Diesen Beitrag möchte ich dem Flußbad Altchemnitz widmen, das lange Jahre ein beliebtes Ausflugsziel meiner Jugend war.
Bereits 1839 wird die Gemeinde Altchemnitz im Geographischen Handbuch für das Kgr. Sachsen mit einem Flussbad erwähnt. Ob es sich dabei um das Gelände an der Schulstraße handelt, ist nicht mehr nachvollziehbar. Die Chemnitz, die sich langsam durch das Tal schlängelte, bot in den heißen Sommermonaten vielfältige Möglichkeiten, sich zu erfrischen. Das sahen auch die Stadtväter bei der Anlage des Schwimm-, Fluß- und Luftbades und der Wahl des Standortes in Altchemnitz. Der Teil des Stadtparks unterhalb des Markersdorfer Hanges eignete sich hervorragend für diese Zwecke und bot einen guten Platz zur Entspannung und Erholung von den anstrengenden Arbeitstagen in der Fabrikstadt Chemnitz.
Am 1. September 1922 wurde das mit einem Kostenaufwand von rund 1 Mill. Mark errichtete Luft- und Flußbad in Altchemnitz eröffnet.
Bereits zwei Jahre später, im Sommer 1924, erfolgte eine erste Erweiterung. Eine 20.000 m² Rasenfläche wurde einbezogen und eine Umzäunung angelegt. Zur Verbesserung der Badebedingungen wurde ein Dusch- und Badehaus errichtet, auf dessen Dach ein 2 m³ fassender Wassertank angebracht war, der die 6 Duschen und 8 Wasserausläufe speiste.
Am 8. August 1924 hieß es dann in den Chemnitzer Neuesten Nachrichten: „Das Chemnitzer Strandbad eröffnet. An einer der schönsten Stellen des Stadtparkes wird sich nun ein Strandbadleben entwickeln, wie es Chemnitz noch nie erlebt hat… Es ist wirklich eine Stätte, die Tausende aufnehmen kann, ohne daß sich jemand eingeengt fühlt.“
1926 entstand das vom Chemnitzer Stadtbaurat Fred Otto entworfene Wirtschaftsgebäude mit Sanitätsraum, 3 Wohnungen u.a. für den Badeverwalter, einer Gaststätte und einer Garderobe für die Badegäste sowie eine Holzbrücke über den Fluß. Bis 1928 wurden weitere 2,8 ha Wiesenfläche des Stadtparks für das Freibad zur Verfügung gestellt. Ein separates Planschbecken für Kinder entstand. Um dem aufkommenden Schwimmsport Rechnung zu tragen, wurde im Juli 1928 ein großes Betonschwimmbecken in Betrieb genommen. Im Jahr 1928 verzeichnete Chemnitz mit seinen stadteigenen 4 Bädern 348.393 Besucher gegenüber 163.558 im Jahr 1927. Die meisten Gäste zählte das Schwimm- und Luftbad am Zeisigwald, gefolgt vom modernisierten Bad in Altchemnitz, weit abgeschlagen lagen die Bäder in der Crusiusstraße und in der Müllerstraße.
Ungewollt in die Schlagzeilen geriet das Bad am 22. Juni 1930, als die Holzbrücke zwischen den beiden Badteilen unter den Badegästen einstürzte und 133 Menschen zum Teil schwer verletzte. Bereits 1931 wurde als Ersatz eine Stahlbetonbrücke errichtet. Die zum Luftbaden und zur sportlichen Betätigung bereitgestellte Fläche umfaßte zu dieser Zeit rund 50.000 qm.
An dieser Stelle möchte ich die Original-Beschreibung des Bades aus dem Bäderführer Chemnitz 1933 wiedergeben:
„Die Stadt Chemnitz hat auf dem Gebiete des Sommerbadewesens ganz Vortreffliches geschaffen. Eine durchaus moderne Anlage, die allen Wünschen der Bevölkerung gerecht wird, ist das Schwimm-, Luft- und Flußbad Altchemnitz, das in freiem Gelände am Ausgange des Chemnitzer Stadtparkes gelegen ist und eine vom Großstadtlärm verschonte Erholungsstätte darstellt.
Einen besonderen Anreiz bietet die Anlage dadurch, daß außer einem Schwimmbecken und riesigen Wiesengelände ein Flußbad im Chemnitzfluß genommen werden kann, der etwa in einer Länge von 200 m durch das Badegelände fließt. Der Schwimmfreund findet hier also die Möglichkeit, sowohl im stehenden wie fließenden Wasser zu baden. Da das Bad aber auch sonst nach jeder Richtung hin den Anforderungen genügt, ja in der Anordnung als vorbildlich dienen kann, wird es von der Chemnitzer als auch auswärtigen Bevölkerung stark besucht. Im Jahre 1932 betrug die Besucherzahl 113.000 und 1931 sogar 123.000. Zum Baden und Schwimmen dient in erster Linie ein betoniertes 50 x 20m-Becken (1.000 qm Wasserfläche), das mit Flußwasser gespeist wird. Die Wassertiefe beträgt 0,90 — 2,00 m, unter dem 3-m-Brett 3,20 m. Eine schmucke Sprunganlage weist je ein 1- und 3m – Brett auf. Um das Becken führt eine 1,40m breite Fußspülrinne, die mit Leitungswasser gefüllt wird. Eine moderne maschinelle Wasserreinigungsanlage (Umwälzverfahren) sorgt für dauernde Auffrischung des Beckenwassers, so daß auch bei größtem Besuch für gutes Wasser gesorgt ist. Die Wassertemperatur beträgt im Durchschnitt 18°C. Ein Waschraum mit Brausen steht zur Verfügung (Leitungswasser). Für die Kleinsten hat man ein Planschbecken geschaffen (50 qm). Das Flußbad bietet insgesamt 3.360 qm Wasserfläche. Die den Fluß umgebenden Ufer sind schön gepflegt. Ein 10.000 qm großer Turn- und Sportplatz, teils Wiese, teils Sand, ausgestattet mit Kletterstangen, Barren, Reck, Sprungbahn, Hanteln, Kugel, Rundlauf usw. bietet Möglichkeiten zur körperlichen Betätigung. Eine Wasserballspieleinrichtung bietet Sportlern die Möglichkeit zum Abhalten von Wasserballspielen.
Eine Kleiderablage mit Wechselzellen, wobei die Kleidungsstücke auf Bügeln abgegeben werden, schafft Gelegenheit zur Unterbringung der Bekleidung. Ferner stehen 390 gut verschließbare Schränke zur Verfügung. Schließlich sind noch besondere Auskleideräume für Schulen und Vereine vorhanden, so daß insgesamt 3.500 Personen auf einmal untergebracht werden können. Geschultes Personal steht für den Ordnungsdienst bereit. Ein großes massives Gebäude mit Gaststube, Veranda und schönem Saal (auch während des Winters geöffnet), bietet Platz für 350 Personen. Ein vorgelagerter Strandplatz nimmt viele Hundert Gäste auf. Die Verpflegungsfrage ist natürlich in solch angenehmem Lokal sehr gut gelöst. Bewachte Parkgelegenheit für Wagen, Motor- und Fahrräder ist vorhanden. Nahes Ausflugsziel ist der Chemnitzer Stadtpark. Alles in allem: das Altchemnitzer Bad ist ein wahres Ideal unter den Chemnitzer Bädern.“
Lange Zeit ein beliebtes Bad der Chemnitzer und Karl-Marx-Städter, musste die Flußbadeanstalt in den 50er Jahren aus hygienischen Gründen aufgegeben werden. Nur das Betonbecken wurde weiterbetrieben, Freizeiteinrichtungen wie eine Großschachanlage und ein Volleyballplatz entstanden. Schließlich verursachte das Hochwasser 2002 so große Schäden, dass ein Weiterbetrieb nur mit hohen Investitionen möglich gewesen wäre. In den städtischen Kollegien entschied man sich, das Bad nicht wieder in Betrieb zu nehmen.
Das ehemalige Wirtschaftsgebäude, in dem sich zu DDR-Zeiten auch der Jugendklub befand, wurde verkauft und zu einem Wohnhaus umgebaut, wie die Ansicht von 2015 zeigt. Ein Vergleich zum Abschluss zeigt die renaturierte Fläche 2018 mit einer Zeichnung aus dem o.g. Bäderführer.
Das ehemalige Wirtschaftsgebäude, in dem sich zu DDR-Zeiten auch ein Jugendklub befand, wurde verkauft und zu einem Wohnhaus umgebaut, wie die Ansicht von 2015 zeigt. Ein Vergleich zum Abschluss zeigt die renaturierte Fläche 2018 mit einer Zeichnung aus dem o.g. Bäderführer.
Und heute?
„Im Rahmen des Projektes „Stadt am Fluss“, das seinen Höhepunkt im Zeichen der Kulturhauptstadt Europas 2025 haben wird, soll der Fluss wieder erlebbar gemacht werden. Das Freizeit- und Erholungspotential der Aue wird auf beiden Flussseiten verstärkt und die Zugänglichkeit des Areals durch eine neue Brücke verbessert. Die Brücke ist aber nicht nur ein verbindendes Element sondern zugleich architektonische Attraktion und Aussichtspunkt auf die Chemnitz, welche an dieser Stelle durch die Landestalsperrenverwaltung naturnah umgestaltet wird.
Der Stadtrat hat am 13. September 2023 die Aufwertung des ehemaligen Flussbads im südlichen Teil des Chemnitzer Stadtparks beschlossen. Als Bauzeit ist Januar bis Dezember 2024 vorgesehen, Kosten ca. 2,4 Mill €…“
(Quellen u.a.: Bäderführer Chemnitz und weitere Umgebung 1933, Erzgebirgsverkehr 1935/1936, Verwaltungsbericht der Stadt Chemnitz 1928, Dresdner Neueste Nachrichten vom 23./26.06.1930 zu finden unter SLUB-Dresden.de)