Die Schillingschen Figuren am Chemnitzer Schloßteich, als Ganzes „Die Tageszeiten“ genannt, sind seit wenigen Wochen von ihrer schützenden Winterumhausung befreit. Im Beitrag Die neuen Schlossteichanlagen habe ich bereits von der Aufstellung 1936 berichtet.
Vorher jedoch standen sie am ehemaligen Neustädter Markt, später auch Königsplatz bzw. Theaterplatz genannt. Wie sie damals in die Gestaltung des neuen Platzes eingebunden wurden, möchte ich darlegen und mit vielen Ansichten illustrieren.
1904 fassten die Chemnitzer Stadtverordneten einen Beschluss zur „Erhöhung des großstädtischen Aussehens von Chemnitz“ und stimmten der Anlage eines monumentalen großstädtischen Platzes durch die Vereinigung attraktiver Kulturbauten als Ensemble am Neustädter Markt zu. Oberbürgermeister Beck hatte 1897 die Errichtung eines repräsentativen städtischen Museums vorgeschlagen. 1902 legte Stadtbaurat Richard Möbius einen Entwurf vor, der zugleich ein neues Stadttheater am Neustädter Markt vorsah. Dieser war damals ein befestigter, unbepflanzter Platz, auf dem verschiedenartige Märkte abgehalten wurden. Nur zum Schillerplatz hin erhob sich die 1888 geweihte Petrikirche.
Die Bauausführung wurde im Februar 1906 in Angriff genommen.
Der Neustädter Markt fiel bisher von der Königstraße (jetzige Straße der Nationen) bis zur Bismarkstraße (jetzige Karl-Liebknecht-Straße) gleichmäßig eben ab. Hinter dem Museum erkennt man heute noch das Gefälle. Bei Errichtung der Bauanlage mußte der Platz vor den Gebäuden waagerecht gelegt werden. Die in der Mitte und halben Höhe des Platzes stehende Petrikirche war ausschlaggebend für die Höhenlage der zukünftigen Platzfläche. Die Fläche an der Königstraße wurde etwa 3,20 m abgesenkt und mit einem leichten Gefälle zum neuen Stadttheater hergestellt. Der neue Platz sollte vom Durchgangsverkehr freigehalten werden. Längs der Königstraße errichtete man eine Stützmauer, deren Krone eine Steinbrüstung mit eisernen Geländereinsätzen trug, mittig wurde eine breite Freitreppe angelegt.
Eine bepflanzte Böschung trennte die parkartigen Schillerplatzanlagen vom neuen Platz. Zudem wurde eine Brunnenanlage geschaffen, um die Schillingschen Figurengruppen, welche ehemals die Treppe der Brühlschen Terasse in Dresden zierten, aufzunehmen. Eine aus Granit errichtete vom Platz aufsteigende gebogene Stützmauer lehnte sich gegen die Böschung und umfaßte ein mächtiges ovales Brunnenbecken, in das aus einem kleineren höher gelegenen Innenbecken das Wasser herabfiel. Hinter der Stützmauer führten zwei Fußwege vom Platz zu einer als kleine Rampe angelegten Straße empor. Am Fuße der Stützmauer und auf dem Mittelteil erhoben sich auf schweren einfachen Granitsockeln die vier Figurengruppen in derselben Anordnung wie auf ihrem damaligen Standpunkt in Dresden.
Die Figurengruppen im Einzelnen: Johannes Schilling hat 1866 mit der Nacht begonnen und das natürlichste Motiv des Einhüllens eines Schlafenden als Vorbild genommen, ihr folgte 1868 der Abend, wobei Schilling versuchte, die Erquickung des Mannes nach Tages Last und Mühe mit den Reizen der Muße zu verbinden. 1871 entstand der Morgen, der die Geste des Enthüllens aus der Geborgenheit der Nacht zum Anbrechen des Tages charakterisiert. Im gleichen Jahre wurde auch der Mittag fertig, der von der stetigen Arbeit und vom Streben nach Ruhm begleitet wird. Erstmals wurden die vergoldeten „Tageszeiten“ 1872 in Dresden aufgestellt. Doch wahrscheinlich der elbnahe Standort setzte den Figuren zu. In Dresden dachte man über einen Ersatz nach, es entstanden die witterungsbeständigen Bronzeabgüsse. Die Originale kamen auf Schenkung von König Albert 1898 nach Chemnitz.
Mitte August 1909 wurde die Brunnenanlage mit einer kleinen Feierstunde enthüllt. Die gesamte Anlage wie auch die umfangreichen Erdarbeiten wurden vom städtischen Tiefbauamt unter Leitung des Stadtbaurat Bahse geplant und unter der des Stadtbaurat Harms ausgeführt, die gärtnerischen Anlagen wurden vom städtischen Gartendirektor Werner ausgeführt.
Das gesamte Ensemble des neugestalteten Platzes wurde schließlich im Beisein des Sächsischen Königs am 1.September 1909 feierlich eingeweiht. Dazu später mehr. Im Rahmen der Platzgestaltung erhielt dieses erste Meisterwerk von Johannes Schilling, des gebürtigen Sohnes der Stadt Mittweida, einen würdigen Platz. Bis zur Umgestaltung mit der Bebauung des „Chemnitzer Hofes“ 1928, in diesem Jahr mussten sie den Bauarbeiten weichen…
„Von Interesse dürfte es noch sein, zu erfahren, wie die Schillingschen Figurengruppen in Chemnitz behandelt worden sind. Bekanntlich sind diese unvergleichlichen Meisterwerke jetzt an ihrem alten Aufstellungsorte als Bronzeabgüsse erstanden und die danach überflüssigen Originalwerke des Meisters, die aus weißem Sandstein der Postelwitzer Brüche an der Elbe ausgeführt und später vergoldet und schließlich durch die Witterungseinflüsse unscheinbar geworden waren, der Stadt Chemnitz schenkungsweise überwiesen worden. Zu dieser Zeit zeigten die Figuren neben mehr oder weniger vorhandener Vergoldung, tiefschwarze unergründliche Flecken. Während die Oberfläche das Relief noch in reiner Form erkennen ließ, war der Gesamteindruck ein zerrissener, wenig befriedigender. Die ursprüngliche Absicht, die Gruppen mechanisch zu reinigen und sie wie alt vergoldete Figuren ohne die tiefen Schwärzungen erstehen zu lassen, ergab sich als aussichtslos, da bei der notwendigen Behandlung zur Reinigung auch das teils nur schwach und locker sitzende Gold mit angegriffen und beseitigt wurde. Außerdem mußte man befürchten, daß bei teilweiser Erhaltung der Vergoldung die in Aussicht genommene Behandlung der Figuren mittelst steinerhaltender Mittel nicht durchdringend und vollständig wirksam sein werde. Aus diesen Gründen entschloß man sich auf Grund angestellter Versuche und eines Gutachtens des Direktors des städtischen chemischen Untersuchungsamtes Dr. Behre, die Figuren vollständig bis auf den Stein zu reinigen und zwar durch Ablaugung des Goldes, des Schmutzes und des Untergrunds für die Vergoldung mittels 90 grädigen Alkohols. Dabei zeigten sich allerdings manche schadhafte, gekittete Stellen, die das Gold verborgen hatte, auch war der weiße Steinton nicht wieder zu erreichen. Immerhin konnte man mit dem Ergebnis zufrieden sein, denn die Figuren zeigten ein schönes Grau, das alten Steins, und konnten nun durch einen Überzug durchgehends gegen Wilterungseinflüsse geschützt werden…“
Als Anlage gibt es noch dieses von mir entworfene Blatt. Sie können es sich herunterladen und als kleine gedankliche Stütze bei ihrem nächsten Besuch in den Schloßteichanlagen verwenden.
(Quellen: Das König-Albert-Museum, das Stadttheater und die neue Platzbildung des Neustädter Marktes in Chemnitz – Stadtbauamt 1909; Der Türmer von Chemnitz, Heft 9 -1936; Sachsenheimat 1931 u.a.)