an diesem Wochenende vor der außerordentlichen Hauptversammlung des Verbandes sächsischer Industrieller in Chemnitz sprach. Er war wegen seiner Sparmaßnahmen zur Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre äußerst unbeliebt. In Chemnitz wurde er von Tausenden am Hauptbahnhof mit Nieder- und Pfuirufen empfangen. Am Chemnitzer Hof, seiner Unterkunft, mußte unter Einsatz berittener Polizei die Umgebung geräumt und mit einem starken Aufgebot gesichert werden.
Natürlich bot entsprechend auch die Küche immer das Beste, was man in Chemnitz bekommen konnte. Chefkoch Hermann Hubert Nolden arbeitete bis 1935 im Haus, über 80 Köche sollen angestellt gewesen sein. Nicht verwunderlich, nutzten doch viele Chemnitzer Großunternehmen das Hotel für ihre Feier- und Festlichkeiten.
So zum Beispiel die Auto-Union. Während der erfolgreichen Rennwagenära zwischen 1934-37 gab es nach jedem Sieg eine rauschende Feier im Chemnitzer Hof. Aber auch große städtische Empfänge und Bälle fanden in den Räumlichkeiten statt.
Zu den Personalien: Nachdem J.W.Doerrer den Bau und die Eröffnung des Hotels begleitete, übernimmt ab 1931 Hans Baumgarten-Ziesung den Posten des Hoteldirektors. 1934 taucht kurz Alfred Petry als Direktor auf, ehe ab 1935 Alfred Leupold gemeinsam mit Th. Graf bis 1940, später allein bis zum Kriegsende die Geschicke der Hotelführung übernimmt.
Neben dem Hotel waren im Erdgeschoß in den 30er und 40er Jahren einige Geschäfte eingemietet, die dem Haus bis zum Kriegsende am Theaterplatz 4 die Treue hielten. Die Zigarrenhandlung Johannes Kreisig, das Friseurgeschäft Hahn, das Reisebüro Hauptmann und die Buchhandlung Artur Mauritz zu Beginn der 30er Jahre, 1933 kommt ein Kraftwagen-Verleih-Institut (Alfred Schmidt) hinzu. Im gleichen Jahr wird der Platz umbenannt, er erhält zur Huldigung den Namen des Führers des Nationalsozialismus. Ab 1936 finden wir eine Autohandlung von Josef Simson im Adressbuch verzeichnet. 1939 wird die Buchhandlung an Bettenhausen und Sohn weitervermietet. Die Letzteren neben Kreisig bis 1944.
Der Krieg bis 1945 brachte immense Schäden in unserer Stadt, nur noch ca. 300 Hotelbetten waren, gegenüber 3600 Fremdenbetten davor, übrig geblieben. Der Chemnitzer Hof überstand es fast unbeschadet. Über die weitere Entwicklung informiere ich im nächsten Artikel.
(Quellen: u.a Heft Innendekoration 5/31, Prospekt zum Chemnitzer Hof 1931, Durlacher Tageblatt vom 24.1.1931; Adressbücher der Stadt Chemnitz zu finden unter SLUB-Dresden.de)