Zu den ersten Sehenswürdigkeiten der Stadt Chemnitz gehörte in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein Zoologischer Garten. Äußerst günstig gelegen, in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofes, konnte er auch während eines vorübergehenden Aufenthaltes besucht werden.
Dieser Zoologische Garten wurde mit einem Teil des sehr zahlreichen Leipziger Tierbestandes vorübergehend in Chemnitz aufgebaut. Erstmalig weilte die Ausstellung dort vom 13.September bis Ende Oktober 1924. Sie wurde im Garten des Gasthauses „Zur Linde“ eröffnet. Besitzer des Areals seinerzeit waren die Erben des ehemaligen Inhabers der Bergschlößchenbrauerei an der Zschopauer Straße, Wilhelm Gese.
Die Anlage hatte zwei Zugänge, einen von der Straße „Am Hauptbahnhof“ (heutige Bahnhofsstraße) und einen vom Theaterplatz (an der damaligen Königstraße) her. Die Tiere konnten jedoch nur zum kleinen Teil in bereits vorhandenen Räumlichkeiten untergebracht werden, so z. B. eine Affenherde in der Konzertmuschel und die Vögel in einem Gartenhäuschen. Für alle anderen Tiere mußten vorläufige Unterkunftsräume geschaffen werden. Die Raubtiere wurden teils in Wagen, teils in Kästen unter ein großes Zelt gesetzt, für viele andere Tiere wurden eine große Anzahl Kästen geliefert. Ein Terrarium und Aquarium wurden in einem zweckentsprechenden Holzbau errichtet. Eine große Bodenvertiefung diente als Seelöwen-Becken. Für Hirsche, Wildschafe, Büffel, Kamele und andere große Säugetiere wurden Gehege angelegt und als Stelzvogel-Wiese ein Riesen-Rundteil eingerichtet. Für die Vorführung der Dressur-Nummer baute man eine Bühne mit ansteigender Stehtribüne auf. Das Ganze machte wohl den Eindruck eines rasch errichteten, aber doch anmutigen kleinen Zoologischen Gartens.
Das vollständiges Luftbild rund um den Theaterplatz 1928 findet sie unter chemnitz-gestern-heute.de/blick-zum-theaterplatz.
Der Burkhardtsdorfer Anzeiger verwies in seiner Ausgabe vom 27.09.1924 auf das „Tierparadies“ in Chemnitz:
„Beinahe über Nacht ist der ehemalige Konzertgarten Zur Linde am Hauptbahnhof zu einem wirklichen Tierparadies geworden. In frischen Farben sind für viele hunderte von Tieren Unterkunftsräume erstanden, die Tausenden von Beschauern Gelegenheit geben, Vertreter fast der gesamten Tierwelt in ihrem sonst so verborgenen Leben zu beobachten. Das Eindrucksvollste ist wohl die „Affenbühne“, ein ganz idealer Aufenthalt für über 30 Rhesusaffen. Ein Malaien- und ein Nasenbär trotteln durch die neckische Affenschar. Schon sind wieder sechs Paviane von der Bahn gemeldet, die sich unter die tolle Bande mischen sollen. Daneben öffnet sich das Raubtierzelt. Es hat eigentlich zwei Mittelpunkte: Eine Löwenmutter mit vier Jungen, die von der Alten in rührendster Weise betreut werden. Gegenüber sind zwei Gruppen riesiger Hundsaffen mit etwa 5 Zentimeter langen Eckzähnen; Tiere, denen man nicht zu nahe kommen möchte. Außer allen möglichen Raubtieren und Vögeln steht auf der Terrasse ein Wagen mit 6 Löwen, die bei einigermaßen günstigem Wetter etwa viermal am Tage vorgeführt werden, zurzeit vormittags 11 Uhr, nachmittags 4, 5 und 6 Uhr. Gleich daneben ein richtiger großer Teich, belebt mit einigen Seelöwen und Kormorane, diesen unersättlichen Fressern, die allein der Chemnitzer Zoo-Direktion täglich beinahe einen Zentner Fische kosten. Eine Stelzvoqelwiese, reich besetzt mit Flamingos, Storch, Reiher, Pelikan, Trauerschwänen usw. schließt sich an. Vorbei an Lamas, Kamelen, Büffeln, Buckelrindern u. Schafen geht es zu einem ganz reizenden Vogelhaus. Hier zeigen die Tropen die ganze Farbenpracht und Absonderlichkeit ihrer gefiederten Tierwelt. Und dann geht es durch das geheimnisvolle Dunkel des Terrariums und Aquariums, wo das Auge die Wunder der heißen Sümpfe, des Meeres und der Flüsse schaut. Riesenschlangen Schildkröten leuchtende Zierfische, unglaublich gestaltete Insekten, Taschenkrebs, Seespinnen und liebliche Seenelken vollenden das Bild. Die seltene Schau erfreut sich bereits lebhaften Besuches“
Der Zoo erfreute sich tatsächlich bei der Chemnitzer Bevölkerung eines großen Zuspruches, zumal auch das Wetter äußerst günstig war. Zum Beispiel wurde der Garten an einem Sonntag von mehr als 15.000! Gästen besucht. Der Aufenthalt der Leipziger Tiere in Chemnitz hatte bei der Einwohnerschaft und seiner weiteren Umgebung den Wunsch aufkommen lassen, den Zoologischen Garten zu einer ständigen Einrichtung zu machen.
Dieser Plan wurde im Frühjahr 1925 an derselben Stelle, an der der provisorische Bau im Vorjahre gestanden hatte, verwirklicht. Unter der Leitung des Leipziger Zoodirektors Dr. Gebbing erfolgte eine generelle Neugestaltung des Areals unter Beibehaltung des Charakters der Gartenanlage. U. a. entstanden ein Flugkäfig für Papageien, für kleinere Affen die sogenannte Affenbühne, eine Freianlage für Löwen und eine für Malaienbären, ein Affenfelsen für größere Paviane und der Seelöwenteich. Aquarium und Terrarium wurden ebenso wie ein Insektarium angegliedert. Die Eröffnung der Zoofiliale „Chemnitzer Sommerzoo“ erfolgte am 25.Mai 1925.
Das Gelände war nicht groß, der Platz aber derartig ausgenutzt, der Tierbestand so groß und die Einrichtung so modern, daß sich ein Besuch dieser anmutigen, übersichtlichen Anlage durchaus lohnte. Zudem bot sich dem Besucher noch die Möglichkeit, sich im Garten oder in der Kolonnade zu erfrischen und dabei die verschiedensten Vorführungen zu bestaunen.
Die nächsten Jahre wurde der Zoo zum beliebten Ausflugsziel der Chemnitzer Gäste und der Bevölkerung.
Am 22. September 1930 kam jedoch für die Anlage das Aus. Der Pachtvertrag war abgelaufen und wurde, mit Rücksicht auf die unzulänglichen Raumverhältnisse, von der Direktion des Leipziger Mutterhauses nicht wieder erneuert. Verhandlungen über eine anderweitige Unterbringung der Tierbestände im Jahr 1931 scheiterten, da seitens der Stadt Chemnitz keine finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt wurde. Obwohl sich der Zoo gut eingebürgert hatte und die Leipziger Direktion mit den Geschäften durchaus zufrieden war, war das Ende auch diesmal unvermeidlich. Wie bereits am Anfang des Jahrhunderts scheiterte die Idee in Chemnitz einen dauerhaften Zoo zu unterhalten.
Nur kleinere Anlagen, wie in der Pelzmühle und am Tiergarten Scheibe, blieben privatwirtschaftlich betrieben übrig. Erst 1964 hatte unsere Stadt einen richtigen Tierpark.
(Quellen: 50 Jahre Leipziger Zoo; Ausschnitte div. Tageszeitungen, Adressbücher zu finden unter SLUB-Dresden.de; Beitrag von W. Bausch im Chemnitzer Roland 04/2002; u.a.)