Das Kaffeehaus, was ich Euch heute vorstelle, zeugte vom Vorhaben der Industriestadt Chemnitz und seiner geschäftstüchtigen Einwohner, ein weltstädtisches Flair entstehen zu lassen. Die neue Großstadt Mitteldeutschlands (Chemnitz hatte 1930 fast 357.000 Einwohner) hatte mit ihren zahlreich entstandenen Industrie-, Geschäfts- und Wohnbauten bereits im Architekturbereich einen hohen Stellenwert in Deutschland erreicht.
Mit experimenteller Fassadengestaltung hatte man allerorts Aufmerksamkeit erregt, dieser attraktive Kaffeehaus-Neubau sollte sich mit seinem markanten Lichtturm dort einreihen. Schon bald rangierte es unter den zehn größten Kaffeehäusern Deutschlands und stand in einer Reihe u.a. mit dem berühmten „Café Kranzler“ in Berlin.
Doch die Vorgeschichte zuerst:
Am 19. März 1896 hatte der Gastronom Emil Freund die 1850 in der Zwingergasse Nr.6 von Max Schmidt begründete „Conditorei und Cafe“ gekauft. 1903 erwarb er das Nachbargrundstück Zwingergasse Nr.4 dazu.
Im beiliegenden Planausschnitt habe ich Euch das „ERFEUNA“ an der Zwingergasse/-straße, die von der Inneren Johannisstraße zur Lange Straße führte, im heutigen Stadtbild markiert. 1904 wurde die Zwingergasse in Zwingerstraße umbenannt.
Im Januar 1909 übernahm Herr Carl Jentzsch beide Häuser und das Kaffee und führte es aus der räumlichen Enge zu einem erstklassigen gastronomischen Unternehmen. Um den bereits erworbenen Ruf von Emil Freund zu erhalten, nannte Jentzsch sein Geschäft nun Konditorei und Kaffee „Emil Freund & Nachfolger“ Inhaber Carl Jentzsch – Zwingerstraße 4-6. 1911 eröffnete er zudem ein Filialgeschäft auf der Ulmenstraße 61.
Nach dem Ersten Weltkrieg erwarb Jentzsch noch das Eckhaus Zwingerstraße 2. 1929 wurden die Häuser 2 und 4 abgerissen. Der attraktive Neubau entstand an dieser Stelle. Mit dem zuvor bereits erworbenen Haus Zwingerstraße 8 besaß Jentzsch jetzt die komplette rechte Seite der Straße.
Am 29. November 1929 eröffnete das moderne Kaffeehaus unter dem Markennamen “EFREUNA” mit annähernd 400 Plätzen, postalisch jetzt Zwingerstraße 6.
Der vom Architekten Anton Kunz mit Unterstützung des Architekten Curt am Ende errichtete schwungvoll gerundete mehrstöckige Bau besaß eine attraktive Fassade aus geschliffenem Kalkstein und ein überaus gediegenes Interieur. Ab 8 Uhr morgens konnte man hier behaglich sitzen und die neuesten Tageszeitungen, es sollen an die 100 gewesen sei, lesen und sich die Köstlichkeiten schmecken lassen. Die Fassade mit dem Firmennamen, der große Lichtturm und ein kleiner in der Zwingerstraße waren des Nachts erleuchtet. Sie sollte ein Stück Kurfürstendamm-Atmosphäre wiedergeben. Bevorzugt wurde diese Nachtansicht auch für Werbezwecke genutzt. Der Turm wurde zum Markenzeichen.
Die Presse lies es sich nehmen, das Haus in den höchsten Tönen zu loben und deutschlandweit bekannt zu machen. Das klang dann so:
„Eine Sehenswürdigkeit von ganz besonderem Reiz ist vor wenigen Monaten in der Zwinger- und Inneren Johannistraße in Chemnitz entstanden, das EFREUNA-Haus, mit seinem hochragenden Lichtturm und seiner stilvollen Fassade ein Wahrzeichen der Stadt. Der bekannte mitteldeutsche Architekt A. Kunz hat mit dem EFREUNA-Haus ein Werk geschaffen, das einzig dasteht und wohl zu den schönsten Deutschlands gehören dürfte. Überall in der Architektur und in der dekorativen Harmonisierung erkennt man die formende und klugunterstreichende Kraft des Bauzweckes. Vor allem, wenn man in das Innere des Hauses tritt. Trefflich klingt in dem großen, lichtdurchfluteten Laden mit seinen herrlichen Konditorwaren die kräftige prachtvolle Maserung des edlen polierten Zebrano-Holzwerkes mit dem farbigen Marmor der Tafelplatten zusammen. Ganz besonders schön— fast wie das Foyer eines neuzeitlichen Theaters wirkend — die prächtige Vorhalle des Cafés, deren Wände mit poliertem Travertin verkleidet sind und von der aus eine dreiarmige Marmortreppe zu den Gesellschaftsräumen und zum Hauptraum, dem großen Konzertcafé, emporführt. Vermittelt durch einen weitausholenden Deckendurchbruch bildet das Konzertcafé mit dem zweiten Obergeschoß eine große Einheit von faszinierender Wirkung. Ein feines Elfenbeinweiß der Decken und Wände beherrscht die weiten Räume, kräftigere Farbtöne sind für den Fußbodenbelag gewählt. Ein großes farbiges Glasmosaik, die Freude verkündend, erscheint symbolisch über dem Musikpodium. Alles in allem ein Bild von ganz außergewöhnlichem Geschmack. Manch anderes Unternehmen sollte sich an dem hier geschilderten ein Beispiel nehmen. Selbst der verwöhnteste Gast wird erstaunt sein, ein Cafe von solchen Qualitäten in Chemnitz zu finden.“
Das Kaffee wurde die Pflegestätte guter Musik. Im monatlichen Wechsel wurden verschiedene Ensembles arrangiert, die besten in- und ausländischen Kapellen spielten täglich zum Tanz auf und sogar der Mitteldeutsche Rundfunk – Sender Leipzig – übertrug in unregelmäßigen Abständen Tanzmusikabende aus dem „EFREUNA“ direkt zu den Zuhörern vor den neuen Radioapparaten.
Im Erdgeschoss florierte weiterhin das Ladengeschäft. Im Damenraum, in den Gesellschaftsräumen und im Konzertkaffee zählte die Speisekarte ein Angebot von 250 warmen und kalten Positionen. Man warb als prämierte Großkonditorei u.a. als größtes Bestellgeschäft, das im eigenen Wagen Bunte Teller, Torten und Eis minutenpünktlich liefert. Aber auch der Christstollenversand wurde weltweit erledigt.
Das beliebte „EFREUNA“ hatte mit seinem weltstädtischen Flair viel dazu beigetragen, das Chemnitz und seine Gäste auch in kultureller und gastronomischer Hinsicht voll zufriedengestellt wurden. Es fiel leider dem Luftangriff vom 5. März 1945 zum Opfer.
Im Geschäft in der Ulmenstraße versuchte man die Tradition fortzuführen, es blieb bis 2012 erhalten. Die Lokalität auf dem Kaßberg wurde damals von der Firma Gränitz übernommen. Jetzt finden wir dort einen Friseursalon.