Die Zeisigwaldschänke präsentiert sich heute, aufwendig renoviert, wieder als schmuckes Ausflugsziel für die Chemnitzer Bevölkerung. mit diesem Beitrag möchte ich die Geschichte des Hauses einmal näher betrachten.
1895 wurde, ähnlich des Küchwald-Festplatzes, im Zeisigwald ein Spielplatz angelegt. Unter schattenspendenden Bäumen, umrahmt mit Bänken und einer Unterkunftshalle, konnten sich die Chemnitzer frei bewegen und sich den ersten Sportübungen widmen.
Mit der fortschreitenden Umgestaltung des Zeisigwaldes zu einem ausgedehnten Waldpark beschlossen die Städtischen Kollegien im Juli 1898, unweit dieses Spielplatzes ein Areal zum Zwecke der Errichtung einer Restauration zu verpachten. Dabei wurden zur Einreichung der Angebote einige Forderungen an die Bewerber gestellt. Sie sollten in der Lage sein: das Gebäude selbst zu errichten, im Gebäude zu wohnen und auch während des Winters den Betrieb offen zu halten. Den Zuschlag erhielt eine ortsansässige Brauerei.
Die Waldschänke, wie sie damals noch hieß, welche von der „Aktien-Lagerbier-Brauerei zu Schloßchemnitz“ erbaut worden ist, wurde am 12. Juli 1899 nahe der Goldbornquelle, an Forststraße und Steinweg, eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben. Zahlreiche Mitglieder der städtischen Kollegien hatten sich zu einer kleinen Festlichkeit eingefunden. Brauereidirektor Klapp eröffnete den Akt mit einer kurzen Ansprache. Dazu wurde natürlich reichlich des deutschen Nationalgetränkes besagter Brauerei ausgeschenkt und ein reichhaltiges Buffet den Gästen zum Wohle aufgestellt.
Die Beschreibung der Waldschänke 1899 in der Presse:
„Die auf einem Areal von 1000 Quadratmeter errichtete Schänke ist ein luftiger Bau von sehr gefälligem Aussehen, das Wirthschaftsgebäude mit einem für den Winter berechneten, also gut heizbarem Gastzimmer ist halb massiv, das Saalgebäude in Fachwerk erbaut. In diesen beiden Räumen werden einschließlich der Veranda ungefähr 400 Gäste untergebracht werden können, während draußen auf einem etwa 1200 Quadratmeter fassenden Raume ca. 1000 Personen Sitzplätze finden dürften. Die inneren Räume sind gut ventilirt und mit fließenden Wasser versehen, die Keller von ausgezeichneter Beschaffenheit. Der Bau, ausgeführt von Herrn Baumeister Trübenbach, ist trotz der zumeist höchst ungünstigen Witterung in der kurzen Zeit von 3 ½ Monaten zu Ende geführt worden. Die Bewirthschaftung ist Herrn Hermann Berthold, dem früheren Kastellan der Gondelgesellschaft übertragen worden.“
Die verkehrstechnische Erschließung mit dem Bau der Straßenbahnlinien nach Hilbersdorf und Gablenz im Jahr 1900 förderte zunehmend die Umnutzung des Zeisigwaldes zum Naherholungsgebiet. Die Waldschänke erfreute sich rasch wachsender Beliebtheit, mehrmals wöchentlich fanden Konzerte auf der neuangelegten großen Sommerterrasse mit Konzertpavillon statt. 1905 wurde das Ausflugslokal mit gut frequentiertem Speiserestaurant und Weinabteil von der Stadt Chemnitz übernommen, als Pächterin wurde Frau Laura Frieda Heuschkel, Witwe und Schankwirtin, vertraglich gebunden. Im Mai 1908 wurde Sie nach einer Gasvergiftung bewußtlos in Ihrem Schlafzimmer in der Waldschänke von einem Angestellten gefunden und von der herbeigerufenen Berufsfeuerwehr gerettet. Wahrscheinlich aus daraus resultierenden gesundheitlichen Gründen gab Sie die Bewirtung noch im selben Jahr auf. Im Adressbuch 1909, mit dem neuen Pächter Herrn Ernst Albrecht, finden wir erstmals die Namensnennung „Zeisigwaldschänke“.
Notwendige Erweiterungen und Umbauten blieben in den Folgejahren nicht aus.
Dann ein Ereignis, wie es hätte nicht schlimmer kommen können. Am 22. Oktober 1913 zerstörte ein Feuer einen Teil der Zeisigwaldschänke. Früh 5:30 Uhr brach der Brand aus und griff rasch um sich. Es gelang, das Feuer auf den Mittelbau zu beschränken, dessen Dachstuhl, die darunterliegenden Zimmer und ein Teil der Gaststube brannten vollständig nieder. Der Betrieb wurde trotz des beträchtlichen Schadens dennoch aufrechterhalten. Die Stadt wußte um die Bedeutung und beschloß schon Ende Januar 1914 in einer Sitzung den Wiederaufbau in veränderter Ausführung. Die Stadt mußte zu den 11.000 Mark Brandentschädigung noch über 30.000 Mark für den Aufbau zahlen. Das Städtische Hochbauamt selbst unter der Leitung von Stadtbaurat Richard Möbius übernahm die Leitung dieser Baumaßnahme, die sich kriegsbedingt verzögerte. Im Bildvergleich zwischen dem Ursprungszustand und nach dem Brand sind die neuen Rundbogenfenster und die angebaute Veranda am Vorderhaus gut erkennbar.
Auch nach dem 1. Weltkrieg riss die Beliebtheit nicht ab. Gäste des nahegelegenen Zeisigwaldbades, die benachbarte Bevölkerung des Sonnenberges und aus Hilbersdorf sowie zahlreiche Wanderer und Ausflügler bevölkerten zu allen Jahreszeiten das Lokal. Bis ca.1920 führte Ernst Albrecht das Lokal, ihm folgte Paul Müller als Schankwirt bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges, also fast 25 Jahre. 1925 wurde unter seiner Leitung eine Konditorei in die Zeisigwaldschänke eingebaut, um selbst eine breite Auswahl an Kuchen und Torten anzubieten und den nicht abreißenden Besucheransturm zu bewältigen. 1927 machte es sich erforderlich, ein neues Wirtschaftsgebäude in ländlicher Formgebung zu errichten.
Von der Zerstörung im 2. Weltkrieg verschont, wurde das Ausflugslokal danach bald wiedereröffnet. Mit der Übernahme durch die HO Anfang der 50er Jahre erlebte das Objekt weitere Jahre, wurde jedoch ohne Sanierung heruntergewirtschaftet.
1985 noch in die Denkmalliste von Karl-Marx-Stadt aufgenommen, verfiel sie zusehends und musste bereits kurze Zeit später aus Sicherheitsgründen geschlossen werden.
Der Zustand des überwiegend hölzern ausgeführten Gebäudes verschlechterte sich nach der Schließung dramatisch. Nach 1990 erste Hoffnungen. Potentielle Investoren lassen das Projekt jedoch wieder fallen, sobald sich herausstellt, daß die Kosten die zu erwartenden Gewinne übersteigen würden, so auch der ehemalige Chemnitzer Radprofi Michael Hübner.
Zwei Investoren übernehmen das geschichtsträchtige Haus 2001 und retten buchstäblich in letzter Minute das unter Denkmalschutz stehende Ensemble. Mit viel Geld, Geduld und Arbeit wurde die Zeisigwaldschänke in mehrjähriger Rekonstruktion mit denkmalsgerechten Sanierungsarbeiten wieder zu neuem Leben erweckt.
Wer gern noch etwas zur Restaurierung erfahren möchte, dem empfehle ich das Buch „Die Zeisigwaldschänke – Ein Ausflug in den Chemnitzer Zeisigwald und seine Historie“. Und natürlich wird ein Besuch meinen Lesern gern nahegelegt.
(Quellen u.a.: div. Ausgaben des Generalanzeigers für Chemnitz 1898-1900, Dresdner Neueste Nachrichten, zu finden unter SLUB-Dresden.de, Buch Chemnitz am Ende des 19.Jahrhunderts)