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Die älteste Chemnitzer Zeitung

    Bereits im Jahre 1661 hatte ein gewisser Johann Güttner hier eine Buchdruckerei mit einer Presse errichtet. Deren erstes dem Rate der Stadt Chemnitz gewidmetes Werk war eine Beschreibung der Buchdruckerkunst unter dem Titel „Druckerei zu Kemnitz erste Blätter“. Diese Druckerei kam später in den Besitz von Conrad Stößel und seiner Söhne Johann Christoph und Johann Daniel, die damit Buchhandel verbanden. Zur Herstellung ihrer eigenen Verlagswerke hatten sie mittlerweile 4 Druckerpressen angeschafft. 1755 erschien von Ihnen zum Beispiel ein umfangreiches dreibändiges Werk unter dem Titel „Ausführliche Geographie“ verfasst vom Magister Johann Georg Hager, Rektor an der damalige Lateinschule oder Lyceum genannt. Eine ausführliche Dokumentation finden Sie dazu in meinem Beitrag „Chemnitz und die Schwarze Kunst“.

    1. Jahrgang des Chemnitzer Anzeigers

    Nach ihrem Tode teilten die Erben und die Schwiegersöhne Putscher und Härtwig beide Abteilungen und setzten jeder getrennt sowohl die Buchdruckerei als die Buchhandlung fort. Im Jahre 1781 verkaufte Putscher seinen Geschäftsanteil an Carl Friedrich Gerhard, 1790 vereinigte der Buchdrucker J.C. Wesselhöft aus Hamburg wieder beide Hälften der Buchdruckerei durch Ankauf. Von diesem erwarb sie im Jahre 1799 der Privatgelehrte Christian Gottfried Kretschmar.

    Nachdem er die damals für solche Unternehmungen erforderliche obrigkeitliche Konzession zur Herausgabe eines Wochen- und Anzeigenblattes erhalten hatte, konnte mit dem Beginn des Jahres 1800, am 4. Januar, auch die erste Nummer desselben unter dem langatmigen Titel: „Gnädigst bewilligte Chemnitzer Anzeiger, ein Intelligenz- und Wochenblatt für Chemnitz und umliegende Gegend zum besten des öffentlichen Verkehrs, der vaterländischen Geschichte und gemeinnütziger Gegenstände überhaupt“ erscheinen.

    Zeitgenössiches Städtebild von Chemnitz am Ende des 18.Jahrhunderts - die Jacobikirche
    Zeitgenössiches Städtebild von Chemnitz am Ende des 18.Jahrhunderts

    Wie wenig es indes an „Intelligenz“ und geistiger Nahrung überhaupt bieten konnte, geht schon daraus hervor, daß nur ein Bogen mit 4 Blättern einmal wöchentlich und zwar sonnabends erschien. Trotzdem wurde nach zeitgenössischen Berichten mit der Herausgabe dieses Blattes einem längst gefühlten Bedürfnis für Chemnitz als einer Stadt, mit damals ungefähr 11.000 Einwohnern abgeholfen.

    Der „Chemnitzer Anzeiger“ wollte in erster Linie der öffentlichen Bekanntmachung dienen, deren Verbreitung in Zeitungsform sich bei dem steigenden industriellen Verkehr in der Stadt Chemnitz immer mehr nötig machte. Gleichzeitig sollten aber auch allerhand andere Nachrichten und Anzeigen aufgenommen werden und schließlich sollte das Blatt auch der Unterhaltung dienen. Politische Zeitungsnachrichten wollte der „Chemnitzer Anzeiger“ zwar nicht bringen, aber da er doch über alle wichtigen Vorkommnisse in Stadt und Land unterrichten wollte, so war es immerhin in damaliger Zeit eine der Hauptsorgen des Herausgebers, wie er wohl am besten, schnellsten und billigsten die Nachrichten für seine Zeitung heranbekäme. Deshalb schreibt er in der Voranzeige: „Männer von Kopf und Herz, die tätig und patriotisch sind, lade ich freundschaftlich zur gemeinsamen Mitarbeit ein… Alle Aufsätze und Beiträge, die zunächst zum Besten des Publikums geschrieben sind, werden mit Dank und, kommen sie von auswärts, auch unfrankiert angenommen.“ Von einer Honorierung dieser Beiträge ist nicht die Rede.

    Annoncen 1813, so wie wir sie heute nicht mehr kennen

    Die finanzielle Seite, soweit es sich um Einnahmen des Verlegers handelt, war wie folgt geregelt: Man konnte das Blatt einzeln kaufen oder im Abonnement bestellen. Die entsprechenden Stellen in der Voranzeige lauteten: „Einzeln kann die Nummer bei ihrer wöchentlichen Erscheinung für 6 Pfennige abgeholt werden. Subskribieren kann man entweder auf den halben Jahrgang für 12 Groschen oder auf den ganzen Jahrgang für 16 Groschen.“ Wer den ganzen Jahrgang bestellte, mußte den Abonnementspreis im Voraus bezahlen, hatte dafür aber den Vorteil, daß er auf jedes halbe Jahr 16 Zeilen für Anzeigen frei hatte. Diese Anzeigen sollten im Übrigen eine weitere Einnahmequelle für den Verlag bilden. Von ihnen heißt es: „Für die Bekanntmachungen und Anzeigen, die der Einsender um seines Vorteiles willen einrücken lässt, und welche aus kleinerer Schrift bestehen, wird von der gespaltenen Quartzeile nur 5 Pfennige gleich bar bezahlt.“ Blättert man den Anzeiger durch, so sieht man, daß in jeder Nummer eine ganze Reihe solcher bezahlter Anzeigen zu finden sind. Der Verleger wird also damit ein ganz gutes Geschäft gemacht haben.

    Den Vertrieb des „Chemnitzer Anzeigers” nach auswärts suchte der rührige Verleger in den einzelnen sächsischen Orten durch Kommissionäre zu bewerkstelligen. Die Wiege des „Chemnitzer Anzeigers” stand in dem Hause Nr. 233 auf der Langen Gasse, wo der Buchdrucker Kretschmar seinen ersten Geschäftssitz hatte.

    Übersicht der Marktpreise aus dem Jahre 1849

    In jeder Nummer des „Anzeigers“ finden sich kleine Artikel, und zwar werden die allerverschiedensten Gebiete behandelt. Besonders gern und eingehend werden Schulfragen besprochen, auch gern werden medizinische und naturwissenschaftliche Fragen behandelt. Dazu kommen Handelsnachrichten, durch die der Leser etwa über die Kaffeepreise in Hamburg unterrichtet oder vor einem fremden Handelsmanne gewarnt wird, der falsche Sächsische Spezies und Brabanter Taler ausgegeben hat. Notizen über die Witterung und die durchreisenden Fremden folgen. Die Kirchennachrichten schließen sich an, und dann kommt die große Masse der amtlichen Bekanntmachungen. Damit endet der Teil, den wir heute als den redaktionellen bezeichnen würden, und es schließt sich der Anzeigenteil an.

    Dieser Anzeigenteil hebt sich äußerlich von dem Redaktionellen kaum ab. Man kennt noch nicht die Reklame-Anzeige, die mit großen augenfälligen Buchstaben, mit Schlagworten und Bildern arbeitet. Die Anzeigen sind etwas kleiner gesetzt als der übrige Text, folgen aber im Übrigen schön eine nach der andern. Der Anfang ist spärlich, aber gar bald vermehren sich die Anzeigen, und es ist erstaunlich, was in dem damaligen Chemnitz alles verloren, gestohlen, gefunden wurde, was zu verkaufen und zu handeln war. Dieser Anzeigenteil bietet ein außerordentlich interessantes Bild in dem Wirtschafts- wie auch Geistesleben der Stadt Chemnitz in den Jahren ab 1800. Da werden Häuser gekauft und verkauft, da will einer eine Wiener Chaise mit allen Feinheiten und Bequemlichkeiten verkaufen. Ein anderer hat eine Sammlung von 48 teils kupfernen, teils zinnernen Münzen zu verkaufen. Auch Heiratssachen werden behandelt. Da zeigt z.B. ein Hans Friedr. Pohl aus Penig in der Nummer vom 15. Februar 1800 folgendes an: „Seit der Gründung des allgemeinen Heiratstempels, welcher sowohl bei Herrn Kretschmar in Chemnitz als auch bei mir zu haben ist, bin ich sehr oft aufgefordert worden, mich mit Heiratsangelegenheiten auch außer dieser Zeitschrift zu befassen. Da ich bereits für mehrere Freunde dies tat, einige glückliche Versuche machte, sich überdies solche Aufträge in kurzem sehr vermehrt haben, und ich gewiß sein darf, daß ich für viele Heiratslustige beiderlei Geschlechts werde nützlich sein können, so will ich mich hierdurch verbindlich machen, für jeden, der mich mit seinem Zutrauen beehrt, mit möglichster Promptheit bemühet zu sein. Die äußerst billigen Bedingungen erfährt man durch einen Brief mit zwei Groschen Beilage.“

    Den Schluß fast jeder Nummer bilden die Marktpreise der Stadt Chemnitz. Da sind in Talern, Groschen (später Neugroschen) und Pfennigen die Scheffelpreise für Weizen, Korn, Gerste, Hafer, Erdäpfel angegeben, der Preis einer Dresdner Kanne Butter, der Klafter Hart- und Weichholz. Der „Chemnitzer Anzeiger“ hat sich schon im ersten Jahre seines Bestehens gut entwickelt. Die Zahl der Anzeigen nimmt von Monat zu Monat zu und nötigt den Verleger wiederholt zur Beigabe von Sonderblättern. Auch zu Jahrmarktszeiten, die mehrmals jährlich stattfinden, inserieren auch auswärtige Händler und verweisen auf ihre reichhaltigen Lager und neuesten Erzeugnisse.

    Am 9.Januar 1829 stirbt F.G. Kretschmar, nachdem er 29 Jahre die Geschicke des Blattes geleitet hatte. Sein Sohn Anton Ludwig tritt in seine Fußstapfen und gibt ab dem 5. Januar 1833, dem erweiterten Bedürfnisses geschuldet, wöchentlich 2 Ausgaben, sonnabends und mittwochs heraus. 2 Nummern kosten wöchentlich 9 Pfennige, mittwochs 3Pf sonnabends 6 Pf. Auch konnte man sich den Anzeiger durch einen Träger nach Hause bringen lassen, musste aber für dessen doppelte Bemühungen einen Trägerlohn von 14 Groschen halbjährlich vorausbezahlen.

    Lageplan der Druckerei auf dem früheren Topfmarkt – jetzt Getreidemarkt

    Im Adressbuch 1838 finden wir mittlerweile die Buchhandlung und Buchdruckerei Kretzschmar auf dem Topfmarkt Nr. 361, dem heutigen Getreidemarkt. Mit dem Jahre 1840 wird das Chemnitzer Brandkataster neu gegliedert, die Häuser, Grundstücke, Straßen erfasst und neu nummeriert. Die Firma Anton Ludwig – Buchdruckereibesitzer und Verlagsbuchhändler; Expedition des Chemnitzer Anzeigers; Firma: C. G. Kretschmar hat jetzt ihren Sitz „neuer Topfmarkt 1“, Brandkatasternummer 245. Am 20. November 1849 stirbt Anton Ludwig Kretzschmar, er hinterlässt neben der Witwe Emma nur eine Tochter Marie. Bis 1850 erschien der Anzeiger zweimal wöchentlich weiter. Am 6. März 1850 gibt das Blatt bekannt, das die 9-köpfige Redaktion Heinrich Heinlein übernimmt, ab 1.April erscheint der Anzeiger täglich. Chemnitz hat mittlerweile rund 34.000 Einwohner. Der „Chemnitzer Anzeiger“ hat sich bis zum Jahre 1859 gehalten, sein Erbe trat das „Chemnitzer Tageblatt“ an, das als „Chemnitzer Bote und Anzeiger“ auch bereits ab 1848 erschien.

    Wer Lust hat, in diesen alten Blättern zu stöbern, wird in der Sächsischen Landesuniversitätsbibliothek (SLUB) fündig.

    (Quellen: Buch der Stadt Chemnitz 1926, Generalanzeiger für Chemnitz, 1. August 1899, diverse Jahrgänge des Chemnitzer Anzeigers, zu finden unter SLUB-Dresden.de)