Der Schlossteich mit seiner reizvollen Umgebung ist unstreitig einer der schönsten landschaftlichen Punkte der Stadt Chemnitz. Und auch im Winter, wenn auf Bäumen und Sträuchern die stumme Last des Schnees liegt, bietet er ein interessantes fesselndes Bild, welches Herz und Augen erfreut.
Kaum bekannt ist aber dieses unheilvolle Ereignis vom 2. Dezember 1866, was ich heute vorstellen möchte.
Frühzeitig war der Winter über die Stadt hereingebrochen, tagelange Fröste hatten Eisflächen hervorgebracht, nicht nur am Schloßteich, sondern auch am Mühlgässchen und am Fischweg. Die Eisdicke des Schloßteiches betrug gerade einmal 2,5 Zoll (6,35 cm). Vorsorglich hatte der Schloßteichpächter Frommhold, weil ihm das Eis noch nicht tragfähig erschien, an den Eingängen Zutrittsverbotstafeln aufgestellt. Doch die immer größer werdende Menschenmenge lies sich an diesem sonnigen Tage nicht abwehren. Sie setzte sich einfach über das Verbot hinweg. Dann geschah das tragische Unglück am Nachmittag…..
Die Tagespresse meldet dazu: „Gestern Nachmittag 3 Uhr sind auf dem, zur Gemeinde Schloßchemnitz gehörigen, Schloßteiche, auf dem sich, trotz des Verbotes seitens des königlichen Gerichtsamtes, viele Kinder und eine Anzahl Erwachsene zum Schlittschuhlaufen eingefunden hatten, 32 Personen eingebrochen. 19 von denselben wurden gerettet, 11 sind ertrunken und 2 werden noch vermißt.“
Über die Einzelheiten des beklagenswerten Vorgangs meldet das Chemnitzer Tageblatt noch Folgendes: „Am Sonntag früh und Mittag war trotz eines Anschlages des königl. Gerichtsamtes: ‚Ein Verbot, das Betreten der Eisbahn betreffend‘, eine größere Anzahl von Personen versammelt, die bis gegen ¼ 3 Uhr aus circa 500 angewachsen sein mochte. Die Eisdecke des Teiches hatte am Schloßufer, in der Nähe des Anlegeplatzes der Gondelgesellschaft, eine sehr geringe Stärke, ja sogar offene Stellen, welche Veranlassung wurden, daß ein junger Mann, Namens Michaelis, in der Gegend, wo die Schwäne sich befinden, in das Wasser fiel. Zwei junge Leute, der Sohn des Schneidermeister Weber und der des Fabrikarbeiter Zeidler, waren herbeigeeilt, um Jenem Beistand zu leisten, und es gelang auch die Rettung desselben zu bewerkstelligen. Der Unfall zog, wie dies fast immer zu geschehen pflegt, eine Menge Neugieriger herbei, meistens Kinder, sowie mehrere Erwachsene. Plötzlich brach das Eis, worauf die Versammelten standen und, soweit jetzt ermittelt, sanken 32 Personen in das gerade an dieser Stelle sehr tiefe Wasser hinab. Ein furchtbares Angstgeschrei und Hülferufen erscholl von dort, welches viele der auf dem Teiche Fahrenden und der Zuschauer, die zufällig am Ufer standen, auf die ganze Tragweite des Unglücks aufmerksam machte. Der Anblick war wirklich herzzerreißend, den die hervorragenden Hände und Köpfe der Wenigen, welche sofort wieder an die Oberfläche kamen, gewährten.
Ein großer Teil sank, ohne nur wieder aufzutauchen. So schnell Rettung zu schaffen war, wurde sie zu bewerkstelligen gesucht. Durch angestrengte Bemühungen gelang es auch, mit Stangen und Leitern 19 Personen zu retten. Dabei haben sich Mannschaften der Schloßchemnitzer Feuerwehr, so wie viele Anwesende aus der herbeigeeilten Menge mit großer Aufopferung die Rettung der Verunglückten angelegen sein lassen. Es wurden bis jetzt (3. Dezember) im Ganzen 11 Leichen, 9 Kinder und 2 Erwachsene gefunden.“
Einer amtlichen Bekanntmachung des Gerichtsamtes entnehmen wir noch folgende bezeichnende Stelle: „Es schmerzt tief, wenn man hinzusetzen muß, daß auch nach dem fürchterlichen Unglück Hunderte das Schlittschuhlaufen fortgesetzt haben und endlich nur, nach großem Widerstreben und hier und da unter Äußerungen, die hier verschwiegen werden mögen, durch die herbeigerufene Feuerwehr von Schloßchemnitz von dem Teiche wegzubringen gewesen sind.“ Die Leichen wurden bis zum Abtransport im Eiskeller der Schloßbrauerei am Hechlerberg untergebracht.
Auch heute soll uns dieses Ereignis noch einmal in Erinnerung rufen und uns belehren, das Eisflächen nicht leichtfertig zu betreten sind. Ältere sollten nicht Mut mit Leichtsinn verwechseln, sondern ermahnend auf den Nachwuchs eingehen und auf mögliche Gefahren hinweisen.
(Quelle: Chemnitzer Tageblatt 3.12.1866 – Leipziger Tageblatt und Anzeiger 04.12.1866 – zu finden unter SLUB-Dresden.de)