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Bismarckschlösschen

    Zu den ehemaligen Ausflugsgaststätten, neben den bereits vorgestellten Restaurant zum Wind, dem Waldschlößchen in Hilbersdorf und der Waldschänke im Zeisigwald, gehörte das, auf der die Gegend weit beherrschenden Röhrsdorfer Höhe bei Borna in 375m ü.M. gebaute, „Bismarkschlösschen“. Ein Blick auf die kurze, aber dennoch interessante Geschichte.

    Frühe Aufnahme um 1911 – im Hintergrund das Bismarckschlösschen

    Der 1902 gegründete Bismarckverein suchte zur Errichtung eines Bismarckturmes ein passendes Grundstück. Zum Turm selbst habe ich bereits in diesem Artikel berichtet.
    Der 1. Vorstand des Bismarckvereines, Oberfinanzrat a.D. Gustav Walther Ledig, war Besitzer einer Feldfläche auf der Bornaer Höhe, die er unentgeltlich zur Bebauung für den Turm zur Verfügung stellte. Zeitgleich gelang es ihm, direkt daneben 6.500 qm an den aus Borna stammenden Friedrich Ernst Linke zu verkaufen.

    Dieser errichtete ein Restaurant mit dem Namen „Bismarckschlösschen“, in dem ab 1903 erste Gäste einkehren konnten. Baumeister war die Chemnitzer Firma Max Weiske, Theaterstraße 43.
    Betrieben wurde sie zunächst als reine Sommerwirtschaft. D.h. nur in den für Ausflügler angenehmen Monaten (Mai-Oktober) wurde die Schankwirtschaft geöffnet, sie galt jedoch schon als lohnendes Ziel für Radsportler und Wanderer. 1907 verstarb der Gastwirt, seine Frau und die 5 Kinder betrieben das Lokal bis 1909 weiter, anschließend wurde es verpachtet.
    1913 wurde die Gemeinde Borna nach Chemnitz eingemeindet. Die Straße „Am Bismarckturm“ – vorher die „Bismarckstraße“ der Gemeinde – entstand, das Gebäude erhielt die Nummer 41.
    Wirt des im Besitz von Linkes Erben befindlichen Lokals war seinerzeit Herrmann Emil Heinze.

    Doch mit Beginn des 1. Weltkriegs und der resultierenden Mangelwirtschaft änderten sich die Verhältnisse. Heinze konnte es bis 1916 halten. Ihm folgte in den schweren Jahren Marie Lina Jahn als Schankwirtin. Keinem der Pächter war es in diesen Jahren möglich, den Gaststättenbetrieb kostendeckend zu führen. Die Gaststätte war mehrfach geschlossen.

    1919 kaufte Alfred Max Seidel das „Bismarckschlösschen“ von den Erben des ersten Besitzers, der Familie Linke.

    1921 hatte die Stadt Chemnitz ihre Verpflichtung aus dem Eingemeindungsvertrag erfüllt und die Straßenbahnlinie auf der Leipziger Straße bis zum „Grünen Hof“ (Abzweig Bornaer Straße) verlängert. Damit zog auch der Gastronomieumsatz stärker an. Modernisierungsmaßnahmen und Erweiterungsbauten folgten.

    Nach Gründung der Weimarer Republik und anfänglichen Schwierigkeiten setzte mit Überwindung der Inflation ab 1924 eine Zeit relativer Stabilität und wirtschaftlicher Erholung ein.
    In diesem Jahr entstanden auch zwischen dem nördlichen Rand des Crimmitschauer Waldes und der Varziner Straße (heute Max-Planck-Straße) die Parzellen des neu gegründeten „Gartenbauvereins Frischborn“ und an der Straße „Am Bismarckturm“ (heutige Friedrich-Schlöffel-Straße), waren mittlerweile fast alle Grundstücke verkauft. Neben ersten Einfamilienhäusern waren es meist Sommerwohnhäuser, die errichtet wurden. Im „Bismarkschlösschen“ auf der Bornaer Höhe, von den Chemnitzer schon lange als „Bismarckhöhe“ bezeichnet, freute man sich über neue regelmäßige Gäste und wachsende Besucherzahlen.
    Ab 1. Juli 1925 übernahm der Wirt Max Seidel auch die Verwaltung des Bismarckturmes pachtweise von der Stadt.

    Die neue Veranda – 1927-28 gebaut

    1927 erfolgte nach Plänen des Chemnitzer Architekten Erich Basarke der Anbau an die Gaststätte im „mediterranen Verandastil“, der pünktlich im Mai 1928 in Betrieb genommen werden konnte.

    Mit der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er/ Anfang der 30iger Jahre war wieder ein Tal zu durchschreiten, doch schon 1932/33 setzte die wirtschaftliche Besserung ein.
    Die Luftaufnahme aus der Mitte der 30Jahre zeigt die Dimension des erweiterten Areals, ein Spielplatz und ein großer Sommergarten, über 1.000 Personen fassend, waren entstanden.
    1934/35 entstand ein den Umfängen des Etablissements gerecht werdender Sanitärkomplex.

    Bis zum Kriegsende hatte die Gastwirtschaft unter der Leitung Seidels bestand, erst die einmarschierenden Amerikaner sorgten für die Zerstörung. Bei der Beschiessung des Bismarckturmes „als Geschenk an den Führer“ am 20.April 1945, wurde auch das „Bismarkschlösschen“ dreimal getroffen und brannte aus. Den Rest erledigten durchziehende Flüchtlinge und an Brenn- und Baustoff interessierte Chemnitzer Einwohner, die die Brandstätte plünderten. Nur die Grundmauern bleiben übrig.

    Ansicht der Waldeshöhe Anfang der 70er Jahre

    An einen Wiederaufbau war vorerst nicht zu denken.

    Doch findige Chemnitzer wollten das Ausflugsziel erhalten und so wurde auf dem Gelände der Auto-Union in Siegmar eine Baracke ab und auf der Bismarckhöhe wieder aufgebaut. Diese hieß dann schließlich – nach behördlicher Weisung – Gaststätte „Waldeshöhe“. 1963 übernahm Seidels Sohn Manfred mit seiner Frau den Gaststättenbetrieb, den sie bis 1982 führten. Das Ausflugsziel fand zu DDR-Zeiten wieder regen Zuspruch. Ab 1983 folgten 2 weitere Betreiber, 1994 wurde das Lokal geschlossen und schließlich wegen Baufälligkeit abgerissen. Heute kann man dort höchstens noch etwas vom ehemals lustigen Treiben erahnen, zu sehen ist von dem ehemaligen Ausflugsziel aber nichts mehr. Erst nach und nach wurde das Grundstück wieder urbar gemacht, mit dem Besitzübergang an Herrn Schütze wurden die heruntergekommenen Gebäudeteile umfangreich saniert.

    (Quellen: Beitrag im Chemnitzer Roland zur Geschichte des Bismarckturmes 09/2017; Beitrag im soeben erschienenen Heft „22.Mitteilungen aus dem Blankenauer Grund“; Vielen Dank an den Autor Roger Schütze (AG Blankenauer Grund) für die Unterstützung; Adressbücher der Stadt Chemnitz zu finden unter SLUB-Dresden.de, u.a.)