So wie sich Chemnitz am Anfang des 20.Jahrhundert entwickelte, wuchsen auch die Bedürfnisse zur gesellschaftlichen und kulturellen Unterhaltung in der Stadt. Bis dahin existierten in Chemnitz als feste Spielstätte nur das Stadttheater (oder Schauspielhaus) auf der Theaterstraße und als Sommertheater das Thaliatheater, in dem unter der Leitung des Stadttheaterdirektors Richard Jesse meist Operetten und Lustspiele zur Aufführung gelangten. Zudem gab es noch das Varieté im „Mosella-Saal“ in der Innenstadt und das Varieté im „Wintergarten“ in Schönau.
Die Geschichte des Central-Theaters, dieses imposante Gebäude mit seiner reichdekorierten Fassade im Jugendstil, das wir schon aus verschiedenen Abbildungen kennen, möchte ich in diesem Beitrag näher vorstellen. Es stand gegenüber genau gegenüber des Metropoltheaters an der damals noch engen Zwickauer Straße.
Tiefbauunternehmer Moritz Krause aus Chemnitz plante schon seit längerer Zeit, ein mit allem Komfort ausgestattetes Varieté-Theaters zu errichten. Hierzu schienen ihm die seither der Firma M. Posner gehörigen, an der Zwickauer Straße Nr. 24- 30 gelegenen Grundstücke am geeignetsten, und es wurden diese auch im Januar 1901 von Herrn Krauße käuflich erworben.
Die obenstehenden Ansichten zeigen die Fassadengestaltung mit ihren filigranen Jugendstilelementen.
Ein paar technische Daten zum Gebäude und Theater selbst: Die Baukosten betrugen ca. 1,5 Millionen Reichsmark. Die bebaute Grundfläche wurde mit 2.400m² angegeben. Der prächtige Mittelbau wurde als 2-Rangtheater mit bühnennahen Logen ausgeführt, besaß Dampfheizung und Ventilatoren zum Absaugen der Luft. Es war damals noch üblich, während der Vorstellung noch Rauchen zu dürfen. Das Parkett war 575 m² groß, mit insgesamt 798 Sitz- und 70 Stehplätzen, im ersten Rang waren 352 und im zweiten Rang 641 Sitzplätze vorhanden. Die Bühnengröße betrug insgesamt 265 m², die Bühnenhöhe 17,5 m, zudem waren außerhalb nach 1.300 m² Magazinfläche vorhanden. Der Hauptvorhang, den Joseph Goller-Dresden gemalt hat, zeigte in glühenden Farben eine Art antikes Naturtheater, inmitten eine Göttin aus Erz aus niedrigem Sockel, welche von Frauengestalten, in lose Schleier gehüllt, mit Rosengirlanden geschmückt wurde. Der Orchesterraum war vertieft angelegt und konnte 30 Musiker aufnehmen. Zum Ensemble gehörten weiterhin Solisten, ein Chor und eine Tanzgruppe. 1941 ist von insgesamt 154 Mitarbeitern die Rede, einschließlich technischer Kräfte, wie Bühnenarbeiter, Garderobiers u.a. und Verwaltung mit 11 Angestellten.
Im Erdgeschoß waren neben dem Haupteingang 2 Restaurationsbetriebe untergebracht. Links das Theaterkaffee, rechts das Weinrestaurant. Beides jeweils selbst bewirtschaftet und nicht verpachtet. Die beiden oberen Geschosse des Gebäudes beherbergten Wohnungen. Die folgende Bildergalerie vermittelt einen Eindruck der großzügigen Innenausstattung des Central-Theaters.
Lange Jahre gehörte das Chemnitzer Central-Theater mit zu den ersten Bühnen seiner Gattung in Deutschland. Zahlreiche artistische Größen, auch internationale Bühnenkünstler wie die Franzosen Sarah Bernhardt, Coquelin und Rejane gastierten im Hause.
Opulente Bühnenshows, sogar mit Elefantendressuren, prägten die ersten Jahre. Nachdem zuerst 1902 und 1903 einige Berliner Bühnen mit Operette, Ausstattungsposse und französischem Schwank darin gastiert hatten, pachtete Richard Jesse, der damalige Direktor des Chemnitzer Stadt- und Thalia-Theaters, von 1904 ab auch für mehrere Sommer das Central-Theater, um es für sieben Jahre mit zwei Unterbrechungen gemeinsam mit dem alten Thalia-Sommertheater als „Vereinigte Chemnitzer Sommerbühnen“ zu führen. Nach Jesses Rücktritt war Richard Tauber gleichfalls Sommerpächter des Central-Theaters, das durch den Weltkrieg gezwungen war, seinen Charakter als Varieté ganz abzustreifen und von 1914 an mit den anderen Chemnitzer Städtischen Bühnen als Operettentheater vereinigt wurde. Diese Vereinigung wurde nach über zehnjährigem erfolgreichem Bestehen wieder gelöst. 1925 wurde das Central-Theater, dessen geschäftliche Leitung bis dahin ständig Direktor Blum in Händen hatte, wieder seiner alten Bestimmung als Varieté zurückgegeben.
Von Zeit zu Zeit wurden die Varietéspielpläne durch Gastspiele von Operetten- und Revuegesellschaften abgelöst. Wiederholt hatte Direktor Blum, auch schon früher in der Vorkriegszeit, namentlich bei verschiedenen Jubiläen kleine lokale Revuen aufführen lassen und es außerdem verstanden, durch nächtliche Kabarettvorstellungen, Theaterbälle, usw. das nicht nur von allen Chemnitzern, sondern auch von dem Fremdenpublikum geschätzte schöne Haus in der Zwickauer Straße zu einem beliebten Mittelpunkte anregender großstädtischer Geselligkeit zu machen. 1933, bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten – mehr als 30 Jahre hatte er die künstlerische Leitung inne – wurde Blum seines Amtes erhoben. Noch bis 1944 waren Aufführungen im Theater möglich, schließlich während des Bombenangriffes am 6. März 1945 wurde das Gebäude total zerstört. Nur ganze 43 Jahre hatte es Bestand, ein architektonisches Kleinod, das das Bild und die Kulturlandschaft des damaligen Chemnitz prägte.
(Quellen: Zschopauer Anzeiger, Dresdner Nachrichten – diverse Ausgaben 1902-1903 – zu finden unter SLUB-Dresden.de, Buch: Chemnitz in Wort und Bild 1911, Dokumente des Architekturmuseums der TU Berlin)