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Als ältestes Bauwerk in der Innenstadt ist uns der Rote Turm erhalten geblieben. Er wurde wahrscheinlich als Wohnturm und Eigenbefestigung (Sitz des Stadtvogts) errichtet und erst später in die 1264 erstmals urkundlich erwähnte Stadtbefestigungsanlage einbezogen. Gemeinsam mit den 4 Chemnitzer Toren bildete er im Mittelalter eine starke Wehranlage.

Ansicht 1929

Die unruhigen Kriegszeiten des 15. Jahrhunderts hatten die Stadt in die Notwendigkeit versetzt, die Befestigungen der Stadt zu verstärken. Rings um die Stadtmauer zog sich ein breiter, mit klarem Wasser gefüllte Stadtgraben, in welchem der Rat in Friedenszeiten eine ergiebige Fischzucht betrieb.

Ab Mitte 15. Jahrhunderts Sitz der städtischen Gerichtsbarkeit, erhielt er am Ende des selben Jahrhunderts sein Backsteinobergeschoß. Der Name des Turms dürfte auf die rote Farbe des verwendeten Porphyrgesteins zurückzuführen sein. Auch sollen in seinem Gewölbe im Erdgeschoß Verkaufsräume untergebracht gewesen sein.

Später erweitert mit der Stadtfronfeste, in der auch der 1794 Karl Stülpner wegen Wilderei untergekommen war, wurde er im Zuge der Innenstadtbebauung vom Abriss verschont. Die Reste der anderen Wehranlagen wurden komplett am Beginn des 19. Jahrhunderts abgerissen und der Stadtgraben verfüllt.

Die 1853 erbaute Bezirksgefangenenanstalt zeugte schließlich von seiner weiteren Nutzung als Unterbringungsmöglichkeit für Delinquenten und Aufsässige. 1885 soll August Bebel 6 Monate in Untersuchungshaft dort verbracht haben. Erst 1929 wurde er dieser trüben Bestimmung entledigt, die alten Häuser an der Herrenstraße wurden abgerissen, nur kurz hatte man einen unverbauten Blick auf den alten Gerichtsturm. Dann verdeckte in unmittelbarer Nähe ein Kinobau an der Herrenstraße, der den gleichen Namen erhielt, dieses Stück Stadtgeschichte.

Der unaufhaltsame Wohnungs- und Geschäftsbau in den Gründerzeitjahren zu Beginn des 20. Jahrhunderts schnürte den Roten Turm ein, wie das Luftbild aus den 20er Jahren zeigt.

1945 brannte der Turm nach den schrecklichen Bombenangriffen aus, die Gebäude in unmittelbarer Nähe wurden sämtlich zerstört. 1950 bekam er als erste Sicherungsmaßnahme ein Flachdach, ab 1957 begann man, den Turm zu restaurieren, 1958 erhielt er seine Haube in jetziger Form. 1959 wurde mit Errichtung eines Gastronomiebereiches in unmittelbarer Nähe diese Restaurierung abgeschlossen. Geraume Zeit wurden die Stockwerke als Museums- und Ausstellungsfläche zur Chemnitzer Geschichte genutzt.

1962 Ansicht aus Richtung Rathaus

Nebenan entstand im Zuge der sozialistischen Stadtplanung ein zweigeschossiger Neubau als Informationszentrum, der am 1.September 1966 eröffnet wurde. Damit waren neue Ausstellungsflächen geschaffen worden. Dort stand für die Bevölkerung lange Zeit das Modell zur Innenstadtbebauung. Davor war die Bushaltestelle Abfahrtsort für Stadtrundfahrten und den Fernverkehr.

1990/1991 waren erneut umfangreiche Sanierungsmaßnahmen notwendig. So wurden das rund 200qm große Dach mit 7600 Natur-Schieferplatten neu gedeckt, Wetterfahne und Kugel instandgesetzt, Dachrinnen erneuert. Zimmerleute des Denkmalpflegebetriebes erneuerten den Dachstuhl, tauschten die Hälfte der Dachsparren und die komplette Dachschalung aus, rekonstruierten zudem im Inneren historische Holzbalkendecken. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten wurde mit einer Ausstellung zur Geschichte des Turmes das Bauwerk am 3./4.Oktober 1992 wiedereröffnet.

Im Zuge der Erneuerung der Innenstadt wurde die Gebäude rund um den Turm und die ehemalige Karl-Marx-Stadt-Information 1996 abgerissen. Wer kann sich nicht an die umfangreichen archäologischen Ausgrabungen im Bereich des großen Parkplatzes erinnern, die die weitere Bebauung verzögerten. Im März 2000 konnte schließlich die gleichnamige Einkaufsgalerie ihr Eröffnung feiern.

Der Turm selbst wird heute nur im Rahmen einer Stadtführung und der Museumsnacht für Besucher geöffnet.

(Quellen: u.a. Zeitungsausschnitte Neue Zeit, Neues Deutschland, Bücher: Werte unserer Heimat – Karl-Marx-Stadt 1977; Geschichtliche Wanderungen 1932 – Das alte Chemnitz.)