In diesem Beitrag möchte ich einen kleinen historischen Einblick in das alte Marktgäßchen geben und einen kleinen Einkaufsbummel mit Ihnen unternehmen.
Bereits im Chemnitzer Adressbuch 1925 wird auf die Geschichte dieses Straßenzuges eingegangen, und ein Abriss der Benennung gegeben:
„In ältester Zeit zum Markt gerechnet, dann zuerst 1498, bald Im Geßle, bald Klein Gessel, 1526 Kemnitzer Gesleyn, 1597 bis 1709 Im klein Gessel, 1710 bis 1807 Chemnitzer Gäßel (Gäßgen) genannt, 1808 wieder zum Markte gerechnet, 1822 Hinteres Chemnitzer Gäßchen, 1847 nach einer Ratsverordnung künftig passender mit dem Namen Marktgäßchen zu belegen.“
Das Marktgässchen verlief – parallel zur Bretgasse – vom Markt zur Lange Straße. Hier konnte man ungestört vom Straßenbahn und Automobilverkehr seine Einkäufe und Besorgungen tätigen. Es war natürlich eine bequeme Verbindung zwischen diesen reich frequentierten Verkehrswegen.
Versetzen wir uns gemeinsam ins Jahr 1924 zurück. Die Werbung im Burkhardtsdorfer Anzeiger verspricht Gutes:
„Wie in fast jeder Großstadt bestimmte Straßen und Plätze ihre Eigenart trotz aller Wandlungen, die in der Entwicklung der Stadt vorgekommen sind, erhalten haben, so auch in Chemnitz das Marktgässchen. Wer kennt nicht das Chemnitzer Marktgässchen? Seit Generationen befinden sich hier die bekanntesten und gediegensten Geschäfte, und zwar derart vielgestaltig, daß man sie kaum auf so engen Raum anderwärts zusammengedrängt findet. Besonders fällt hier die Gediegenheit der einzelnen Geschäfte auf, daß wohl auf Alter und Tradition zurückgeführt werden kann, denn Ramschware und billige Schleuderware haben in diesen Geschäften keinen Eingang gefunden. Um nun die Bedeutung des ganzen Marktgäßchens für das auswärtige Publikum ins rechte Licht zu führen, veranstalten fast sämtliche dort gelegenen Geschäfte eine gemeinsame Weihnachtsmesse. Der Zweck ist der, zu zeigen, was diese Geschäfte in Qualitätsware und Preiswürdigkeit leisten können. Es sollte daher niemand, der die Absicht hat, seine Weihnachtseinkäufe in Chemnitz zu tätigen, versäumen, diesen Geschäften einen Besuch abzustatten. Er bleibt beim Kauf durch den Ruf dieser Geschäfte und die Güte ihrer Waren vor einen Reinfall bewahrt.“
Nebenan duftet es aber nach frisch Geräuchertem aus der alteingessenen Fleischerei von Moritz Kickelhayn. Gönnen wir uns ein Mettbrötchen für unseren weiteren Schaufensterbummel. Treten wir wieder hinaus, fallen uns gegenüber das Schuhhaus Ascher mit den tollen Schuhen und das Uhren- und Goldwarengeschäft von Eduard Hoffmann ins Auge. Die glitzernden Auslagen locken mit vielen Schmuckstücken für die Dame und den Herrn. Aber da gibt es noch die Firma Photo-Petzold in Hausnummer 5, die die neuesten Kameramodelle präsentiert. Die Auswahl für unseren Einkauf wird immer vielfältiger.
Wir werden von einer größeren Menge Filmenthusiasten bedrängt, die freudestrahlend von ihrem Kinobesuch aus den Kammerlichtspielen herauskommen. Hier ist der Seiteneingang des Kinos, der früher „der Sack“ auch das „Loch“ hieß. In den engen Zipfel dringt kaum Tageslicht.
Gehen wir weiter. Ach was gibt es da alles zu sehen. Gleich hier feinste Herrenartikel bei Arthur Köhler und nebenan bei Ramms’s passende Lederwaren und Koffer. Die Verkäuferinnen empfangen uns bereits.
Weiter dem Straßenverlauf folgend, finden wir rechts das Blumengeschäft von Max Vogelsang. Er hat sein Pflanzen- und Blumengeschäft auch ganz auf die bevorstehende Weihnachtszeit vorbereitet und schön dekoriert.
Und gegenüber das altbewährte Hutgeschäft von Paul Kleeberg, das wir schon seit 1853 hier finden, eines der ältesten Geschäfte am Platz. Feinste Hüte liegen in der Geschäftsauslage. Das schräg gegenüber befindliche Geschäft von Juwelier Such ist auch schon lange in diesem Haus zu finden. Es lockt mit feinsten Juwelierwaren.
Bald haben wir die Lange Straße erreicht, hier finden wir noch das Schuhgeschäft von Gustav Pfaff und das Lederwarengeschäft von O.Thomas. Dort finden wir die passenden Geschenke. Auch hier können wir noch ein wenig verweilen und uns umschauen.
Früher stand an der Ecke zur Langen Straße noch das alte Tänzers Restaurant. 1914 wurde an dessen Stelle ein neues schmuckes Modehaus von M. Schneider errichtet, in dem das besagte Restaurant jetzt eingemietet ist. Kehren wir dort ein und lassen unseren Bummel bei einem kühlen Blonden ausklingen. Wir haben dem Marktgässchen einen abwechslungsreichen Nachmittag zu verdanken.
Und wie es 1940 dort aussah, zeigen diese beiden bekannten Fotos aus der Serie von Foto-Fuchs eingerahmt von zeitgenössischer Werbung. Ich hoffe Euch hat der Einkaufsbummel gefallen. Über weitere historische Gaben zum Marktgäßchen würde ich mich natürlich freuen.
Bis 1945 war das Marktgäßchen eine beliebte Einkaufsadresse, dann wurde im Bombenhagel der Briten ein großer Teil der Innenstadt in Schutt und Asche gelegt. Mitte der 60er Jahre entstanden an dieser Stelle die Wohnhäuser am Rosenhof.
(Quelle: Burkhardtsdorfer Anzeiger vom 19. November 1924)